Führungsspitzen:Raus mit der Manager-Sau

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Hauptsache, es ist gut fürs Geschäft: Führungskräfte müssen keine Vorbilder sein, heißt es in einem Magazin für Manager. So benehmen sie sich auch.

A. Borchardt

Es gibt sie tatsächlich, Wirtschaftsführer, die nichts lesen außer Ausschnittdienste. Das sind Sammlungen von Zeitungsartikeln, die sich Vorstands- und andere Wichtig-Chefs täglich von ihren Pressekontrolleuren vorlegen lassen, um davon die Außenwirkung ihrer Großtaten abzuleiten. Ausnahmsweise mögen die Helden der Arbeit zusätzlich noch zu jenem Männ(ag)er-Magazin greifen, bei dessen Lektüre sie sich im Idealfall am eigenen Aufstieg und am Abstieg der Konkurrenten ergötzen.

Jungs, vergesst Loyalität! Jeder Manager soll machen was er will - solange es gut fürs Geschäft ist. (Foto: Foto: dpa)

Alles Quatsch

Mag sein, dass auch Gerhard Cromme in die jüngste Ausgabe hineingeschaut hat. Denn fast scheint es, als habe der Doppel-Aufsichtsratschef von Siemens und Thyssen-Krupp darin die Kolumne von Reinhard Sprenger gelesen. Der Managementautor ("einer der einflussreichsten", wie das Manager Magazin versichert) räumt dort nämlich mit der Vorstellung auf, Führungskräfte müssten Vorbilder sein.

Alles Quatsch, findet Sprenger. Wer das von seinen Vorgesetzten erwarte, wünsche sich nur Mama und Papa zurück. "Diese Denkfigur beruht auf dem kategorialen Irrtum, dass Vorbilder für das Erreichen der Unternehmensziele nützlich seien." Dazu würden jedoch allein Selbstverantwortung, Innovation und Unternehmertum gebraucht. Und genau diese Überlegung mag Cromme zu seinem jüngsten Coup gebracht haben: Er hat "seinen" Siemens-Vorstandschef Peter Löscher brüskiert und den Chefposten bei Thyssen-Krupp mit einem der wichtigsten Siemens-Manager besetzt.

Jungs, vergesst Loyalität!

Nun ist Cromme Multi-Kontrolleur; die Loyalitätsfrage lässt sich deshalb schwer klären. Muss für ihn der Münchner Elektronik- oder der Essener Stahlkonzern erste Wahl sein? Hat vielleicht der Siemens-Mann gedrängelt, weil er endlich auch zu den Top-Ausschnittdienst-Empfängern gehören will? Wie befreiend ist es in so einem Fall, wenn da ein Sprenger daherkommt und ruft: Jungs, vergesst Loyalität, Moral und Vorbild-Stress, tut einfach, was gut ist fürs Geschäft. "Authentizität ist als Manager weder möglich noch nötig", so Sprenger.

Man spürt sie förmlich aufatmen, jene Lenker und Drängler, die sich durch Mitarbeitergespräche und Motivationsseminare gequält und auf dem Weg ins Büro noch einmal den Werte-Kodex des Unternehmens haben Revue passieren lassen, um nur ja nicht gleich morgens diesen Grantler aus dem Eckbüro mit einem Anraunzer zu verschrecken. Lasst sie raus, die Manager-Sau, rufen sie sich zu - es ist schließlich fürs Unternehmen.

Zufriedene Ich-Bollwerke

So erfrischend diese Theorie für die Ich-Bollwerke dieser Welt auch sein mag, so wenig funktioniert sie. Denn jeder Chef ist Vorbild. Jener, der seinen Mitarbeitern zuhört genauso wie jener, der ihre Namen vergisst. Jener, der deren Ideen aufnimmt genauso wie jener, der seine vornehmlich mit Gleichbestallten aus der Business Lounge austauscht. Der Zuspätkommer, der Geizkragen, der Heute-hier-morgen-Dortler - alle werden sich irgendwann auf den unteren Ebenen gespiegelt sehen. Und das vornehmlich von Mitarbeitern, die glauben, es auf diese Weise leichter in die oberen Ebenen zu schaffen. Das übrigens nennt man Unternehmenskultur.

Sollte sich also bei Siemens oder Thyssen-Krupp künftig jemand wundern, wenn Mitarbeiter das mit der Loyalität nicht mehr ganz so ernst nehmen, ließe sich dies durchaus einem Cromme-Effekt zuschreiben. Wie man ihn kennt, wäre er stolz darauf.

© SZ vom 10.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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