Zahngesundheit:Was Zähne über Armut verraten

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"Immer gründlich geputzt?" (Foto: ag.getty)

Wer viele Zähne gezogen bekommt, ist in der Regel ärmer. Die Bewohner von Sachsen-Anhalt bekommen das besonders zu spüren .

Von Guido Bohsem, Berlin

Das Gebiss ist ein wichtiger Indikator für den Wohlstand. Je besser der Zustand der Zähne, desto reicher und gebildeter ist in der Regel ihr Besitzer. Laut einer neuen Studie der Barmer kann man diese Faustformel auch auf Bundesländer übertragen. Und so kommt es wohl, dass ausgerechnet die Bayern für ihren Zahnersatz deutlich mehr ausgeben als die Bewohner aller anderen Bundesländer: 2014 zahlten die Patienten im Süden der Republik durchschnittlich 1131,91 Euro für Zahnersatz. Sie beteiligten sich damit zu 66 Prozent an den Kosten, während die Kasse lediglich 33 Prozent übernahm.

In ärmeren Bundesländern werden mehr Zähne gezogen. (Foto: SZ-Grafik; Quelle: BARMER GEK Zahnreport 2016)

Im deutlich weniger wohlhabenden Bundesland Sachsen-Anhalt war es fast umgekehrt. Hier zahlten die Krankenkassen im Schnitt 54 Prozent der Kosten, während die Versicherten einen Eigenanteil von 46 Prozent beisteuerten, 628,07 Euro. Die Zahnpatienten in Baden-Württemberg lagen mit Ausgaben von 1097,40 Euro an zweiter Stelle der Rangliste. Auf dem dritten Platz folgte Hessen mit 992,99 Euro.

Die teuerste Variante ist nicht unbedingt die beste

Die Gründe für die höheren Ausgaben lassen sich nach Angaben von Studienleiter Michael Walter vom Uniklinikum an der TU Dresden nicht belegen. Doch wächst offenkundig mit größerem Wohlstand auch die Bereitschaft, aus ästhetischen Gründen einen teureren Zahnersatz zu wählen. Das jedenfalls "kann man sehr stark vermuten", sagte Walter. Wer es sich leisten kann, hat also offenbar auch weit hinten im Mund eher ein strahlend weißes als ein metallisch glitzerndes Gebiss.

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Dabei ist der schönere Zahnersatz aus medizinischen Gründen mitunter nicht der beste. Nach Worten des Barmer-Chefs Christoph Straub ist die Metallkrone einer teureren Keramikkrone überlegen. "Es gibt derzeit keine gleichwertige Alternative", betonte er. Das gelte für Lebensdauer, Passgenauigkeit und Verschleiß. Straub berief sich dabei auf eine Überprüfung durch die Deutsche Gesellschaft für prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien. "Jedoch entscheiden sich in Bayern neun von zehn Patienten dagegen und greifen dafür tiefer in das eigene Portemonnaie."

Die Thüringer sind in der Vorsorge Spitzenreiter

Doch ist der Hang zu weißeren Zähnen in den reicheren Bundesländern nicht die einzige Erkenntnis des Berichts. So zeigte sich unter anderem, dass Ostdeutsche deutlich öfter zum Zahnarzt gehen als Westdeutsche. In Sachen Vorsorge liegen die Thüringer unangefochten an der Spitze: 62,4 Prozent der Patienten unterzogen sich 2014 zum Beispiel einer Frühuntersuchung oder ließen sich Zahnstein entfernen. Die größten Vorsorgemuffel leben danach in Bremen, wo nur 44,9 Prozent der Barmer-Versicherten deshalb zum Zahnarzt gingen. Bremen schnitt auch besonders schlecht bei der zahnärztlichen Kontrolle von Kleinkindern und von sechs- bis 18-Jährigen ab. Hier nahmen nur 23,6 Prozent dieses kostenlose Angebot an. In Bayern waren es hingegen 40,6 und in Thüringen 38,1 Prozent.

Dennoch haben die Minderjährigen im Osten Deutschlands besonders häufig Karies (zwischen 19,1 und 20,9 Prozent), während es in Rheinland-Pfalz (13,6 Prozent) und im Saarland (14,7 Prozent) seltener zu Behandlungen fauler Zähne kommt. Wer in Sachsen-Anhalt wohnt, muss sich am meisten Sorgen um seine Zähne machen. Hier liegt der Anteil der Versicherten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren, die mindestens schon einen Zahn gezogen bekommen haben, bei 71 Prozent. In Baden-Württemberg hingegen liegt der Anteil bei lediglich 48 Prozent.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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