Fastfood-Kette McDonald's:McHeilung in Zimmern aus Kork

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Entwurf im Rahmen der McDonald's Ausstellung Architektursalon. (Foto: McDonald's Ausstellung Architektursalon)

Umweltzerstörung und barbarische Schlachtmethoden auf der einen, Design-Wohnungen für kranke Kinder auf der anderen Seite. Im Auftrag von McDonald's entwerfen internationale Architekturbüros Apartments für ein Kinderkrankenhaus in Hamburg.

Von Till Briegleb

McDonald's ist das Gegenteil von Kultur. Schlecht für die Menschen, ganz schlecht für die Tiere und das Klima, und ästhetisch eine Ikone von billig und grell. Der Tierkörperbrater aus den USA ist ein Fastfood-Symbol, das weit über den Bedeutungszusammenhang eines ungesunden Schnellrestaurants hinaus geht. Von McClean bis McDschihad wird das "Mc" als eine global verständliche Vorsilbe für gedankenlose Hetzkultur gebraucht. Kann daraus etwas mit Bedacht und Seele entstehen, etwas Schönes mit Sinn? Das auch noch Ronald-McDonald-Haus heißt?

3,5 Millionen Euro spendet der Konzern in Deutschland jährlich für die Stiftung "McDonald's Kinderhilfe", fast genauso viel Wechselgeld werfen die Kunden der Billigfleischbrötchen in die Sammelboxen des Unternehmens, um damit Gutes zu tun. Und mit diesem Geld - plus Unterstützung von weiteren Unternehmen - finanziert die Stiftung Unterkünfte für Eltern schwerkranker Kinder auf dem Gelände großer Krankenhäuser. Auf Initiative eines Footballspielers der Philadelphia Eagles, der die Leukämiebehandlung seiner Tochter 1974 auf fest verschraubten Wartesaalstühlen und in klappbaren Autositzen begleitet hatte, wurde die Idee eines "Zuhause auf Zeit" geboren. Fast 330 solche Unterkünfte gibt es heute weltweit, 18 davon in Deutschland - aber mit Kultur hat das immer noch nichts zu tun.

Sinn für das Schöne

Denn anders als die britische Initiative der "Maggie's Cancer Caring Centre", die sich die originelle Gestalt ihrer Häuser von Architekten wie Rem Koolhaas, Zaha Hadid, Snoehetta oder Richard Rogers schenken lässt, tat die deutsche Kinderhilfe von McDonald's sich lange schwer mit modernem Design als medizinischer Kraft. (Bei Maggie's ist man überzeugt, dass eine besondere ästhetische Atmosphäre eine besondere Stärkung der Patienten und ihrer Familien ermöglicht). Frank O. Gehry entwarf vor mehr als zehn Jahren mal ein Haus in Bad Oeynhausen, dann hielt man irgendwann Friedensreich Hundertwasser für eine Stärkung der Abwehrsysteme und baute ein Apartmentschlösschen in seinem Zopfstil in Essen. Doch seit rund zwei Jahren hat sich der Sinn für das Schöne auch in der deutschen Stiftung festgesetzt, und ein neues Projekt für das Altonaer Kinderkrankenhaus in Hamburg erhöht die Dosis an architektonischer Heilkraft nun gleich um das Elffache.

So viele internationale Büros folgten dem Aufruf des AIT-Architektursalons (einer Galerienkette, die aus dem gleichnamigen Fachblatt hervorgegangen ist), Entwürfe für Apartments zu entwickeln, die mit einem möglichst konträren Charakter zum klinischen Betrieb das Leiden vergessen machen. In einer Ausstellung in der Hamburger AIT-Galerie sind die Geschmacksspenden nun ausgestellt, die ab Herbst in einem architektonisch doch eher schlichten Backsteinneubau auf dem Krankenhausgelände elf Familien als Wohn- und Rückzugsort dienen werden.

Eine Kajüte im Yacht-Design hat Zaha Hadid in ihrem unverkennbaren Schlierenstil entwickelt. Graft aus Berlin, die kürzlich einen geschwungenen weißen Neubau für die Stiftung in Bonn fertig stellen durften, verwandeln den Empfangs- und Gemeinschaftsbereich im Stil einer trendy Zahnarztpraxis. Die französische Architektin Manuelle Gautrand gestaltete ihre 25-Quadratmeter-Einheit als hölzerne Podestlandschaft mit der ihr typischen Perforierung. Die Innenarchitektin Sara Spiro, die jene belastende Situation, um die es hier geht, mit ihrem eigenen Kind erlebt hat, übersetzt diese Erfahrung in eine elegante Elefantenhöhle mit afrikanischen Mustern und starken Rottönen. Es gibt Inspirationen beim Schwarzen Quadrat von Malewitsch oder bei Spinnennetzen, bei schräg hybridem Möbeldesign, wie es im Dutch Design bekannt wurde, oder bei japanischer Durchlässigkeit.

Einer der Entwürfe im Rahmen der McDonald's Ausstellung Architektursalon. (Foto: PR McDonald's Ausstellung Architektursalon)

Sauber und bröselfrei

Auch industrielle Innovation wird angestiftet. Weil der Plastikkorken das Naturmaterial aus dem Weinflaschenhals verdrängt hat, entwickelt das Büro Embaixada den portugiesischen Korkbauern einen neuen Absatzmarkt als Baumaterial. Ob ihr Zimmer aus Kork wirklich sauber und bröselfrei zu halten ist, müssen allerdings erst weitere Materialprüfungen ergeben. Aber als Alternative zur bedrückenden Mischung aus Bohnerwachs und bunten Bildchen, die ansonsten Kinderkrankenhäuser auszeichnet, ist auch dieser verwegene Versuch ein Sieg der Menschlichkeit über das Patientendenken. Und das gilt im Ansatz sicherlich für alle Design-Spender dieses Experiments, selbst wenn ihre Entwürfe in manchen Fällen doch mehr Ähnlichkeiten mit einem Showroom denn mit einer Familienbehausung zeigen.

Dass am anderen Ende der Wertschöpfungskette, die diese Intervention möglich macht, Umweltzerstörung und barbarische Schlachtmethoden stehen, gibt der bunten Initiative den Ruch der Weißwaschung. Von der Massentierhaltung zum heilenden Design-Apartment geht die moralische Einheit jedenfalls irgendwo verloren. Bleibt wenigstens zu hoffen, dass die Idee der Schnelligkeit sich dabei bewahrt und die schöne Umgebung der McHeilung dient.

© SZ vom 04.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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