Nichtraucher werden:Nutzlose Nikotinpflaster

Ob Pflaster, Kaugummis oder Lutschbonbons: Die zahlreichen Nikotin-Ersatzmittel, die rezeptfrei in der Apotheke zu haben sind, helfen einer Harvard-Studie zufolge kaum. Letztlich gibt es nur einen Weg, von der Zigarette loszukommen.

Christina Berndt

Kleben statt Paffen, oder Kauen statt Inhalieren - auf Pflaster und Kaugummis mit Nikotin hoffen viele Raucher, die sich endlich den Griff zur Zigarette abgewöhnen wollen. Es ist vor allem das Nikotin, das Rauchen zur Sucht macht. Wenn das Nervengift dem Körper über solche Ersatzprodukte zugeführt wird, könnte das über die ersten Entzugserscheinungen hinweghelfen - ohne die bösen Nebenwirkungen des Tabakrauchs auf Herz und Lunge, versprechen die Hersteller. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das sonst so pharmakritische Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) stützen diese Sicht der Dinge.

Rauchen wird teurer

Der Rückfall ist häufig, aber kein Drama.

(Foto: dpa)

Doch auch mit nikotinhaltigen Pflastern, Kaugummis oder Lutschtabletten bewaffnet, gibt es letztlich nur eines, das aus einem Raucher einen Nichtraucher machen kann: Willenskraft. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von der Harvard School of Public Health, die am Montag im Journal Tobacco Control online veröffentlicht wurde. Demnach helfen die zahlreichen Nikotinersatztherapien, die rezeptfrei in der Apotheke zu haben sind, kaum.

Die Wissenschaftler haben das Schicksal von 787 Rauchern über Jahre verfolgt, die kurz vor Beginn der Studie zu Nichtrauchern konvertiert waren. Dreimal wurde in den folgenden Jahren festgestellt, wie sich ihr Verhältnis zum Tabak entwickelt hatte - zunächst in den Jahren 2001 bis 2002, dann 2003 bis 2004 und schließlich 2005 bis 2006. In jeder Periode war etwa ein Drittel der jeweils verbliebenen Ex-Raucher rückfällig geworden. Dabei machte es keinen Unterschied, ob die Probanden allein aus Willenskraft dem Rauchen entsagt oder ob sie dazu mehr als sechs Wochen lang Nikotinersatzpräparate genutzt hatten. Auch war es unerheblich, wie stark ihre Sucht zuvor gewesen war und ob sie zusätzlich zu den Nikotinersatzpräparaten noch professionelle Hilfe aufgesucht hatten.

"Unsere Studie zeigt, dass Nikotinersatzpräparate Menschen nicht effektiver dabei helfen, mit dem Rauchen aufzuhören, als wenn diese es allein versuchen", sagt Hillel Alpert, der Erstautor der aktuellen Studie. Auch Christoph Kröger vom Institut für Therapieforschung in München hat festgestellt, dass die Pflaster und Pillen aufhörwilligen Teilnehmern von Gruppensitzungen keinen Extra-Vorteil bieten.

Medikalisierung des Rauchstopps

Die Daten sind Wasser auf die Mühlen von Simon Chapman. Der Public-Health-Professor von der Universität Sydney kämpft seit Jahren gegen die Medikalisierung des Rauchstopps. Er versucht vielmehr, das Selbstbewusstsein aufhörwilliger Raucher zu stärken: "Die Werbung suggeriert, dass es mit eigener Willenskraft kaum geht. Dabei haben bis zu drei von vier Ex-Rauchern ganz allein ihren Tabakkonsum beendet", betont er unermüdlich. In Deutschland seien es sogar 90 Prozent, ergänzt Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Zwar hätten viele bisherige Studien den Nikotinersatzpräparaten einen Nutzen bescheinigt, was auch IQWiG und WHO zu ihren positiven Statements verleitete. Doch solche Studien seien mit Skepsis zu betrachten. "Allzu oft sind diese Studien von den Herstellern gesponsert", sagt Chapman. So werteten 51 Prozent der Industriestudien die Nikotinpräparate als hilfreich, aber nur 22 Prozent der unabhängigen Untersuchungen.

Es gibt gewiss schwerstabhängige und schwerkranke Raucher, die Medikamente für den Ausstieg benötigen", sagt Pötschke-Langer. "Aber den meisten würde es mehr helfen, wenn ihnen Mut gemacht würde, dass sie den Ausstieg auch allein schaffen." Viele Ex-Raucher berichten, der Übertritt in ein nikotinfreies Leben sei leichter gewesen als erwartet, auch wenn oft mehrere Versuche nötig waren. "Jeder, der mit dem Rauchen aufhören will, sollte sich klar machen: Der erste Versuch kann misslingen", so Pötschke-Langer. "Aber das ist ja kein Drama. Man kann es einfach mal versuchen."

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