Neues Transplantationsgesetz tritt in Kraft:Im Schatten des Organspende-Skandals

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Werbung für die Organspende? Ausgerechnet jetzt? Das neue Transplantationsgesetz startet mit einer schweren Bürde. Die Auswirkungen des Organspende-Skandals in Zahlen.

Berit Uhlmann

Es war lange gerungen wurden um den Kompromiss, der am 1. November Realität wird: die Neuregelung des Transplantationsgesetzes. Kernstück sind die Briefe, mit denen die Krankenkassen ihre Versicherten künftig auffordern, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen und bei Zustimmung den beiliegenden Organspende-Ausweis gleich auszufüllen. Doch dann kam der Transplantations-Skandal - und nicht nur die betroffenen Kliniken tun sich schwer, jetzt noch unbefangen für die Organspende zu werben. Wie sich die Machenschaften einiger Mediziner auswirken:

Mehr als 40 Millionen Deutsche standen der Organspende ursprünglich positiv gegenüber, wenn man hochrechnet, was Umfragen zum neuen Transplantationsgesetz vor dem Organspende-Skandal ergaben. Zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung äußerten sich prinzipiell bereit, das "Ja" auf dem Organspende-Ausweis anzukreuzen. Nun ist nicht anzunehmen, dass dies auch alle getan hätten. Denn eine unverbindliche Absichtserklärung in einer anonymen Umfrage wird viel schneller gegeben als ein bindendes Einverständnis. Dennoch: Die Einstellung zum Thema Organspende war ermutigend.

Mindestens 30 Millionen Deutsche werden die Organspende-Ausweise vorerst nicht zugeschickt bekommen. Denn die AOK, die Barmer GEK und die Siemens-Betriebskrankenkasse kündigten bereits an, zunächst nicht mit den geplanten Briefen für die Organspende zu werben. Die AOK, die allein 24 Millionen Versicherte hat, begründete das Zögern mit den "großen Irritationen in der Bevölkerung", die Barmer GEK sprach von einer "Vertrauenskrise des Organspende-Systems", auf das man in den Informationsschreiben eingehen müsste. Dagegen kündigte die Techniker-Krankenkasse an, noch in diesem Jahr die Briefe zu verschicken. Wer einen Organspende-Ausweis ausfüllen möchte, braucht allerdings nicht auf Post von der Kasse zu warten. Man kann ihn beispielsweise hier herunterladen.

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Berit Uhlmann

Im Oktober 2012 brach die Zahl der Organtransplantationen auf 60 ein. Normal sind es mehr als 100 pro Monat. Der Trend hatte sich schon angedeutet. Von Januar bis September 2012 war die Zahl der Organspender, verglichen mit den Werten der vergangenen fünf Jahre, um mehr als 10 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Spenderorgane, die Kranken dadurch entgingen, könnte noch größer sein, denn prinzipiell kann ein Spender bis zu sieben Organe spenden. Den Rückgang erklärt die Deutsche Stiftung Organtransplantation in erster Linie mit dem aktuellen Skandal. Allerdings könnten auch Missstände bei der Stiftung selbst eine Rolle gespielt haben. Denn die Bereitschaft zur Organspende ging schon Anfang des Jahres zurück, als noch nicht der Skandal, wohl aber Kritik an der Stiftung publik waren.

Bei etwa 75 Transplantationen besteht bislang der Verdacht, dass sie zu Unrecht erfolgt sein könnten. An den Universitätskliniken in Regensburg und in Göttingen sowie am Münchner Uni-Klinikum Rechts der Isar sollen Ärzte ihren Patienten Spenderorgane beschafft haben, indem sie Krankendaten manipulierten oder Ausschlusskriterien wie weit fortgeschrittene Erkrankungen verschwiegen. Die Ermittlungen laufen noch, so dass diese Zahlen nicht als endgültig angesehen werden können. In den ganzen Ermittlungen und Debatten droht eine weitere Zahl übersehen zu werden:

Etwa alle 10 Stunden stirbt in Deutschland ein Mensch, weil er ein dringend benötigtes Spenderorgan nicht bekommt.

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