Schulstudie:Lehrer haben bei Schülern nichts zu melden

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Immer mehr Probleme im Unterricht: Eine Studie zur deutschen Schulpolitik legt offen, mit welchen Schwierigkeiten Lehrer jeden Tag zu kämpfen haben. Das liegt auch an den Eltern der Schulkinder.

Im täglichen Kampf mit den Schülern: Unterrichten ist für viele Lehrer in den vergangenen Jahren deutlich anstrengender geworden. Davon ist mehr als jeder zweite Pädagoge (57 Prozent) überzeugt, wie eine in Berlin veröffentlichte Allensbach-Studie zur Schul- und Bildungspolitik in Deutschland zeigt. Drei Viertel der befragten Lehrer beklagen bei ihren Schülern Konzentrationsprobleme sowie eine zu materialistische Einstellung. Dennoch würde sich eine große Mehrheit von 76 Prozent wieder für den Lehrerjob entscheiden.

Das Münchner Referat für Bildung und Sport ist personell überlastet: Auf die Ganztagsschule war die Behörde "in diesem Ausmaß nicht vorbereitet". (Foto: dapd)

Die Studie wirft ein kritisches Bild auf das Lehrer-Schüler-Verhältnis. Lediglich acht Prozent der Lehrer sagen, dass ihr Einfluss auf die Schüler groß ist. Fast die Hälfte der Lehrer (48 Prozent) meint hingegen, dass sie nur wenig oder gar keinen Einfluss auf ihre Schüler hat. Aus ihrer Sicht haben die Medien und der Freundeskreis deutlich mehr Einfluss, auch mehr als die Eltern. Diese wiederum sollten manchmal mehr Engagement zeigen, fordern die Lehrer.

78 Prozent haben allerdings schon häufiger die Erfahrung gemacht, dass Eltern bei der Erziehung überfordert sind. Auch achten viele Eltern aus Sicht der Lehrer zu wenig darauf, wie ihre Kinder die Freizeit verbringen. Knapp drei Viertel (72 Prozent) der befragten Lehrer beobachten zudem, dass Eltern oftmals zu wenig Zeit für ihre Kinder haben. Etwa drei Viertel der Hauptschullehrer, aber nur 28 Prozent der Gymnasiallehrer geben an, dass sich Eltern zu wenig für die schulischen Leistungen ihrer Kinder interessieren.

Ebenso wie viele Bürger hadern auch Lehrer mit den unterschiedlichen Bildungsstandards in Deutschland. 72 Prozent der Lehrer und 78 Prozent der Bevölkerung sprechen sich für einheitliche Abschlussprüfungen und ein bundesweites Zentralabitur aus. Breite Zustimmung finden auch die Ganztagsschulen. 61 Prozent der Bürger stehen diesem Schultyp positiv gegenüber, nur knapp jeder fünfte ist dagegen.

Insbesondere die Lehrer in Ostdeutschland stehen der dezentralen Bildungspolitik skeptisch gegenüber. 83 Prozent fordern, dass der Bund sich der Bildungspolitik annehmen soll. Nur 12 Prozent wollen sie bei den Landesregierungen belassen. Aber auch im Westen will mehr als die Hälfte der Lehrer die Kompetenz auf den Bund übertragen.

Ein Umzug muss möglich sein

Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher erklärte die Entwicklung mit der steigenden Mobilität der Bevölkerung. "Die Menschen möchten bei einem Umzug nicht in eine völlig andere Bildungswelt kommen."

Bayern (49 Prozent) und Baden-Württemberg (37 Prozent) schnitten wie schon in den Vorjahren bei der Frage nach den besten schulischen Rahmenbedingungen mit großem Abstand am besten ab. Auf den Plätzen folgen Sachsen (17 Prozent), Nordrhein-Westfalen (10 Prozent) und Hessen (9 Prozent).

Für die Allensbach-Umfrage im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland wurden 2227 Bundesbürger und 536 Lehrer befragt. Lehrer und Bevölkerung sind sich einig, dass die Schule nicht nur Wissen, sondern auch Werte wie Pünktlichkeit und Hilfsbereitschaft sowie Leistungsbereitschaft vermitteln sollte. Allerdings meint nur etwa jeder dritte Lehrer (37 Prozent), dass ihm die Vermittlung von Werten tatsächlich gelingt. Bei Lehrern an Hauptschulen sind dies sogar nur 17 Prozent.

Ziele für 2010 nicht erreicht

Auch aus Sicht der EU ist das deutsche Bildungssystem weiterhin verbesserungsfähig. Laut dem am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Bildungsbericht der EU-Kommission haben Deutschland und Europa insgesamt Fortschritte gemacht, von den konkreten Zielen für 2010 wurden aber kaum welche erreicht.

In ihrem Bericht vergleicht die Kommission die Fortschritte der 27 Mitgliedsstaaten im Hinblick auf die EU-Bildungsvorgaben. Dabei steht vor allem die Zahl der Abiturienten, Universitätsabsolventen, Vorschulkinder und Schulabbrecher im Fokus. Außerdem werden die Zahlen mit denen aus der Türkei, Norwegen, Liechtenstein, Island, Kroatien und Mazedonien verglichen.

Besonders groß sei seit Jahren der Aufholbedarf beim Lesen und Textverständnis. 2009 taten sich noch immer 18,5 Prozent der 15-Jährigen in Deutschland schwer in dieser wichtigsten Lerndisziplin. Im EU-Schnitt lag diese Zahl etwas höher.

Gutes Mittelfeld

Gemessen an seinen europäischen Nachbarn liegt Deutschland bei den EU-Bildungsvorgaben im guten Mittelfeld, Spitzenpositionen erreichen deutsche Schüler aber nirgends. Schwächer als andere Länder ist Deutschland, wenn es um den Anteil der Abiturienten und der Universitätsabsolventen geht.

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