Künftige Exponate des Humboldt-Forums:Das Teehaus zieht um

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Bräunlich schimmernd, betont einfach, fensterlos aus Kuben und Prismen von gepresstem Pu'er-Tee geschichtet: das Teehaus von Ai Weiwei. (Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst / Jürgen Liepe)

Ai Weiwei im neuen Kontext: In den Museen in Dahlem bereitet man die Ausstellungsstücke auf den Umzug ins Humboldt-Forum vor - und auf andere Arten des Erzählens.

Von Lothar Müller, Berlin

Nein, eine Weltreise ist es nicht von der Schlossbaustelle in Berlin Mitte nach Dahlem zu den Museen, aus deren Beständen das Gros der Exponate im künftigen Humboldt-Forum stammen wird. Nach einer halben Stunde U-Bahn-Fahrt ist man da. Aber es ist eine Reise in die Stille.

Es gibt die Projekte des "Humboldt Lab Museum", es gibt Sonderausstellungen und Führungen für Schulklassen, und doch hat im Ethnologischen Museum wie im Museum für Asiatische Kunst die Stille mehr und mehr an Terrain gewonnen, seit 1998 die Gemäldegalerie ans Kunstforum gezogen ist.

An manchen Vormittagen hüllt die Stille die Pflanzen und Schriftzeichen auf den japanischen Blättern ganz ein, legt sich über die koreanischen Keramiken in ihren Vitrinen, über die chinesischen archaischen Bronzen.

Wir stehen vor einem Glanzstück unter den chinesischen Lackarbeiten, dem Kaiserthron aus Palisanderholz aus dem späten 17. Jahrhundert. Er ist seit einigen Jahren nicht mehr allein in dem ihm gewidmeten Ausstellungsraum. Ihm zur Seite steht das 1,80 m hohe, 1,20 m breite Teehaus des Gegenwartskünstlers Ai Weiwei, bräunlich schimmernd, betont einfach, fensterlos aus Kuben und Prismen von gepresstem Pu'er-Tee geschichtet.

Aber, sagt die Kuratorin Uta Rahman-Steinert, dessen Qualität mit dem Alter zunimmt, wie beim Wein. Es ist ein sehr wertvolles Haus, aus sehr wertvollen Ziegeln. Kommt es mit ins Humboldt-Forum? Ja, es kommt mit, es ist eine Dauerleihgabe.

Das Gegenüber von Kaiserthron und Ai- Weiwei-Teehaus ist ein Beispiel für die Dynamik, die in Umzügen steckt. Im Humboldt-Forum wird das Ensemble an die Seite der Gegenwartskunst und der Politik rücken, der stille Dialog zwischen Teehaus und Thron wird in die aktuelle Frage nach dem Verhältnis von Macht und Kunst in China überführt werden.

Es reicht nicht, hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gerade im SZ-Interview gesagt, wenn im Humboldt-Forum die Dahlemer Ausstellungen nur an einen attraktiveren Ort in die Mitte der Stadt gebracht werden.

Das wird auch nicht geschehen. Denn zum einen verändert sich, wie das Teehaus-Beispiel zeigt, ein Exponat, wenn es in neue Kontexte rückt. Die amerikanischen, afrikanischen und ozeanischen Exponate im zweiten Stock des Humboldt-Forums, die asiatischen Exponate im dritten Stock werden in den Augen das Publikums zusammenrücken. Ihre Dahlemer Herkunft aus zwei verschiedenen Museen wird verblassen.

Ursprung der Museen war die preußische Kunstkammer

Durch die Wunderkammer-Inszenierungen im Erdgeschoss des Humboldt-Forums wird hervortreten, dass die Kunstkammer der preußischen Kurfürsten und Könige, die im Stadtschloss untergebracht war, zu den Wurzeln der Dahlemer Sammlungen gehört. Und zugleich wird für das heimische wie das internationale Publikum das Humboldt-Forum weniger ein "außereuropäisches Gegenüber" der Museumsinsel sein als deren Verlängerung über den Lustgarten hinaus.

Das ist längst angelegt, durch die Einbettung der griechisch-römischen Antike, die Schinkel im Alten Museum auf höchstem Niveau zitiert, in dem vorderasiatischen Raum auf der Museumsinsel selbst, durch das Pergamonmuseum, das nach der Restaurierung den grandiosen Skulpturen von Tell Halaf endlich die gebührende Präsentation bieten wird, und durch den von der Vor- und Frühgeschichte ausgehenden Parcours der Kulturen im Neuen Museum.

Wenn das Humboldt-Forum, wie in zahllosen Denkschriften angekündigt, das in der Dichotomie "europäisch / außereuropäisch" mitgeschleppte eurozentrische Erbe abwirft, dann nicht als Kontrast, sondern als Teil der Museumsinsel.

Wer durch die Dahlemer Museen geht, spürt schon jetzt hinter der Stille die Turbulenz, die vor einem Umzug herrscht. Schon vor mehr als einem Jahrzehnt hat die Stunde der Kuratoren geschlagen, längst entwickeln sie Konzepte für das Humboldt-Forum.

Nun wird das auch beim großen Publikum hörbar. Neil MacGregor, der sehr gut darin ist, die Eigenlogik wie das narrative Potenzial von Objekten zu erschließen, wurde als Virtuose dieser Kunst in die Gründungsintendanz berufen.

Wenn Viola König, die Direktorin des Ethnologischen Museums, über das Humboldt-Forum spricht, fällt immer wieder ein Schlüsselbegriff: "multiperspektivisches Erzählen". Das klingt wie eine literarische Strategie, ist aber eine politische Notwendigkeit. Ihr Museum, das bis 2000 "Museum für Völkerkunde" hieß, wurde 1873 gegründet, ein nicht geringer Teil der Exponate wurde im Zeitalter des Kolonialismus gesammelt.

Objektgeschichte ist schon seit geraumer Zeit eine doppelte Erzählung: sie fügt ein Objekt in den Kontext ein, dem es entstammt, und sie erzählt, wie es zum Objekt in einer Sammlung und zum Exponat wurde, und dabei kann sich das "Sammeln" als gewaltsames Aneignen entpuppen.

In dieser Woche hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihre Grundpositionen zum Umgang mit den außereuropäischen Sammlungen und zur Erforschung der Provenienzen veröffentlicht, sich zum "Code of Ethics" des Internationalen Museumsrates bekannt und angekündigt, die Geschichte der im Humboldt-Forum gezeigten Exponate werde "vorrangig untersucht". Ausdrücklich gilt: "In Einzelfällen kann es auch geboten sein, Rückgaben zu vereinbaren."

Stimmen der pazifischen Yup'ik werden Objekte umgeben

Die Provenienzforschung zielt aber nicht nur auf den rechtlichen Status der Objekte. Sie umfasst auch die Einbeziehung von Vertretern aus den Herkunftsländern der Objekte in die Ausstellungskonzeption des künftigen Humboldt-Forums. Das meint Viola König, wenn sie von "multiperspektivischem Erzählen" spricht. Die Räume zur amerikanischen Nordwestküste und zu Alaska entstehen in Zusammenarbeit mit dem Museum for Natural History in Anchorage.

Der norwegische Seefahrer J. Adrian Jacobsen, der im Auftrag des Berliner Völkerkundemuseums an die Nordwestküste und nach Alaska reiste und etwa 7000 Objekte mitbrachte, wird eine exemplarische Figur der Provenienzgeschichte sein. Die Stimmen der pazifischen Yup'ik werden seine Objekte umgeben. An der Technik, wie das geschehen soll, wird noch gearbeitet.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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