Rente:Warum Arbeiten im Alter gut für alle ist

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Zwei Drittel der arbeitenden Rentner käme auch ohne Job finanziell gut über die Runden kämen. Die meisten arbeiten aus Freude am Job. (Foto: Wolfgang Thieme/dpa)

Das Klischee vom Rentner, der weiter arbeitet, um der Armut zu entgehen, ist falsch. Viele Senioren arbeiten aus Freude am Job, das belegt eine Studie. Jetzt ist es an der Wirtschaft, sich auf die älteren Arbeitnehmer einzustellen - denn das Ende des Jugendkults ist unausweichlich.

Ein Kommentar von Sibylle Haas

In Deutschland gehen immer mehr Rentner regelmäßig arbeiten. Das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hätte das Zeug für einen politischen Aufschrei. Wirft doch die Opposition der schwarz-gelben Bundesregierung immer wieder vor, die nötige Rentenreform zu verschleppen und die Alten in die Armut zu treiben.

Doch der Aufschrei blieb aus - aus gutem Grund. Denn das DIW fand heraus, dass zwei Drittel der arbeitenden Rentner auch ohne Job finanziell gut über die Runden kämen. Die meisten arbeiten aus Freude am Job. Dieses Forschungsergebnis passt nicht in die aktuelle politische Debatte.

Klagen über unauskömmliche Rentenbezüge und Altersarmut sind richtig und falsch zugleich. Richtig, wenn sie auf Missstände hinweisen. Denn es gibt Rentner (und vor allem Rentnerinnen), die in Not sind und aus Not arbeiten müssen, wo sie ihren Ruhestand genießen wollen. Falsch, wenn die Debatte den Eindruck eines besorgniserregenden Trends erweckt. Die Rentner heute sind in ihrer großen Mehrheit wesentlich besser gestellt als früher. Wer leidet, hat meist eine unterbrochene Erwerbsbiografie und ist weniger oder gering qualifiziert. Noch ist das eine Minderheit.

Frührentner altern schneller, zumindest mental

Laut DIW kommen die meisten arbeitenden Rentner im Schnitt nicht nur auf höhere Stundenlöhne als viele Jüngere. Sie schaffen, wenn sie selbständig sind, auch Arbeitsplätze. Sie sind zufriedener mit ihrem Leben als ihre Altersgenossen, die nicht arbeiten. Der Demografie-Forscher Axel Börsch-Supan fand in einer Langfrist-Befragung ebenfalls heraus, dass Frührentner mental schneller altern und unzufriedener sind als jene, die später in Rente gehen. Die frühe Verrentung verbessert also keineswegs das Wohlbefinden und die Gesundheit einer Gesellschaft, wie gerade von den Gewerkschaften gerne kolportiert wird.

Börsch-Supan, der dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium angehört, lehnt auch die viel diskutierte Zusatzrente kategorisch ab. Zu Recht. Denn die Zusatzrente würde die Alten von morgen heute noch mehr belasten und den Anreiz für eine private Altersvorsorge nehmen. Doch gerade für sie ist es wichtig, mehr Geld fürs Alter zu sparen als ihre Eltern - weil die Finanzierung der Rentensysteme wegen der Alterung der Gesellschaft schwieriger wird.

Der demografische Wandel zwingt auch die Unternehmen zum Umdenken. Wenn es mehr Alte als Junge gibt, dann werden die Firmen mit älteren Mitarbeitern personelle Lücken füllen müssen, in die sie heute noch frische, junge Leute setzen. Es ist ein politisches Vorurteil und wissenschaftlich nicht belegt, dass die Alten den Jungen die Jobs wegnehmen. Die Realität sieht anders aus: Bereits heute bleiben viele Lehrstellen unbesetzt, weil die Firmen den geeigneten Nachwuchs nicht finden. Deshalb ist es wichtig, in die Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter zu investieren. Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitangebote, betriebliche Gesundheitspolitik und Weiterbildungen auch für über 50-Jährige sind mehr als nötig.

Wem aber suggeriert wird, er tauge mit 50 kaum mehr für den Arbeitsmarkt und sei nahezu "unvermittelbar", der wird demotiviert und leistungsschwach. Der denkt vielleicht an den vorgezogenen Ruhestand oder scheidet mit einer Abfindung aus dem Erwerbsleben aus. Gerade bei Stellenkürzungen in Betrieben trifft es nach wie vor oft "Risikogruppen", zu denen man auch die Alten zählt, die vermeintlich leistungsschwach und unflexibel sind.

Voneinander profitieren

Studien belegen das Gegenteil. Ältere Arbeitnehmer liefern keine schlechteren Ergebnisse ab als jüngere, fand eine deutschlandweit repräsentative Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim heraus. Unternehmen mit einer guten Altersmischung sind sogar produktiver als solche, in denen eine Altersgruppe überwiegt. Ältere Kollegen profitieren von der wachen Art Jüngerer, und diese wiederum ziehen einen Nutzen aus der langen Berufserfahrung älterer Kollegen.

Glücklicherweise hat die Politik den Unfug der Frühverrentung gestoppt. Die Erwerbsquote der Über-50-Jährigen ist dadurch gestiegen. Das sind gute Signale, die der Staat durch die Arbeitsmarkt-Reformen gesetzt hat. Ein Ende des Jugendkults ist unabwendbar. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels werden Erfahrung und Wissen älterer Arbeitnehmer für die Betriebe unverzichtbar. Die Unternehmen sollten dieses Wissen nicht verschwenden.

Ältere Menschen zu beschäftigen ist ökonomisch sinnvoller, als gesunde Ältere dafür zu bezahlen, dass sie in den Ruhestand gehen. Für eine Trendwende ist es nicht zu spät.

© SZ vom 08.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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