Zwischen Kindern und Beruf:"Männer haben Angst vor dem Karriereeinbruch"

Nicht Softie sein, nicht Macho, beruflich erfolgreich und dabei auch noch Vater sein. Karriere-Coach Sascha Schmidt erzählt, wie Männer den Spagat zwischen Beruf und Familie schaffen können - wenn sie wollen.

Von Dorothea Grass

Sascha Schmidt hat früher bei einem großen deutschen Verlag als Bereichsleiter gearbeitet. Als sein erstes Kind geboren wurde, fragte er seinen Chef nach einer Auszeit. Dieser sagte ihm: "Das können Sie gerne machen. Aber dann müssen wir uns leider jemand Neues suchen." Sascha Schmidt ging, machte sich als Coach und Personalberater selbständig und schrieb den Ratgeber "Neue Väter - neue Karrieren."

SZ: Herr Schmidt, was läuft bei Männern anders, wenn sie Beruf und Familie vereinbaren sollen?

Sascha Schmidt: Sollen oder wollen, das ist der große Knackpunkt. Derzeit lastet ein hoher medialer Druck auf den Männern. Er heißt, Männer müssen Beruf und Familie miteinander vereinbaren. Dieser mediale Druck passt aber nicht zu dem, was wir in der Realität vorfinden. Dort herrscht in den meisten Fällen noch das traditionelle Rollenbild. Und dann kommt hinzu, was man die Rush-Hour des Lebens nennt: das Alter zwischen 30 und 40. Da wird Karriere gemacht, eine Familie gegründet, vielleicht ein Haus gekauft, das abbezahlt werden muss. Ist das erste Kind da, stellt man sich die Frage: Wer steckt mehr zurück? Da die Männer größtenteils mehr verdienen als die Frauen, ist die oft schnell beantwortet.

Trotzdem wollen auch Väter verstärkt für ihre Kinder da sein, oder?

Auf jeden Fall. Mir begegnen vor allem Väter, die über ein gewisses Familieneinkommen verfügen, das die finanzielle Grundsicherung für die Familie nicht in Frage stellt. Diejenigen, die zu mir kommen, sind Akademiker mit Anzug-Jobs. Man muss beruflich erst einmal so weit kommen, bis man sich darüber Gedanken machen kann, ob der Job genügend Freiraum für die Familie lässt. In gewisser Weise ist die Problematik also noch Luxus. Durchgesetzt haben sich mittlerweile die zwei Monate Elternzeit. Oft nutzen Mann und Frau diese für eine größere Reise. Die Arbeitgeber kommen mit den zwei Monaten Abwesenheit der Väter gut zurecht, für den Mann bedeuten sie keinen Karriereknick. Dagegen wird alles, was über diese zwei Monate hinausgeht, nur ganz selten von den Männern angenommen.

Warum ist das so?

Die Männer haben Angst vor dem Karriereeinbruch. Und leider ist sie auch begründet. Die größte Hürde sind Vorurteile von Vorgesetzten und Kollegen. Unabhängig von der Branche wird derjenige, der immer da ist, als derjenige wahrgenommen, der mehr leistet. Das ist natürlich Quatsch. Ein weiterer Grund sind mangelnde Vorbilder in der Unternehmensführung. Wenn ein Mann Karriere machen möchte, dann ist eine Auszeit bislang gar nicht vorgesehen. Er würde schnell belächelt oder eben ersetzt werden. Ausnahmen gibt es nur in den Unternehmen, bei denen der Unternehmensgründer ein anderes Modell selbst vorlebt.

Was ist mit den weiblichen Vorbildern?

Es ist toll, dass es beruflich erfolgreiche Frauen gibt, die auch Mütter sind. Das Dilemma ist aber: Die bringen uns Männern nichts. Männer sehnen sich nach Vorbildern, die nicht zum Softie mutieren, nur weil sie für ihre Vaterrolle beruflich zurückstecken. Wir brauchen Männer, die als Väter ihre männlichen Attribute beibehalten - unabhängig davon, ob die nun gut, schlecht oder affig sind. Ein Hollywood-Boss müsste mal für seine Kinder kürzer treten, das wäre ein Signal.

"Mutig sein"

Zwischen Kindern und Beruf: Sascha Schmidt

Sascha Schmidt

(Foto: privat)

Wir leben in einer Zeit, in der sich neue männliche Vorbilder manifestieren. Setzt das die Väter von heute auch unter Druck?

Ja und nein. Ja, weil wir jetzt den Grundstock dafür setzen, wie es unseren Söhnen gehen wird, wenn sie einmal Väter werden bzw. wie sie als Vorgesetzte später einmal entscheiden werden, wenn Väter beruflich die Gleichberechtigung leben wollen. Und nein, weil ich auch sagen möchte: Das dauert seine Zeit. Macht Euch nicht allzu großen Druck. Es ist noch ein langer Weg, bis wir traditionelles Denken überwunden haben und die Köpfe anders ticken.

Wie sollte sich denn nun ein Mann verhalten, der seinem Chef beibringen möchte, dass er über die zwei Monate Elternzeit hinaus beruflich kürzer treten möchte?

Er sollte seinen Mann stehen. Mutig sein.

Das hört sich jetzt ein bisschen zu einfach an.

Ist es aber nicht. An diesem Punkt gelangt der Mann sehr schnell zum Thema Selbstwertgefühl. Wenn er von seinem Vorhaben überzeugt ist, dann sollte er mit der gleichen Überzeugung zu seinem Vorgesetzten gehen und ihm mitteilen: "Ja, ich möchte drei Tage die Woche arbeiten. Ja, ich weiß, dass das mit meiner Arbeit vereinbar ist. Ja, ich habe dafür schon mal ein Konzept ausgearbeitet. Und ich zeige Ihnen jetzt, wie das aussehen kann." Nichts anderes wird auch von den Frauen verlangt. Wenn sie einen verantwortungsvollen Posten haben, müssen die sich genauso im Vorfeld damit auseinandersetzen, wie das funktionieren kann. Nur: Ein Mann hat in dieser Situation einen ganz anderen Kampf auszufechten, weil er anderen Vorurteilen begegnet. Diese Vorurteile muss er aushalten können.

Und wenn der Chef anders tickt?

Ein Mann ändert seinen Chef nicht - genauso wie Frauen das nicht können. Wenn ein Vorgesetzter skeptisch ist, muss sich der Mitarbeiter überlegen: Bin ich hier richtig? Und daraus seine Konsequenzen ziehen.

Das meinten Sie also mit mutig sein.

Ja. Dazu gehört aber unbedingt, dass sich der Mann vorher über sein Rollenverständnis klar wird. Sowohl hinsichtlich seiner Entscheidungsfindung als auch in puncto Selbstwertgefühl. Er sollte die Frage stellen: Was für ein Vater möchte ich sein? Möchte er seinem Kind später sagen "Ich wäre ja gerne länger bei dir geblieben, aber der Chef wollte das nicht" oder will er sagen "Ja, ich musste meinen Job dafür wechseln, um mit dir mehr Zeit zu verbringen. Aber ich habe das gerne getan"? Die Männer, denen ich als Coach begegne, können damit etwas anfangen, weil ich den Vater in ihnen anspreche.

Was antworten die Väter Ihnen dann?

Die meisten sagen mir, dass sie sich diese Frage noch nie gestellt haben. Wenn sie sie für sich beantworten können, ist der nächste Schritt ein Prioritätenwechsel. Es stellt sich nicht mehr die Frage "Welche Vaterschaft ermöglicht mir mein Job?", bei der sich der Einzelne unterordnet und sich in einer Art Opferhaltung befindet. Wir müssen wegkommen von diesem "müssen" und mehr hin zum "wollen". Vielmehr stellt sich die Frage: "Welcher Job passt zu meiner Vorstellung des Vaterseins?" Und in der Konsequenz: "Was lebe ich meinen Kindern vor?"

Haben Männer auch ein schlechtes Gewissen?

Die Auseinandersetzung mit sich selbst und den eigenen Vorstellungen ist der erste Schritt?

Definitiv. Das ist die Grundvoraussetzung, und sie gilt genau so für die Frauen. Vor allem für jene, die nachdem sie Mutter geworden sind, wieder in Vollzeit in den Job zurück wollen. Dabei sollten sie sich auch unbedingt mit dem Schmerz konfrontieren, den ein schlechtes Gewissen bei ihnen auslösen kann.

Haben Männer denn auch ein schlechtes Gewissen?

Ja, durchaus. Aber es ist oft ein diffuses schlechtes Gewissen, das sich auch aus dem medialen Druck speist, der momentan vorherrscht. Ich beobachte, dass sie weniger ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Kindern haben, sondern häufig gegenüber ihrer Partnerin. Viele würden sie gerne mehr unterstützen, auch hinsichtlich der beruflichen Selbstverwirklichung der Frau.

Welche Unterschiede bestehen denn bislang im Wiedereinstieg in den Beruf zwischen Männern und Frauen?

Meistens kehren Männer nach ihren zwei Monaten Elternzeit wieder auf den Posten zurück, den sie vorher schon hatten. Alles, was darüber hinausgeht, sprich mehr Elternzeit oder Teilzeitarbeit, bedeutet für Männer beruflich genau die gleichen Hindernisse wie für Frauen. Das Jobprofil ändert sich, man bekommt zwar das gleiche Geld, hat aber weniger Verantwortung. Der Unterschied besteht nun darin, dass die Firmen für Frauen in Teilzeit mittlerweile Lösungen haben - für Männer aber nicht.

Woran erkennt man das?

Das geht schon bei den Ansprechpartnern los. Generell sind es die Gleichstellungsbeauftragten, die sich um diese Themen kümmern. Und das sind meistens Frauen. Doch was soll ich als Mann bei einer Diversity-Beauftragten für Frauen? Hinzu kommt, dass viele Programme für Wiedereinstieg innerhalb der Firmenstruktur auch in der Frauenförderung angegliedert sind.

Als Mann, der innerhalb einer Organisation ein neues Arbeitszeitmodell sucht, habe ich also nicht nur mit Vorurteilen zu kämpfen - ich stehe auch ziemlich alleine da und fühle mich dabei komisch. Die klassischen Rollenbilder sind ins Wanken geraten und das löst bei den Männern eine Verunsicherung aus.

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