Karriere mit Kind:Wie berufstätigen Müttern das Leben erschwert wird

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Konferenzen zu familienfeindlichen Zeiten, zu wenig Betreuungsplätze und finanzielle Nachteile: Mehr als fünf Millionen Frauen sind nicht berufstätig. Demnächst werden sie dringend gebraucht - bis dahin muss sich einiges ändern auf dem Arbeitsmarkt. Ein Überblick.

Thomas Öchsner

Rabenmütter, laut Duden, "lieblose Mütter, die hartherzig ihre Kinder vernachlässigen", konnten Frauen immer nur in Deutschland sein. Im Französischen gibt es dafür kein vergleichbares Wort. Auch den Spaniern oder Italienern käme es nicht in den Sinn, erwerbstätige Frauen als Rabenmütter zu verunglimpfen. Dass das Wort hierzulande immer noch gebraucht wird, ist für Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Teil des Problems: Bei der Erwerbstätigkeit von Frauen hinkt Deutschland hinterher.

Lieber auf den Spielplatz: Für viele Mütter lohnt sich die Rückkehr in den Beruf kaum. (Foto: DDP)

Frauen mit kleinen Kindern arbeiten hierzulande viel weniger häufig als in Finnland, Schweden oder Frankreich. Dabei werden sie auf dem Arbeitsmarkt dringend benötigt. "Ohne sie geht es nicht mehr", schreibt Allmendinger in ihrem Buch "Verschenkte Potentiale? Lebensläufe nicht erwerbstätiger Frauen". Wofür die Berliner Forscherin sich stark macht, gilt inzwischen als wirksamstes Mittel im Kampf gegen den drohenden Fachkräftemangel. Deutschland, ist Allmendinger überzeugt, müsse sich vom Zuverdiener-Modell verabschieden und die Ein-Verdiener-Tradition abschütteln, wenn 2025 nicht 6,5 Millionen Arbeitskräfte fehlen sollen.

Die sogenannte weibliche Reserve ist riesig: 5,6 Millionen Frauen zwischen 25 und 59 Jahren sind bundesweit nicht erwerbstätig. Davon suchen 1,8 Millionen eine Arbeit, ohne immer arbeitslos gemeldet zu sein. 3,8 Millionen zählen zu den Nichterwerbspersonen, von denen wiederum knapp eine Million noch nie einen Job hatte. Hinzu kommt: Nur etwa jede zweite erwerbstätige Frau hat einen Vollzeitjob. Und weibliche Teilzeitkräfte arbeiten durchschnittlich nur 18,1 Stunden die Woche - im EU-Vergleich liegt Deutschland damit weit hinten.

Die Regierung hat deshalb kürzlich vorgerechnet: Lassen sich Beruf und Familie besser vereinbaren und reichen die Betreuungsangebote aus, würden etwa 1,2 Millionen Mütter wieder ins Erwerbsleben eintreten. Doch der Weg zu einem weiblicheren Arbeitsmarkt ist voller Hürden.

[] Die Betreuung: In Finnland haben Eltern einen Rechtsanspruch auf eine kostenlose Kinderbetreuung ab dem Alter von zehn Monaten. In Deutschland soll von 2013 an für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen. Doch ob dieses Ziel erreicht wird und ob die Plätze dann ausreichen, ist fraglich.

[] Die Arbeitszeiten: "Wir müssen uns von der Fiktion einer ununterbrochenen Beschäftigung lösen", sagt Allmendinger. Nötig seien neue Arbeitszeitkonten, die Frauen nicht ein Leben auf einen Teilzeitjob festlegen. "Während der Erziehung und Pflege könnten dann beide Partner die Arbeitszeit verringern, um diese Zeiten später nachzuarbeiten."

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Frauen verdienen weniger und werden seltener Chef. Selbst schuld, sagt Karrierecoach Christopher Flett, denn sie machen im Job immer wieder die gleichen Fehler. sueddeutsche.de verrät, welche das sind.

[] Die Unternehmenskultur: Besprechungen in den Betrieben finden oft zu familienfeindlichen Zeiten statt. Allmendinger fordert anstelle der "Anwesenheitskultur" mehr zeitliche Flexibilität für Mütter und Väter. Nötig sei eine "Ergebniskultur", außerdem solle es beim Elterngeld neue beweglichere Regeln geben. Schon beim Einstellungsgespräch sollte es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehen.

[] Die Ausbildung. Nach wie vor gibt es eine starke Trennung zwischen Männerberufen mit gutem Einkommen und Frauenberufen mit schlechtem Einkommen. Die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen arbeitet in nur fünf von 87 Berufsgruppen, also im Büro, im Gesundheits- oder Sozialbereich, als Verkäuferin oder Reinigungskraft. Die Arbeitszeiten vieler Dienstleistungsberufe sind aber mit den Öffnungszeiten von Kitas, Kindergärten und Schulhorten nicht vereinbar. Nicht nur das erschwert die Rückkehr ins Berufsleben - viele Frauen sind nach einer langen Lebensphase zu Hause verunsichert, sie waren zu lange draußen. In den skandinavischen Ländern wird die Erwerbsarbeit dagegen häufig nur kurz unterbrochen. Und Arbeits- und Betreuungszeiten verteilen sich ausgewogener zwischen den Partnern.

[] Die Mini-Jobs: Von den gut 7,3 Millionen Minijobbern sind 4,6 Millionen Frauen. Davon haben mehr als 3,2 Millionen ausschließlich einen Mini-Job. Diese sind attraktiv, weil für die Arbeitnehmer bis zu einem Verdienst von 400 Euro im Monat keine Steuern und Abgaben anfallen. Der Anreiz für die Frauen mehr zu arbeiten ist gering, da vom Mehrverdienst wenig übrigbleibt, wenn dann Sozialabgaben in voller Höhe fällig werden.

[] Das Ehegattensplitting. Auch die gemeinsame steuerliche Veranlagung gilt als Hindernis für eine stärkere Berufstätigkeit von Frauen. Die EU-Kommission hat gerade erst Deutschland nahegelegt, das Ehegattensplitting abzuschaffen. Ein Wechsel hin zu einer individuelleren Besteuerung könnte Vollzeitjobs im Vergleich zu Teilzeitstellen attraktiver machen, mahnt die Brüsseler Behörde.

Allmendinger schreibt in ihrem Buch, dass Raben eine hohe Intelligenz und ein ausgeprägtes Sozialverhalten bescheinigt werde. Sie stellt die Frage: "Wann werden wir also stolz darauf sein, Mütter und Väter solcher Raben zu sein?"

© SZ vom 17.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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