Corona-Impfung:Die Vielfalt der Thrombosen

Lesezeit: 2 min

Bild aus einer Zeit, in der der Impfstoff von Astra Zeneca noch verteilt werden durfte in Deutschland. Er steht im Verdacht, Thrombosen auszulösen. (Foto: FRED TANNEAU/AFP)

Was Thrombosen in den Hirnvenen, den Beinen und durch "die Pille" gemeinsam haben und unterscheidet.

Von Werner Bartens

Ist von Risiken des derzeit in vielen Ländern nicht mehr verwendeten Impfstoffs von Astra Zeneca die Rede, wird immer wieder der Vergleich mit der "Pille" herangezogen. Es stimmt, die Gefahr einer Thrombose ist ungleich höher, wenn Frauen das Verhütungsmittel nehmen - mindestens um den Faktor 60 bis 100. Zudem ist der kausale Zusammenhang zwischen der Bildung von Blutgerinnseln und den Hormonpräparaten bekannt - anders als im Fall der Impfung, wo noch geprüft wird, ob die gemeldeten Thrombosen nicht nur im zeitlichen Zusammenhang aufgetreten sind, ihre Entstehung aber nichts mit dem Vakzin zu tun hat.

Trotzdem hinkt der Vergleich. Für Gerinnsel in den Bein- und Beckenvenen mag er zwar noch zutreffen. Bisher wurden nach fünf Millionen Impfungen mit dem Astra-Zeneca-Vakzin aus dem EU-Raum etwas mehr als 30 solcher Thrombosen im zeitlichen Kontext gemeldet (in Deutschland elf nach 1,4 Millionen Impfungen); bisherigen Studiendaten zufolge liegt die Häufung bei dem Biontech-Vakzin offenbar ähnlich hoch.

Die noch selteneren Sinusvenenthrombosen, also Verstopfungen der Hirnvenen, sind bisher in acht Fällen in Deutschland gemeldet worden. Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei den Thrombosen der Hirnvenen um einen anderen Entstehungsmechanismus handelt. Dabei kommt es zu Gefäßentzündungen, die mit einer unklaren Aktivierung des Immunsystems einhergehen und in der Mehrzahl Frauen betreffen, sodass eine hormonelle Komponente wahrscheinlich ist.

In der Folge werden wie bei manchen Autoimmunerkrankungen vermehrt Blutplättchen (Thrombozyten) und Gerinnungsfaktoren verbraucht; es kann zu örtlichen Blutungen wie auch zu Thrombosen kommen. Spekuliert wird, dass eine Hoch- oder Fehlregulierung des Immunsystems die Ursache ist. Dieses seltene Phänomen ist auch vermehrt bei der Covid-19-Erkankung beobachtet worden und tritt manchmal ohne jede erkennbare Ursache auf. Anders als Thrombosen in den Beinen, die auch ohne weitere Beschwerden abklingen können, verlaufen Sinusvenenthrombosen häufiger tödlich.

Seit "die Pille" 1960 in den USA und 1961 in Deutschland auf den Markt kam, wurde sie von heftigen Diskussionen begleitet. Anfangs waren konservative Kreise in Sorge um einen Verfall der Sitten - später überwogen gesundheitliche Bedenken. Bis heute ist die "Antibabypille" das wirksamste Präparat zur Empfängnisverhütung. Eine ungewollte Schwangerschaft und ein Abbruch der Schwangerschaft gehen mit weitaus größeren medizinischen Risiken einher.

Eine der bekanntesten Nebenwirkungen bei Einnahme der Pille ist das erhöhte Risiko für Thrombosen, was erheblich gesteigert wird, wenn die Frauen rauchen, stark übergewichtig sind und sich wenig bewegen. Die Hormonkombination aus Östrogenen und Gestagenen in unterschiedlicher Zusammensetzung führt dazu, dass sich leichter Blutgerinnsel in den Bein- und Beckenvenen bilden. Löst sich ein solcher Blutpfropf und wird über den Kreislauf in die Lunge gespült, kann es zur womöglich lebensbedrohlichen Embolie kommen.

Etwa 200 Thrombosen treten bei einer Million Frauen, die nicht die Pille nehmen und nicht schwanger sind, jedes Jahr auf. Nehmen sie hingegen die Pille, sind es je nach Zusammensetzung zwischen 600 und 1200 Thrombosen pro eine Million Frauen jährlich. Die Häufigkeit schwankt zwischen den verschiedenen Generationen der Pillenpräparate, wobei es keineswegs so ist, dass die neuen Präparate mit weniger Risiken einhergehen - im Gegenteil: Pillen der dritten und vierten Generation, die oft als Lifestyle-Produkte vermarktet werden und schönere Haut versprechen, führen zu einem fast doppelt so hohen Thrombose-Risiko wie die Vorgängerpräparate. Die Kombination Pille und Rauchen erhöht das Risiko allerdings um den Faktor 20 bis 80 gegenüber einer Frau, die weder raucht noch die Pille nimmt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Coronavirus weltweit
:Österreich berät über Corona-Strategie

Eine geplante landesweite Öffnung der Außengastronomie zu Ostern scheint angesichts der steigenden Infektionszahlen unwahrscheinlich. Miami Beach verhängt wegen des unerwartet starken Andrangs von feiernden Besuchern den Notstand.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: