Lasst sie doch einfach mal machen! Das ist, grob gesagt, die Zusammenfassung einer soeben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichten Richtlinie zum Thema Geburt. Frauen, so die These des Papiers, bräuchten während der Entbindung in den allermeisten Fällen überhaupt keine Hochleistungsmedizin, sondern Ansprache und Vertrauen in den eigenen Körper.
Die Autoren kritisieren, Mediziner weltweit würden extrem uneinheitlich beantworten, was gute Geburtsmedizin überhaupt ausmacht. Und so zerstören rigide und längst überholte Gewohnheiten, welche Frauen zum Beispiel ihre Geburtsposition vorschreiben oder Haut-zu-Haut-Kontakt zum Neugeborenen untersagen, noch immer mancherorts den Zauber des Kinderkriegens. Da werden Schamhaare rasiert, kerngesunde Kinder mit Absaugschläuchen gepiesackt, oder, noch schlimmer, komplikationsfreie Geburten künstlich beschleunigt. Die WHO-Experten haben also vollkommen recht: Die soeben veröffentlichten Richtlinien könnten helfen, den seit Jahrtausenden eingeübten Verlauf einer Geburt nicht unnötig zu stören. Die WHO nennt das "frauenzentrierte Philosophie".
Eine Entbindung kann schön sein, traumhaft ist sie selten
Damit gelingt, was auf Papier gut klingt, braucht es zwei Dinge: Erstens kann nur gut geschultes und ausreichend vorhandenes Personal jene eingefahrenen Gewohnheiten aufbrechen und auch außergewöhnliche, aber eben nicht unbedingt gefährliche Geburtsverläufe sicher beurteilen und begleiten. Zweitens muss eine "frauenzentrierte Philosophie" werdende Eltern ermutigen, eine Entbindung so zu nehmen, wie sie eben kommt.
Interessanterweise ist die Angst vor einer Geburt auch in jenen Ländern ausgeprägt, in denen Intensivstationen und Hightech-Geräte maximale Sicherheit versprechen. Die Macht der Legenden ist groß, Schwangere werden im Freundeskreis von dramatischen Berichten verunsichert, in denen alles schiefgelaufen sein soll - von wegen "Traumgeburt". Eine Entbindung kann schön sein, traumhaft ist sie selten, meist aber blutig, schmerzhaft, laut und feucht.
Und so liegt der zentrale Punkt des WHO-Papiers im Wörtchen "normal". Der an sich richtige Ruf nach mehr Laissez-faire in der Geburtsmedizin sollte nicht in einer Totalverweigerung der medizinischen Angebote münden. Wer sich vor unnötigen Dammschnitten und Hauruck-Kaiserschnitten fürchtet und deshalb gar von einer Entbindung zuhause oder im Geburtshaus träumt, sollte in Entwicklungsländern mal nachforschen, was eine "normale" Geburt ohne Krankenhausinfrastruktur eben auch sein kann: nämlich lebensgefährlich. Jeden Tag sterben weltweit 830 Frauen an Schwangerschaftskomplikationen oder bei der Geburt - die wenigsten von ihnen in Europa.