Studium:Wie FH-Absolventen promovieren können

Studium: FH-Absolventen müssen auf dem Weg zum Doktortitel einige Hürden überwinden.

FH-Absolventen müssen auf dem Weg zum Doktortitel einige Hürden überwinden.

(Foto: Illustration: Stefan Dimitrov)

Manche Fachhochschulen haben feste Kooperationen mit Unis. Schwierig kann aber die Suche nach einem Doktorvater werden.

Von Bärbel Brockmann

Die deutschen Universitäten hatten im Hochschulwesen lange Zeit ein Monopol: Sie besaßen das alleinige Promotionsrecht. Jeder, der einen Doktortitel anstrebte, musste seine Dissertation an einer Universität verfassen. Im Laufe der Zeit kam aber immer wieder Kritik an diesem Privileg auf, vor allem von Seiten der Fachhochschulen. Dort machte sich das Gefühl breit, eine Hochschule zweiter Klasse zu sein, weil man nicht den gesamten akademischen Bildungsweg anbieten durfte, und den Studierenden somit die höheren akademischen Weihen verschlossen blieben.

Ende der 1990er-Jahre ist dann Bewegung in das System gekommen. Mit der Verabschiedung der Bologna-Reform 1999 einigten sich die europäischen Kultusminister darauf, dass grundsätzlich jeder Masterabschluss zur anschließenden Promotion berechtigte, ganz einerlei, ob er an einer Universität oder an einer Fachhochschule erworben wurde.

Seither kann also jeder, der einen Master an einer Fachhochschule (FH) oder an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) gemacht hat, an eine Universität wechseln und dort promovieren. Die Zahl der Studierenden, die das tun, steigt kontinuierlich. Nach einer Erhebung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vom Mai dieses Jahres sind in den Jahren 2012 bis 2014 insgesamt 1245 Menschen diesen Weg gegangen und haben eine Promotion erfolgreich abgeschlossen, 30 Prozent mehr als in der vorigen Befragung über die Jahre 2009 bis 2011. Im Vergleich zur Gesamtzahl der Promotionen, die das Statistische Bundesamt für 2014 mit 28 147 angibt, ist das aber noch sehr wenig.

Ein Grund hierfür kann der höhere Aufwand sein, den ein FH-/HAW-Absolvent betreiben muss. Schon der Einstieg ist schwieriger. An der Uni werden die Studierenden in der Regel gegen Ende des Studiums von Professoren gefragt, ob sie nicht bei ihnen promovieren wollen. Manchmal bietet ein Professor auch gleich ein Thema an, vielleicht eines, mit dem sich der Student bereits beschäftigt hat.

Ganz anders verhält es sich beim Quereinsteiger. Er muss als Unbekannter sein Thema erst einmal einem Doktorvater an einer Universität schmackhaft machen. Ist einmal die grundsätzliche Einwilligung eingeholt, gibt es an vielen Universitäten noch zusätzliche Nachweispflichten. Vor allem geht es dabei darum, den Rang des Themas für die Wissenschaft nachzuweisen. Denn das ist einer der Gründe für das Promotionsrecht. Eine Dissertation soll einen wichtigen Beitrag zur Forschung auf dem jeweiligen Gebiet bringen. Und Forschung hat zumindest in den Anfängen der Fachhochschulen in den 1970er-Jahren keine zentrale Rolle gehabt, denn dort sollte möglichst praxisnah ausgebildet werden.

"Es ist sicher ein Nachteil, wenn man niemanden kennt und aus dem Masterstudium keine Kontakte mitbringen kann", sagt Frank Simon, Pressesprecher der Hochschule des Bundes (HS Bund). Deshalb kooperiert die vom Bund finanzierte Verwaltungshochschule bei Promotionen mit der Verwaltungs-Universität Speyer. "Zwischen beiden Hochschulen gibt es viele Kontakte auf der Ebene der Lehrenden. Auch Studenten können schon früh Kontakte nach Speyer herstellen."

Hessen ist Vorreiter beim Promovieren an FHs

Dieses sogenannte kooperative Promotionsverfahren gibt es in Deutschland seit etwa zehn Jahren. Aber auch das ist nicht ganz ohne Tücken für einen Bewerber mit FH-Abschluss. Denn er oder sie braucht dabei nicht einen Doktorvater, sondern zwei, einen mit Betreuerstatus an der eigenen Hochschule, einen "offiziellen" an der Universität.

Auch die HRK räumt ein, dass es nicht so leicht ist, von einer Fachhochschule zur Promotion an die Universität zu wechseln. "Gerade deshalb ist es wichtig, die Auswahl der Doktorandinnen und Doktoranden in einem transparenten Verfahren zu entscheiden, unabhängig davon, ob diese von einer Universität oder einer FH oder HAW kommen", sagt HRK-Präsident Horst Hippler. Die Zugangsvoraussetzungen müssten eindeutig formuliert werden. Bei der Auswahl der Doktoranden hätten sich Interviews, Forschungskolloquien oder ein Vortrag des Bewerbers in Verbindung mit einem sogenannten Motivationsbrief bewährt.

Den Status quo verteidigt der HRK-Präsident aber. "Für eine Promotion braucht es ein Umfeld von Forschungsintensität, Interdisziplinarität, Ausstattung und Personal, das so nur den Universitäten zur Verfügung steht - eben weil sie mit der Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses betraut sind", sagt Hippler. Wenn man einer Fachhochschule/HAW das Promotionsrecht gewähre, müssten ihr auch die Mittel gegeben werden, diese zusätzliche Aufgabe unter den notwendigen Rahmenbedingungen auszufüllen.

Bislang einziger Vorreiter für das Promovieren an Fachhochschulen ist das Bundesland Hessen. Seit Ende 2016 können Hochschulen dort Anträge stellen, um forschungsstarke Fächer für das Promotionsrecht anzumelden. Die Hochschule Fulda war eine der ersten, die das getan hat. Seit Januar dieses Jahres hat sie das eigenständige Promotionsrecht für die Fachrichtungen Sozialwissenschaften, Public Health und Soziale Arbeit erhalten; für die Fachrichtung Soziale Arbeit hatten auch die Hochschule Rhein-Main und die Frankfurt University of Applied Sciences den Antrag erfolgreich gestellt.

Die Hochschule Fulda praktiziert zwar schon seit Jahren das kooperative Verfahren, aber es kommt dort an seine Grenzen, wo ein Absolvent in einem Fach promovieren will, das an keiner Universität angeboten wird, oder wenn Universitätsprofessoren schlicht überlastet sind. "Aber auch in Fällen des kooperativen Verfahrens haben wir gesehen, dass die Kollegen an den Universitäten gar nicht so offen dafür sind und wenig Interesse zeigen. Man kann ja niemanden zu so einer Kooperation zwingen", sagt der Präsident Karim Khakzar. Die Fächer, in denen nun Professoren der Hochschule Fulda Absolventen zur Promotion führen dürfen, seien forschungsstark. Das zeigten schon die hohen Drittmittel, die dafür eingeworben werden konnten. Die Qualität der Promotion sei daher auf jeden Fall mit derjenigen der Universitäten vergleichbar. "Bei uns wird es keinen ,Doktor light'" geben, sagt Khakzar. Das Promotionsrecht ist auf Zeit vergeben. Nach fünf Jahren erfolgt eine Überprüfung.

Das Promotionsprivileg der Universitäten ist nach Ansicht des Hochschullehrerbundes (HLB), der die Interessen der Professoren an Fachhochschulen vertritt, längst nicht mehr zeitgemäß. "Der Bedarf der Wirtschaft an wissenschaftlich ausgebildeten Fachkräften mit Praxisorientierung steigt", sagt die stellvertretende HLB-Geschäftsführerin Karla Neschke. Ob das Beispiel Hessen deshalb Schule machen wird, ist aber ungewiss: "Derzeit zeichnet sich ein Vorstoß, wie wir ihn in Hessen beobachten, in anderen Bundesländern noch nicht ab." Manche Länder gingen erst einmal einen anderen Weg. Dieser Weg führt über hochschulübergreifende Verbünde zu speziellen Forschungsthemen. Teilweise sei die Vergabe des Promotionsrechts an diese Verbünde bereits möglich.

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