Literaturnobelpreis 2012:Mo Yans Übersetzer hat mitgestimmt

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Die Vergabe des Literaturnobelpreises an den chinesischen Schriftsteller Mo Yan hat gespaltene Reaktionen ausgelöst - jetzt kommen auch noch Ungereimtheiten auf: Sein Übersetzer, Akademiemitglied Göran Malmquist, hat bei der Wahl mitgestimmt. Auch für den Preisträger von 2000 hatte Malmquist schon übersetzt.

Thomas Steinfeld

Der chinesische Schriftsteller und Literaturnobelpresträger Mo Yan: Seine Wahl ist unter Dissidenten umstritten. (Foto: AP)

Das alte schwedische Wort "tönt" ist nicht leicht zu übersetzen. Seine Bedeutung liegt irgendwo zwischen "Trottel", "Schwätzer" und "Knallkopf", und es zu benutzen, gehört nicht zu den Umgangsformen wohlerzogener Menschen. Als der Sinologe Göran Malmquist, seit 1985 Mitglied der Schwedische Akademie, sich in einer Mail an die Kulturredaktion des Schwedischen Fernsehens über deren Arbeit - und über die Berichterstattung der nationalen Presse gleich mit - beschwerte, benutzte er es dennoch: In Gestalt solcher Knallköpfe, wollte er erklären, habe Schweden die Kulturberichterstattung, "die wir in diesem Ententeich verdienen". Er schrieb aber nicht "Kulturberichterstattung", sondern "Kulturüberwachung". Ein paar Minuten später kündigte er demonstrativ sein Abonnement von Svenska Dagbladet, einer der beiden großen Tageszeitungen des Landes.

Dreimal war die Schwedische Akademie zuvor in der einheimischen Presse kritisiert worden. Beim ersten Mal war einem Journalisten aufgefallen, dass sich die Literaturwissenschaftlerin Ebba Witt-Brattström zum wiederholten Mal öffentlich damit gebrüstet hatte, den Namen des Nobelpreisträgers vor der offiziellen Bekanntgabe zu kennen. Sie ist die Ehefrau des Akademiemitglieds Horace Engdahl. Auf Nachfragen der Presse hatte Peter Englund, der Ständige Sekretär der Akademie, erklärt, sie habe sich auf diese Weise nur den weiteren Fragen der Presse entziehen wollen.

Beim zweiten Mal hatte der Kulturredakteur einer Tageszeitung darauf verwiesen, dass die Entscheidung für Mo Yan als Nobelpreisträger politische Implikationen habe und der Schriftsteller von einigen chinesischen Dissidenten kritisiert worden sei. Und beim dritten Mal war aufgefallen, dass das Akademiemitglied Göran Malmquist nicht nur bei der Wahl des neuen Nobelpreisträgers mitgestimmt, sondern auch mehrere Bücher Mo Yans übersetzt hatte.

Diese sind noch nicht erschienen, was den Fall komplizierter macht - laut den Statuten der Akademie dürfen ihre Mitglieder keine eigenen ökonomischen Interessen bei der Preisvergabe verfolgen. Zudem handelt es sich bei Göran Malmquist um einen Wiederholungsfall: Er war bereits der schwedische Übersetzer Gao Xingjians, der im Jahr 2000 den Literaturnobelpreis erhielt.

Peter Englund, der Ständige Sekretär, schlägt in seinen E-Mails gern einen strengen Ton an: "Ich setzte voraus, dass sich das nicht wiederholt." Für einen solchen Autoritätsanspruch aber agiert die Akademie bemerkenswert unsouverän - denn Autorität ist hier das Problem, was sich auch an Göran Malmquists Vertauschung von "Berichterstattung" und "Überwachung" zeigt. Was auch bedeutet, dass das Wort vom "Ententeich" wohl nicht nur für den Journalismus gilt.

© SZ vom 19.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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