Döpfner: Axel-Springer-Tribunal:"Wir wollen nichts vertuschen"

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Was geschah 1968 wirklich? Damals gab es kein Tribunal über die Hetzereien der Springer-Presse. Jetzt lädt Verlagschef Mathias Döpfner selbst dazu ein.

Willi Winkler

Mit 1968 geht es wie mit dem Teufel zu: Kaum ist es bei der einen Tür hinausexorzisiert, kommt das wundersame Jahr bei der anderen wieder herein. Nachdem selbst Berufs-Renegaten und Protest-Historikern nichts Neues mehr zur deutschen Kulturrevolution einfallen wollte, die eine "kleine radikale Minderheit" angezettelt hatte, brachte ein Fund im Stasi-Archiv unerwartete Gelegenheit, den dominierenden 68ern die Zeitgeschichtsdeutung zu entreißen.

Springer-Vorstand Mathias Döpfner verspricht historische Erhellung. (Foto: Foto: dpa)

Wenn Kurras, der den Studenten Ohnesorg erschoss, ein Stasi-Agent war, konnten es auch nicht die "Aufhetzungen" (Jürgen Habermas) der Springer-Zeitungen Bild und B.Z. gewesen sein, die in Berlin für ein Klima sorgten, das Günter Grass als "faschistisch" empfand und das den alten 68er Sebastian Haffner an ein "Pogrom" erinnerte.

Axel Springer sei Unrecht geschehen, hat der Springer-Vorstand Mathias Döpfner neulich erklärt, es sei angebracht, sich bei ihm zu entschuldigen. Nichts wäre offenbar schöner, als wenn sich endlich das Springer-Phantasma bestätigte, dass alle Wege nach Moskau oder wenigstens nach Pankow führen. Denn hatte nicht Walter Ulbricht zum Angriff auf Springer geblasen und verlangt, die Macht des Konzerns zu brechen?

Das Tribunal, das Anfang 1968 über Springers hetzerische Berichterstattung abgehalten werden sollte, kam seinerzeit nicht zustande. Nach mehr als 40 Jahren will sich der Axel-Springer-Verlag selber dieses wissenschaftlichen Desiderats annehmen und lädt für Oktober zu einem "Tribunal".

Dabei soll festgestellt werden, "welche Rolle die Blätter des Verlags Axel Springer, aber auch andere Publikationen und die Akteure der Studentenbewegung spielten". Das wird sicher interessant. "Wir wollen wissen, wie es wirklich war", kündigt Döpfner an und verspricht "wir wollen nichts vertuschen." Vielleicht kommt dann wirklich zur Sprache, wie die Redakteure der Berliner Morgenpost von ihrem Chef gedrängt wurden, bei der Demonstration vor dem Berliner Springer-Haus 1968 unbedingt den Anwalt Horst Mahler als Rädelsführer zu identifizieren.

Da nach so vielen Jahren die Einladung zum Tribunal naturgemäß nur an "noch lebende Beteiligte" ergeht, werden berüchtigte Krypto-Kommunisten wie Heinrich Böll, Theodor W. Adorno und Golo Mann - die 1968 mit anderen recht bürgerlichen Intellektuellen eine Beschränkung der Macht des Hauses Springer gefordert hatten - nicht nach Berlin reisen können.

Hans Dieter Müller, der 1968 die gründliche Studie Der Springer-Konzern vorgelegt hat, kann ebenso wenig dabei sein wie Rudi Dutschke, der am eigenen Leib erfuhr, wie erfolgreich Stimmung gemacht wurde. Weitere Zeitzeugen möchten sich melden, wünscht sich die Verlagssprecherin Edda Fels. Also, Günter Wallraff, bitte melden Sie sich!

© SZ vom 03.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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