Drogen:Cannabis beeinträchtigt das Belohnungsempfinden

Jahresbericht zur Rauschgiftkriminalität

Harmloser Spaß oder Einstieg in harte Drogen? Cannabis ist umstritten.

(Foto: dpa)

Kiffen könnte so das Risiko erhöhen, auf harte Drogen umzusteigen.

Von Astrid Viciano

Kiffen unter Kumpels gilt als harmlos, als entspannend, als Spaß ohne Folgen. Dass Cannabiskonsum nicht ganz so problemlos ist, zeigt ein Team um die Psychiaterin Mary Heitzeg von der University of Michigan und der Florida International University im Fachjournal JAMA Psychiatry. Demnach kann langjähriger Konsum das menschliche Gehirn verändern.

Die Forscher untersuchten 108 Probanden, die regelmäßig Cannabisprodukte konsumierten, jeweils einmal im Alter von etwa 20, 22 und 24 Jahren. Während die Testpersonen im Kernspintomografen lagen, mussten sie eine Aufgabe lösen - mal gegen Geldbelohnung, mal ohne. Bei einer Belohnung wird normalerweise eine Region im Vorderhirn aktiviert, der sogenannte Nucleus accumbens. Reagierte der Hirnbereich der Probanden im Alter von 20 Jahren zunächst noch prächtig auf die angekündigte Bereicherung, stumpfte er im Laufe der Jahre ab. Vier Jahre später fiel das Signal im Kernspintomografen sehr viel schwächer aus. Parallel nahm der Cannabiskonsum der Probanden mit den Jahren deutlich zu.

"Das ist eine tolle Untersuchung, die unseren Forschungsstand über die Veränderungen im Gehirn erweitert", sagt Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf. Denn die amerikanischen Wissenschaftler haben diese Entwicklung erstmals über mehrere Jahre hinweg beobachtet.

Zu viel Kiffen kann dem Gedächtnis und der Intelligenz schaden

Doch liefern die aktuellen Ergebnisse vor allem neue Hinweise darauf, dass Cannabis das Risiko für den Konsum anderer Drogen erhöht. Da das Belohnungszentrum nur noch schwach auf Cannabis reagiert, suchen die Drogenkonsumenten nach härteren Substanzen wie Kokain, um den gewünschten Kick zu erleben. "Wir wissen aus anderen Studien bereits, dass regelmäßiger Cannabiskonsum das Risiko um das Fünf-bis Sechsfache erhöht, harte Drogen auszuprobieren", sagt der Hamburger Psychiater Thomasius. Auch wenn dabei natürlich eine Rolle spiele, dass Drogenhändler den Konsumenten neben Cannabis oft auch andere psychoaktive Substanzen anbieten.

Wie bei einem Puzzle haben die amerikanischen Wissenschaftler ein wichtiges Teil zum Gesamtbild beigetragen, das seit ein paar Jahren über die Folgen von Cannabis entsteht. So spielt das Belohnungszentrum für das Gedächtnis eine wichtige Rolle. Und bei Menschen, die bereits im Jugendalter Cannabis konsumieren, ist das Erinnerungsvermögen oft eingeschränkt. Auch sind junge Kiffer weniger aufmerksam, weniger motiviert - und sogar der Intelligenz kann es auf Dauer schaden.

Probanden, die schon als Teenager regelmäßig kifften, hatten im Alter von 38 Jahren einen acht Punkte niedrigeren Intelligenzquotienten als mit 13 Jahren, das ergab eine Langzeitstudie aus Neuseeland. "In Tierexperimenten an Mäusen und Ratten haben wir gesehen, dass zwischen den Nervenzellen weniger Kontaktstellen liegen", berichtet Thomasius. Informationen fanden im Gehirn also schlechter und langsamer ihren Weg als bei drogenfreien Tieren.

Bis heute ist keine andere Droge unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen so beliebt wie Cannabis. Im vergangenen Jahr gaben laut deutschem Drogenbericht 21 Prozent der jungen Männer zwischen 18 und 25 Jahren an, in den vorausgehenden zwölf Monaten Cannabis konsumiert zu haben, fast 41 Prozent der männlichen Altersgruppe hatte die Droge bereits mindestens einmal im Leben probiert. Neun Prozent aller Cannabiskonsumenten entwickeln irgendwann eine Abhängigkeit. Bei jenen, die als Teenager zu kiffen begannen, sind es sogar 17 Prozent.

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