Prozess vor dem Bundesarbeitsgericht:Posse um die Cockpitmütze

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Eine deutsche Airline verpflichtet ihre Piloten, vor Passagieren ihre Cockpitmütze zu tragen. (Symbolbild) (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)
  • Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entscheidet über die Klage eines Piloten, der sich gegen den "Mützenzwang" seines Arbeitgebers wehrt.
  • Die Fluggesellschaft verpflichtet männliche Piloten dazu, überall dort eine Cockpitmütze zu tragen, wo sie auf Passagiere treffen können. Für Pilotinnen gilt die Regelung nicht.
  • Der Kläger beruft sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Er sieht sich als Mann benachteiligt.

Von Johanna Bruckner

Der Fall

Pilot T. ist seit 2006 bei einer deutschen, überregional operierenden Fluggesellschaft tätig. Bei der Airline gibt es eine Betriebsvereinbarung, die alle Piloten dazu verpflichtet, in jenen Flughafenbereichen eine sogenannte "Cockpitmütze" zu tragen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Im Dezember 2009 wird Pilot T. ohne seine Mütze erwischt und als Folge von einem Flug abgezogen. Das will er nicht auf sich sitzen lassen und zieht vor Gericht.

Das fordert der Pilot

Kläger T. fordert eine Aufhebung des Mützenzwangs - solange sein Arbeitgeber nur Piloten, nicht aber Pilotinnen dazu verpflichtet. Er argumentiert dabei mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG): T. sieht in der Kleiderordnung eine Ungleichbehandlung der Geschlechter, ja mehr noch, er fühlt sich "wegen seines Geschlechts benachteiligt", wie es in der Prozess-Ankündigung des Bundesarbeitsgerichts heißt.

Und zunächst bekommt er recht: Das Arbeitsgericht Köln folgt im April 2011 seiner Argumentation. Es gebe weder einen "sachlichen Grund" für die Ungleichbehandlung, noch sei die Mützenpflicht für Männer eine "unverzichtbare Voraussetzung", um den Pilotenberuf auszuüben. Das Gericht verpflichtet die Airline, eine Notiz zu dem Vorfall aus der Personalakte des Pilots zu entfernen (12 Ca 8659/10).

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Die Argumentation der Fluggesellschaft

Die Airline hält dagegen: Sie beruft sich darauf, dass die Betriebsvereinbarung zwar unterschiedliche Regelungen für Pilotinnen und Piloten enthalte, aber keine "unterschiedliche Wertigkeit der Geschlechter" ausdrücke. "Die Cockpit-Mütze könne von Pilotinnen zudem nicht mit jeder Frisur getragen werden", zitiert das Bundesarbeitsgericht.

Momentan steht es unentschieden, denn auch die Airline konnte einmal vor Gericht gewinnen: Im Oktober 2012 kassierte das Landesarbeitsgericht das erste Urteil. In der Begründung heißt es, die Ausgestaltung der Dienstkleidung für das jeweilige Geschlecht führe nicht zu einer "günstigeren oder einer weniger günstigen, sondern lediglich zu einer anderen Behandlung". Dass Pilotinnen Röcke tragen dürften, Piloten aber nicht, sei auch keine Diskriminierung der Männer. Die betreffende Betriebsvereinbarung verstoße nicht gegen das AGG (5 Sa 549/11).

Dresscode-Fragen vor Gericht

Nun beschäftigen sich in dritter Instanz die höchsten deutschen Arbeitsrichter mit dem skurril anmutenden Streit. "Das ist ein Fall zum Schmunzeln", sagt Ulrich Grund, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus München. Allerdings müssten sich deutsche Gerichte immer wieder mit ähnlichen Dresscode-Fragen beschäftigen.

So zum Beispiel 1994, als ein Sanitätsfeldwebel der Bundeswehr für sich die gleichen Regelungen für die Haartracht beanspruchen wollte wie sie für weibliche Sanitätssoldaten in gleicher Funktion gelten. Der Soldat verlor schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht. Der Senat begründete seine Entscheidung damit, dass das Soldaten auferlegte Verbot, lange Haare zu tragen, weder die Menschenwürde, noch das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, noch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletze.

Einschätzung des Arbeitsrechtexperten

Für Arbeitsrechtler Grund könnte der aktuelle Fall bei veränderter Gesetzesgrundlage - damals gab es das AGG noch nicht - ähnlich ausgehen. Denn "Gleichbehandlung heißt nicht Gleichmacherei", so der Experte. Unternehmen wie die Fluggesellschaft haben das Recht, Vorgaben in Bezug auf die Dienstkleidung zu machen. Dahinter muss nicht zwangsläufig ein sachlicher Grund wie Sicherheit stehen - und die Regelungen dürfen durchaus für Frauen und Männer unterschiedlich sein. Entscheidend ist, dass der Betriebsrat, also die Arbeitnehmervertretung, sie absegnet. Das war bei der Airline 2004 passiert.

Eine "unmittelbare Benachteiligung" nach Paragraf 3 Absatz 1 AGG liegt nur dann vor, "wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in vergleichbarer Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde". Sprich: "Der Pilot müsste nachweisen, dass ihn das Tragen der Cockpitmütze in irgendeiner Weise herabsetzt, er beispielsweise schlechtere Chancen hat, befördert zu werden", erklärt Grund. "Nur weil jemand anders behandelt wird, bedeutet das noch nicht, dass er ungerecht behandelt wird."

Sollte das Bundesarbeitsgericht die Klage des Piloten abweisen, hätte er noch die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einzulegen. "Das ist aber nicht sehr aussichtsreich", so der Experte.

Mit Material der Agenturen

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