Freizeitbranche:Lebensretter gesucht

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Alles im Blick: Die Mitarbeiter im Schwimmbad müssen den Betrieb im Auge behalten, haben aber daneben auch noch viele andere Aufgaben zu erfüllen. (Foto: Marco Völklein)

Zum Beginn der Freibadsaison fehlt in vielen Schwimmbädern qualifiziertes Personal. Das liegt auch daran, dass die Arbeit unterschätzt wird. Fachangestellte für Bäderbetriebe stehen nicht nur gelangweilt am Beckenrand.

Von Marco Völklein

Müssen Retter tatsächlich retten? "Oh ja", sagt Martin Gräfe, Leiter Bäderbetrieb der Leipziger Sportbäder. Als Gräfe noch selbst am Becken auf und ab ging und das Treiben im Wasser beaufsichtigte, da habe er "mehrmals reingreifen müssen". Um etwa kleine Kinder rauszuziehen, die sich als Nichtschwimmer in tiefes Wasser verirrt hatten. Auch im Erlebnisbad Wonnemar in Sonthofen mussten 2016 Mitarbeiter eingreifen und ein Kind wiederbeleben. Statistisch komme es alle fünf bis sechs Jahre in jedem Schwimmbad zu einem solch schweren Zwischenfall, sagt Wonnemar-Centermanager Maximilian Haag. "Deshalb ist es wichtig, qualifiziertes Personal am Beckenrand zu haben."

Doch dieses zu finden, wird immer schwieriger. "Es herrscht Fachkräftemangel", sagt Peter Harzheim, Präsident des Bundesverbands Deutscher Schwimmmeister (BDS). Die Branche habe es über Jahre versäumt, genügend Nachwuchs auszubilden. Außerdem hätten es die Schwimmbadbetreiber nicht geschafft, den Beruf besser zu verankern, sagt Harzheim: "Viele denken doch immer noch, dass wir nur in der Sonne sitzen und den Mädchen am Beckenrand nachschauen."

Doch genau das mache die Tätigkeit des Fachangestellten für Bäderbetriebe, so die Berufsbezeichnung, gerade nicht aus. Der Beruf sei abwechslungsreicher, als man denkt, zudem mit viel Verantwortung verbunden, sagt Felicitas Okelmann, bei den Stadtwerken München (SWM) zuständig für die Anwerbung von Nachwuchskräften im Bäderbereich. Denn neben der Aufsicht am Beckenrand sind die Fachangestellten unter anderem für die Kassen, für die Sauberkeit im Bad, für Animations- und Schwimmkurse oder die komplizierte Wasser- und Pumpentechnik verantwortlich.

Wer sich da nicht auskenne, könne viel falsch machen - und zum Beispiel durch falsche Mengen an Chlor Schaden anrichten. Die Nachwuchswerber sprechen daher an Schulen, etwa im Chemie- und Biologieunterricht, vor. Lässt der Lehrer da den pH-Wert einer Flüssigkeit ermitteln, zeigen die SWM-Leute, "wozu man das später gebrauchen kann" - etwa als Fachangestellter oder Fachangestellte im Bad.

Auch ein Bad sauber zu halten, sei alles andere als trivial, sagt Wonnemar-Betriebsleiter Haag. Seine Leute seien fast zwei Jahre lang damit beschäftigt gewesen, einen Reinigungsplan für das 5600 Quadratmeter große Erlebnisbad im Allgäu auszutüfteln. Um den verschiedenen Arten von Schmutz zuzusetzen, müssten diverse Mittel unterschiedlich angewandt werden, sagt Haag. Dazu sei umfangreiches Wissen nötig. Außerdem seien die Mitarbeiter im Bad ständig in Kontakt mit den Gästen, ergänzt der Leipziger Betriebsleiter Gräfe. "Wer es mag, mit Menschen zu arbeiten, ist hier richtig."

Vielleicht lassen sich deshalb auch immer mehr Frauen für den Beruf begeistern. Über viele Jahre galt eine Tätigkeit im Schwimmbad als Männerdomäne, mittlerweile aber habe sich das gewandelt, sagt Verbandspräsident Harzheim. Er schätzt den Anteil der Frauen auf mittlerweile fast 50 Prozent. "Sie müssen sich natürlich auch durchsetzen." Denn auch das gehört zum Berufsbild: Wer für Ordnung und Sauberkeit sorgt, muss sich auch mal mit alkoholisierten Besuchern oder pubertierenden Jugendliche herumärgern - da sind Leute mit Fingerspitzengefühl und ausgleichendem Wesen gefragt.

Hinzu kommt: Wer im Schwimmbad arbeitet, muss meist Schichtdienst verrichten. An den Wochenenden herrscht Hochbetrieb, ebenso in den Ferien. Aber auch das habe Vorteile, sagt Wonnemar-Manager Haag: Bei ihm im Allgäu kommen die Fachangestellten drei Tage lang zur Frühschicht, dann drei Tage zur Spätschicht - und haben anschließend drei Tage frei. Gerade im Winter sei das von Vorteil. Haag: "Wer kann schon unter der Woche mal eben so drei Tage lang Skifahren gehen?"

Auch die Bezahlung habe sich zuletzt verbessert, sagt Harzheim. So hatten die Tarifparteien die Badmitarbeiter noch vor einigen Jahren in unteren Tarifgruppen eingeordnet, mittlerweile seien sie ins Mittelfeld aufgestiegen - und erhalten nun, je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, zwischen 2200 und 3200 Euro brutto monatlich. Kein Geheimnis ist aber auch, dass insbesondere private Badbetreiber zum Teil deutlich weniger bezahlen.

Beschäftigte sagen: "Wer über Fachkräftemangel klagt, müsste zuerst da ansetzen."

Dennoch sind die Mitarbeiter gefragt - vor allem in den Sommermonaten. In vielen Städten bleiben Hallenbäder auch im Sommer geöffnet, selbst wenn von diesem Wochenende an sukzessive die Freibäder geöffnet werden. Deshalb suchen viele Betreiber zusätzlich zu den Fachangestellten auch noch geringer qualifizierte Rettungsschwimmer. So auch in Sonthofen. Dort aber komme das saisonale Geschäft vielen Mitarbeitern entgegen. "Die arbeiten im Sommer bei uns", sagt Betriebsleiter Haag. "Und im Winter als Skilehrer."

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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