Geschlechterverteilung im Kino:Sprechende Frauen, nackte Männer

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Ist das Kino nur eine Angelegenheit von Jungs für Jungs?: Sam Claflin kommt in "Tribute von Panem - Catching Fire" wohl vor allem beim weiblichen Publikum an. (Foto: Metropolitan FilmExport)

Warum spielten "Die Eiskönigin" und "Tribute von Panem - Catching fire" im Kino so viel Geld ein? Wohl auch deswegen, weil sie das junge weibliche Publikum bedienen. Doch hinter der Kamera agieren trotzdem weiterhin vor allem Männer, wie die "New York Film Academy" jetzt herausfand.

Von Susan Vahabzadeh

Man kann ja auch mal nachrechnen, obwohl man sich die Ergebnisse schon vorstellen kann. Also: die New York Film Academy hat Statistiken ausgewertet zur Geschlechterverteilung im Kino, untersucht wurden die 500 erfolgreichsten Filme aus den Jahren 2007 bis 2012. Auf der Leinwand sind nur 30 Prozent der sprechenden Figuren Frauen.

Dafür sind die Schauspielerinnen anderweitig gefordert: 25 Prozent der Frauen in den 500 untersuchten Filmen ziehen sich früher oder später aus, aber nur zehn Prozent der Männer, obwohl es doch so viel mehr männliche Charaktere gibt. Und das, obwohl die Hälfte aller Tickets von Frauen gekauft werden. Was aber, wenn denen sprechende Frauen und nackte Männer lieber sind? Oder ist Kino eine Angelegenheit von Jungs für Jungs?

Ein Fall für den "Bechdel-Test", benannt nach der Comic-Zeichnerin Alison Bechdel, die in den Achtzigern eine ihrer Figuren sagen ließ, sie sehe sich nur noch Filme an, in denen mindestens zwei Frauen vorkommen, die sich über etwas anderes miteinander unterhalten als über Männer.

In Schweden gibt es schon Kinos, die ihr Programm einer solchen Prüfung unterziehen. Wieso das vielleicht keine übertriebene feministische Idee ist, kann man daran sehen, warum die Statistiken der New York Film Academy überhaupt Widerhall fanden: Ihre Veröffentlichung fällt zusammen mit dem Erfolg des zweiten Teils der "Tribute von Panem" zusammen, "Catching Fire", der inzwischen weltweit fast 700 Millionen Dollar eingespielt hat, und dem von Disneys neuem Film "Die Eiskönigin", dem viele in der Filmbranche gar keine riesigen Einnahmen prognostiziert haben, der aber seinen Spitzenplatz an den amerikanischen Kinokassen behaupten konnte.

Beide sind Vertreter eines für Hollywood noch relativ frischen Genres: des fürs junge weibliche Publikum konzipierte Spektakels, mit starken weiblichen Protagonistinnen an Stelle der zarten Mädels, die Männer sich seit Jahrzehnten als Leinwandheldinnen ausdenken.

Viele Nacktszenen mit weiblichen Teenagern

Dass nun ausgerechnet solche Filme viel Erfolg haben, die das weibliche Publikum bedienen, zeichnet sich seit einer Weile ab - im Sommer gehörte "The Heat" mit den Cops Sandra Bullock und Melissa McCarthy zu den Überraschungshits.

Auf die Verteilung der Jobs hinter der Kamera hatte das einstweilen wenig Einfluss: Es sind zwar inzwischen 25 Prozent der Produzenten weiblich, aber von den 500 ausgewerteten Filmen waren gerade mal neun Prozent von Frauen inszeniert worden, und die Männer hatten auch 85 Prozent der Drehbücher geschrieben. Und das hat dann vielleicht auch damit zu tun, dass - wie der Auswertung herauskam - ungefähr ein Drittel der Frauenrollen sexy Outfits erfordern und dass innerhalb des Auswertungszeitraums, also zwischen 2007 und 2012, Nacktszenen mit weiblichen Teenagern rasant anstiegen, um 32 Prozent.

Die Darstellung von Frauen in Filmen von Frauen analysierte die New York Film Academy dann aber nur sehr oberflächlich: Es sind auf jedenfalls deutlich mehr weibliche Charaktere auf der Leinwand unterwegs, sobald eine Frau Regie führt oder das Drehbuch geschrieben hat.

Weibliche Leistung zählt weniger

Das British Film Institute stellte übrigens gerade vor zwei Wochen eine Studie vor, die sich mit Filmen von Frauen befasst. Dabei kam heraus: Sechzehn Prozent der Filme hatte eine Frau das Drehbuch geschrieben, bei elf Prozent der Produktionen war eine Regisseurin am Werk gewesen, bei manchen der Filme kam beides zusammen.

Überraschend war bei dieser Studie, dass die Frauen in einer Untergruppe, nämlich bei den Filmen mit den höchsten Einspielergebnissen, überproportional vertreten waren - bei denen hatte zu 30 Prozent eine Frau Regie geführt oder das Drehbuch geschrieben.

Die New Yorker Academy wertete auch aus, wie mit weiblichen Leistungen umgegangen wird, in Form von Preisen und Bezahlung. Gerade mal vier Regie-Oscars erhielten Frauen in 85 Jahren, das ist eigentlich bekannt. Aber bei den Drehbüchern sind es auch nur weniger als zehn Prozent der Preise, die an Frauen gingen.

Auf der Liste der zwanzig Top-Verdiener unter den Schauspielern kommt die erste Frau, Angelina Jolie, auf Rang zehn, mit 33 Millionen Dollar im Jahr - die Nummer 1 ist Robert Downey jr. mit 75 Millionen Dollar. Und wer hätte gedacht, dass Mark Wahlberg pro Jahr ungefähr drei Mal so viel verdient wie Sandra Bullock, die mit 14 Millionen Dollar auf Platz 17 landet?

Das liegt vielleicht auch an der Altersverteilung. Denn die Frauen auf dieser Liste sind deutlich jünger als die Männer - im Schnitt 34,8 Jahre, die Schauspieler mit den höchsten Gagen sind im Schnitt hingegen zwölf Jahre älter. Die Männer haben eben auch immer noch die längeren Karrieren.

© SZ vom 10.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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