Geschichte des FBI:Der Staat im Staat

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Die Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein enthüllten vor mehr als vierzig Jahren die "schmutzigen Tricks" Richard Nixons. Hier verkörpert von Dustin Hoffman (li.) und Robert Redford in einer Szene des Films "Die Unbestechlichen". (Foto: dpa)

Wie ist das FBI eigentlich so mächtig geworden? Die Geschichte eines Geheimdienstes, der sogar Bertolt Brecht und Charlie Chaplin überwachte.

Von Willi Winkler

Glücklich das Land, das solche Helden hat. Bob Woodward und Carl Bernstein enthüllten vor mehr als vierzig Jahren, zu welchen "schmutzigen Tricks" der amerikanische Präsident griff, um seine Gegner aus dem Feld zu räumen und sich im Amt zu halten. Richard Nixon, der den Einbruch im Watergate-Hotel, dem Hauptquartier der gegnerischen Demokraten, zumindest gebilligt hatte, musste, nachdem er sich über Monate mit Leugnen und eklatantem Amtsmissbrauch zu retten versucht hatte, zurücktreten, um einem Enthebungsverfahren zuvorzukommen. Die Reporter hatten einen lügenhaften, zunehmend paranoiden Präsidenten gestürzt, einen Mann, der im Weißen Haus zum Verbrecher geworden war. Woodward und Bernstein, verewigt in dem Film "Die Unbestechlichen", sind die Helden, die jeder Journalist verehren muss.

Bob Woodward verfügte über eine Quelle, die ihn mit Material über Nixons Machinationen versorgte. Er nannte sie nach einem Porno, den damals Millionen Amerikaner heimlich sahen, "Deep Throat" und verriet sie als Profi nicht einmal seinem Kompagnon Bernstein. Erst 2005 wurde sie bekannt: W. Mark Felt outete sich selber als Tippgeber. Felt hatte den Zugriff auf die Recherchen, die das Federal Bureau of Investigation (FBI) zum Fall Watergate anstellte, er verfügte über das gesamte inkriminierende Material, das belegte, wie Nixon sich immer verzweifelter in die Ecke log, und er hatte den brennenden Wunsch, sich am Präsidenten zu rächen.

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Felt hatte gehofft, 1972 nach dem Tod des langjährigen FBI-Chefs J. Edgar Hoover dessen Nachfolger zu werden. Zweimal amtierte Felt als kommissarischer Leiter des FBI, zweimal überging ihn Nixon, der Felt im Übrigen verdächtigte, Woodwards Informant zu sein. Die Rache ist mein, sagte sich Felt, und bediente sich der beiden Journalisten. So wurden Woodward und Bernstein seine ahnungslosen Gehilfen und (aber was denn sonst?) Helden. Der wahre Held von Watergate aber hielt sich an die Regeln der Klandestinität und im Hintergrund.

Jeder weiß, dass Donald Trump sich fürchten muss

Am Dienstag hat Präsident Donald Trump James Comey mit der Begründung gefeuert, der FBI-Chef habe vor dem Untersuchungsausschuss die Zahl der privat versendeten E-Mails der ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton übertrieben. Die Begründung ist ein Witz, wie ihn dem humorlosen Paranoiker im Weißen Haus niemand zugetraut hätte. Comeys vor der Präsidentschaftswahl im November hinausposaunte Behauptung, Clintons E-Mails seien illegal übermittelt worden, kostete sie genug Stimmen, dass Trump ihr den sicher geglaubten Sieg wegnehmen konnte. Jeder weiß, dass der Präsident sich fürchten muss, dass das FBI bei seinen Untersuchungen ihm und nicht etwa Hillary Clinton Fehlverhalten nachweisen wird. Schließlich hat Comey ebenfalls öffentlich und vielleicht voreilig davon gesprochen, dass Trumps Verbindungen nach Russland unamerikanisch sein könnten. Wer, wenn nicht das FBI, wäre unabhängig genug, um dem Verdacht auf Regierungskriminalität nachzugehen?

Über Jahrzehnte nämlich bildete das FBI einen Staat im Staat, es war dabei effizienter als jede Regierung. Das lag an J. Edgar Hoover, der 1935 Gründungsdirektor wurde und es 37 Jahre lang blieb. Von Franklin Roosevelt bis Nixon wirkten sechs Präsidenten unter ihm. Noch im Ersten Weltkrieg war der Jurist ins Justizministerium eingetreten, wo er beim Bureau of Investigation rasch aufsteigen konnte, weil er mit Spionage und der Abwehr potenziell feindlicher Ausländer befasst war und sich dabei als sehr erfolgreich erwies.

Bleibenden Ruhm brachte ihm der Kampf gegen das organisierte Verbrechen ein, das wie Hoover selber seinen Aufstieg der Prohibition und der daraus entstehenden Bandenkriminalität verdankte. Die Polizei war diesen Banden lange nicht gewachsen; die Gangster besaßen die besseren Waffen und die schnelleren Autos. Im föderalen System der fünfzig Bundesstaaten war es eine Kleinigkeit, nach einem Banküberfall in den nächsten Staat zu fliehen. Erst mit einer Bundesbehörde (daher "Federal Bureau") wurde eine systematische Strafverfolgung möglich. Hoover ließ sich in der Wochenschau feiern, wie er Lepke Buchalter an sein Handgelenk geschirrt abführte. Noch besser war der Auftritt, den Hoover dem FBI und seinen Agenten durch den Film "G-Men" (1935) verschaffte. James Cagney spielte einen FBI-Agenten, der genauso heroisch agierte wie John Dillinger, nur dass er jetzt auf der Seite von Recht und Gesetz stand. 1959 konnte Hoover diesen Propaganda-Erfolg noch durch die "FBI-Story" steigern, für die James Stewart, der Inbegriff des aufrechten Amerikaners, als Hauptdarsteller gewonnen wurde. Nicht etwa das Ende der Prohibition oder die Erholung von der Wirtschaftskrise waren dafür verantwortlich, dass es vorübergehend gelang, das organisierte Verbrechen zu besiegen, sondern es war der alles sehende, alles wissende J. Edgar Hoover und sein allmächtiger Apparat, das FBI. Hoover höchstpersönlich hatte das Verbrechen besiegt.

Im Gleichklang mit der Regierung schürte Hoover die Angst vor einer kommunistischen Machtübernahme. In bester Stasi-Manier legte er Dossiers über Chaplin, Hemingway, Norman Mailer und die Brüder John und Robert Kennedy an. Dass der eine 1960 zum Präsidenten gewählt wurde, hielt Hoover nicht davon ab, weiter Material über und gegen ihn zu sammeln. Damit machte er sich unangreifbar. Kennedy sah sich ebenso wenig wie seine Vorgänger und Nachfolger dazu in der Lage, den zunehmend unberechenbarer agierenden Hoover zu entlassen. Lyndon B. Johnson hob 1964 die Pensionsgrenze für Hoover auf, und auch Nixon, der Hoover aus guten Gründen ebenso sehr hasste wie fürchtete, beließ ihn so lange im Amt, bis Hoover 1972 im Alter von 77 Jahren selig verschied.

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Es dauerte Jahrzehnte, bis auch nur annähernd aufgearbeitet war, in welchem Maße sich Hoover mit dem und durch das FBI sein eigenes Reich geschaffen hatte, in dem manche Sonne unterging und mancher Präsident, aber nie seine eigene Macht. In diesem Reich war potenziell jeder verdächtig, und der Beweis des Gegenteils bewies noch längst nicht das Gegenteil. So widmete sich das FBI mit großer Liebe zum philologischen Detail dem Treiben der aus Deutschland emigrierten Philosophen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Dass sie mit der Nazi-Regierung in Konflikt gekommen waren, machte sie als Oppositionelle verdächtig. Eine Fachkraft übersetzte alte Aufsätze aus der Zeitschrift für Sozialforschung ins Englische und gelangte zu dem nicht weiter überraschenden Ergebnis, dass die Artikel "eher wissenschaftlicher als propagandistischer Natur" seien. Misstrauisch machte die Agenten aber, dass diese wiederum potenziell feindlichen Ausländer in ihren Briefen den Kommunismus gar nicht erwähnten, obwohl sie doch, wie der Textkritiker bemerkt hat, ohne jeden Zweifel der Sowjetunion zugeneigt seien. Messerscharf erkennt der FBI-Gutachter, dass die Zeitschrift insgesamt "antireligiös und materialistisch" eingestellt sei. Heutige Wissenschaftler können von so viel close reading nur träumen.

Da Hoover einen Aufstand der Schwarzen mindestens so sehr fürchtete wie der Rassist Charles Manson, ließ er die Black Panther Party nicht nur beschatten, sondern brachte sie in einer Gegenoperation mit dem Drogenhandel zusammen, um sie endgültig zu kriminalisieren. Die amerikanisch-französische Schauspielerin Jean Seberg war nicht nur als "Ausländerin" und Sympathisantin der Black Panthers verdächtig, sondern erst recht wegen einer Liebschaft mit einem Afroamerikaner. Das FBI wollte sie deshalb, sehr hübscher Ausdruck für behördlichen Sadismus, "neutralisieren". Dazu dichtete man ihr 1970 ein Kind von einem schwarzen Aktivisten an und war gewiss nicht völlig unschuldig daran, dass Seberg 1979 Suizid beging. Die teilweise freigegebenen Akten aus diesen Jahren ( hier einzusehen) erinnern an die Borges-Erzählung, in der eine Weltkarte im Maßstab 1:1 erarbeitet wird. Auf Millionen Blättern werden die lächerlichsten Vorgänge verzeichnet, Hauptsache, der oder die Verdächtige wird beobachtet. Das FBI hat im Zweifel immer recht.

In den sechziger Jahren verschlechterte sich das Image des FBI rapide

In den Sechzigerjahren schwand das Prestige der "G-Men" rapide, Hoover wurde zunehmend als unbelehrbarer Oger wahrgenommen, zumal er Mühe hatte, sich an moderne Ermittlungsmethoden zu gewöhnen. Überhaupt schien er noch immer mit Verbrechern im Krieg zu liegen, die längst gestorben waren. Aber auch hier gilt die Ambivalenz dieser Behörde: So inbrünstig Hoover den Prediger Martin Luther King hasste, so gründlich er jede von dessen Weibergeschichten dokumentierte, Hoover schickte auch FBI-Agenten in die rassistischen Südstaaten, um die Brand- und Mordanschläge gegen Schwarze aufklären zu lassen.

Im Church-Untersuchungsausschuss wurde dann offenbar, dass sich nicht nur die CIA an verbrecherischen Aktionen beteiligt hatte, sondern das FBI gut mitgehalten hatte. W. Mark Felt, der in der Watergate-Affäre seinem Präsidenten so heldenhaft widerstanden hatte, ließ seinerseits vermeintliche oder echte Unterstützer der anarchistischen Terrorgruppe Weathermen überwachen und ohne Durchsuchungserlaubnis in Wohnungen einbrechen. Dafür und nicht für seinen Verrat des FBI-Herrschaftswissens wurde er vor Gericht gezogen und 1980 verurteilt. Zehn Jahre Haft drohten ihm, er kam aber mit einer geringfügigen Geldstrafe davon. Ronald Reagan begnadigte Felt; der Staat übernahm die Gerichtskosten. Schließlich hatte Felt zum Besten des FBI und damit des Landes gehandelt. "Unglücklich das Land", aber das ist jetzt der gute alte Brecht, auch er beizeiten vom FBI überwacht, "unglücklich das Land", souffliert er seinem Galilei, "das Helden nötig hat."

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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