Infektionen:Hunderttausende Kinder haben Dengue-Impfstoff mit Tücken erhalten

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Die Philippinen ziehen den Dengue-Impfstoff ein. (Foto: dpa)
  • Der französischer Pharmakonzern Sanofi hat eingeräumt, dass sein Dengue-Impfstoff in einigen Fällen schwere Verläufe der Krankheit fördern kann.
  • Die Philippinen hatten bereits ein umfangreiches Impfprogramm gestartet. Die Regierung bricht das Projekt nun komplett ab und will die Vorgänge untersuchen.
  • Die WHO empfiehlt die Einschränkung der Impfung.

Von Berit Uhlmann

Das Virus greift seit Jahren immer weiter um sich - und bedroht mittlerweile fast die halbe Weltbevölkerung. In den tropischen Regionen infizieren sich jährlich nahezu 400 Millionen Menschen mit dem Erreger des Dengue-Fiebers, das in sehr schweren Fällen zu inneren Blutungen und Organversagen führen kann. Auch in Europa sind bereits einzelne Dengue-Infektionen registriert worden. Der Feind ist also mächtig.

Vor diesem Hintergrund lässt sich erklären, weshalb es 2016 als Erfolg galt, dass nun endlich ein erster Impfstoff gegen die Tropenkrankheit zugelassen wurde - obwohl seine Wirksamkeit nicht optimal war, obwohl sich schon frühzeitig Probleme abzeichneten. Jetzt hat das Vakzin namens Dengvaxia einen herben Rückschlag erlitten. Der Hersteller Sanofi musste einräumen, dass sein Impfstoff bisweilen eine paradoxe Wirkung aufweist: Statt zu schützen, verstärkt er die Symptome der Erkrankung. Besonders schwere Verläufe treten demnach bei jenen Menschen auf, die vor der Impfung noch nie eine Dengue-Infektion durchgemacht haben. Wie viele das sind, teilt der französische Pharmakonzern nicht mit. Er betonte aber, dass ihm keine Todesfälle unter Geimpften bekannt sind.

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Dengue hat eine seltsame Eigenart. Eine zweite Infektion verläuft oft schwerer als die vorangegangene. Die bei der ersten Ansteckung gebildeten Antikörper werden mit den neuen Eindringlingen nicht fertig, sondern fördern deren Vermehrung geradezu. Es ist möglich, dass der Impfstoff das Immunsystem in manchen Fällen auf die gleiche ungünstige Weise anstachelt wie eine Erstinfektion. Noch aber sind die Ursachen nicht geklärt.

Die Zulassungsstudien hatten gezeigt, dass Dengvaxia im ersten Jahr nach der Immunisierung nur etwa 60 Prozent aller Geimpften schützte. In den Folgejahren schwand die Wirksamkeit weiter. Damit kann ein großer Teil der Geimpften trotz der Spritze erkranken. Vor der Möglichkeit, dass die Infektion unter Umständen besonders heftig ausfallen könnte, hatten Wissenschaftler schon vor der Zulassung gewarnt. Bereits 2015 tauchten Berichte über gehäufte schwere Dengue-Fälle unter Geimpften auf.

Dennoch kam der Impfstoff in einem Dutzend Ländern auf den Markt. Die Philippinen und Brasilien starteten Impfprogramme. In dem asiatischen Inselstaat sind mehr als 700 000 Kinder ab neun Jahren immunisiert worden. Nun aber hat das Land offenbar das Vertrauen verloren und setzt zu einer radikalen Kehrtwende an. Die Behörden untersagten jeglichen Vertrieb des Serums. Der bereits auf dem Markt befindliche Impfstoff soll zurückgerufen werden. Sanofi wurde angewiesen, eine Informationskampagne aufzulegen. Jeder Fall einer schweren Dengue-Erkrankung soll gemeldet werden. Die Regierung kündigte an, Ermittlungen einzuleiten.

Brasilien reagierte weniger rigoros und stoppte die Impfungen nur für jene Kinder, die noch nie mit Dengue infiziert waren. Alle anderen sollen das Mittel weiterhin erhalten. Der Staat folgt damit der eilig geänderten Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Behörde bemüht sich, noch in diesem Jahr die neuen Daten des Pharmakonzerns auszuwerten. Zugleich stellte sie klar, dass die Impfung all jenen Kindern einen guten Schutz vor schweren Verläufen bietet, die sich zuvor schon einmal mit dem Dengue-Fieber angesteckt haben.

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© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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