Büro:Was tun, wenn der Kollege ständig krank zur Arbeit kommt?

Björn S. stört nicht nur die Ansteckungsgefahr, sondern auch die Leidensmiene des Kollegen. Nun bittet er den SZ-Jobcoach um Rat.

SZ-Leser Björn S. fragt:

Ein Kollege, mit dem ich das Büro teile, ist im Winter regelmäßig erkältet. Statt zu Hause zu bleiben, schneuzt und niest er dann besonders dramatisch herum. Es kommt mir fast so vor, als wolle er den anderen Mitarbeitern im Büro zeigen, wie heldenhaft er sich zur Arbeit schleppt. Das Fenster muss geschlossen bleiben, überall fliegen Tempotaschentücher herum, es riecht nach Erkältungstee. Abgesehen davon, dass ich es rücksichtslos finde, wie er uns der Ansteckungsgefahr aussetzt, geht mir seine Leidensmiene total auf die Nerven. Wie spreche ich das an?

Jan Schaumann antwortet:

Lieber Herr S., es ist schon ein Kreuz mit den lieben Kollegen. Für die einen ist ein Bad-Hair-Day schon ein berechtigter Grund für die einwöchige Krankschreibung, die anderen würden sich lieber im Büro eine Intensivstation einrichten lassen, als den Eindruck zu erwecken, sie könnten schwänzen. Wie man es auch macht, es ist verkehrt.

Der SZ-Jobcoach

Jan Schaumann war in verschiedenen Führungspositionen in international operierenden Unternehmen in Europa, Asien und den USA tätig. Heute lebt er als Managementtrainer, Seminarleiter und Buchautor in Berlin.

Während in der warmen Jahreszeit die Gründe für das entschuldigte Fernbleiben nicht ganz so leicht von der Hand gehen (da müssen schon handfeste Dinge ran wie Rücken, Kreislauf oder Lebensmittelvergiftungen), liefert die Wintersaison Viren und Bakterien quasi frei Haus. Da reicht schon die morgendliche Busfahrt zum Arbeitsplatz und der herzhafte Nieser eines Sitznachbarn, um am nächsten Tag selber zum Multiplikator zu werden. Und spätestens an diesem Punkt scheiden sich die Geister.

Die einen sind sich sicher, dass es nun gilt, den Anfängen zu wehren. Dazu zählt, sich umgehend mit dem einschlägigen und möglichst vollständigen Produktportfolio eines Pharmaunternehmens seines Vertrauens einzudecken, ergänzt durch weitere gut gemeinte Empfehlungen des Apotheken-Fachpersonals und des nicht-verschreibungspflichtigen Geheimtipps der besten Freundin. Rasch beim Hausarzt anderthalb Stunden im Wartezimmer noch diverse Fremdviren inhaliert (und die eigenen natürlich ebenso großzügig wie uneigennützig dagegen ausgehändigt), sich vom Doktor die lateinische Bestätigung der viralen oder bakteriellen Verstimmung nebst Empfehlung zur mehrtägigen Bettlagerung geholt und ab ins Hotel "Zur glühenden Fernbedienung". Laut der Auffassung eines befreundeten Arztes laborieren wir ohne Zuhilfenahme von Medikamenten gut zwei Wochen an einer Erkältung. Mit der Einnahme entsprechender Präparate dauere es ungefähr vierzehn Tage.

Die anderen ignorieren zunächst die kribbelnde und tropfende Nase, besorgen sich in der Mittagspause beim benachbarten Drogeriemarkt die Vorteilspackung Taschentücher und die leckeren Kräuter-Hustenbonbons, die Oma immer in der Handtasche hatte, und gehen ab jetzt strategisch vor. Sobald sie einen Kollegen treffen, wird zum Gruß einmal geschnieft und gehustet. Bei Vorgesetzten zweimal, soviel Respekt muss sein.

Der 32er-Pack Taschentücher kommt hochkant auf den Schreibtisch, die Hustenbonbons liegen an prominenter Stelle daneben. Das sollte als erste Statusmeldung und als Einladung zum Dialog ausreichen. In Zauberschrift steht in großen Lettern darauf: Seht her - trotz lebensgefährlichen Schnupfens halte ich die Stellung! Ich trotze dem drohenden Verderben, erdulde sämtliches Leid und ertrage schier unbeschreibliche Schmerzen, um meine Pflicht zu erfüllen und um euch nicht im Stich zu lassen! Huldigt mir und kommt mir nicht mit dem Argument, dass ich in dieser Verfassung morgen die halbe Abteilung ausgerottet habe.

Arbeitsmoral hin oder her, ich werde mich hüten, die eine oder andere Geisteshaltung zu loben oder zu verurteilen. In einem Unternehmen, in dem eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre herrscht, wird es nur wenige Krankmeldungen wegen akuter Unlust geben. Häufiger wird es vorkommen, dass verschniefte Kollegen in der Teeküche konspirativ Taschentücher gegen Nasenspray tauschen. Dadurch steigt natürlich das Infektionsrisiko des übrigen Kollegiums immens. Und genau dies wäre der richtige Zeitpunkt, den Beweggrund für die Anwesenheit zu erfragen.

Erleichtern Sie (oder noch besser die entsprechende Führungskraft) das Gewissen der Siechenden, indem Sie unter Hinweis auf die Ansteckungsgefahr und die moralische Verantwortung raten, doch besser einige Tage zu Hause zu bleiben! Und versuchen Sie vor allem, die Sorge zu zerstreuen, dass durch das Fernbleiben des Einzelnen das Unternehmen binnen weniger Tage in den Abgrund schlittert.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

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