Wohlfahrtsmarken:Post von Loriot

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Zwei nackte Männer auf einer Briefmarke - damit werden Postkunden ab sofort konfrontiert. Die weichgespülte Tabuverletzung des Humoristen Loriot soll die Wohlfahrtsmarken populärer machen.

Joachim Göres

So viel Haut gab es bislang noch nicht auf deutschen Briefmarken zu sehen. Ein Skandal ist dennoch nicht zu erwarten: Die auf dem 55 mal 33 Millimeter großen Papierstück präsentierten wohlgeformten Körper stammen aus der Feder von Vicco von Bülow alias Loriot. Er zeigt die unbekleideten Geschäftsleute Müller-Lüdenscheidt und Dr. Klöbner gemeinsam in einer Hotelbadewanne, die beide für sich beanspruchen. Mit "Der sprechende Hund", "Auf der Rennbahn" und "Das Frühstücksei" sind drei weitere bekannte Szenen aus Loriot-Sketchen auf den Wohlfahrtsmarken abgebildet.

Die neuen Loriot-Wohlfahrtsmarken - gestaltet von Hans Günter Schmitz. Schöne Motive erhöhnen die Einnahmen für soziale Zwecke. (Foto: Hartmut Pöstges)

Wohlfahrtsmarken sind Postwertzeichen, die seit 1949 einmal jährlich erscheinen. Sie heißen so, weil der Käufer neben dem Preis für das Porto noch einen Zuschlag zahlt, der gemeinnützigen Projekten von Wohlfahrtsorganisationen zugute kommt. 55 plus 25 Cent kostet zum Beispiel die Badewannen-Marke. Wer alle vier Loriot-Marken kauft, zahlt neben dem Portowert von insgesamt drei Euro einen Zuschlag von 1,25 Euro. Nur: Wer gibt überhaupt noch mehr als nötig für den Versand eines Briefes oder einer Postkarte aus, wo man sich in Zeiten des Internets mit einer E-Mail immer häufiger das Porto spart?

"Ja, es ist schwieriger geworden, Wohlfahrtsmarken zu verkaufen. Der Grund ist nicht nur, dass immer weniger Briefe verschickt werden. Viele einfache Menschen, die mir früher die Marken wegen des guten Zwecks abgekauft haben, müssen heute einfach mehr auf ihr Geld gucken", sagt Herbert Weißenfels. Er weiß, wovon er spricht. Der ehrenamtliche Vorsitzende des Kreisverbandes Rosenheim der Arbeiterwohlfahrt (AWO) verkauft seit 25 Jahren Wohlfahrtsmarken. Den Zuschlag darf sein AWO-Kreisverband für eigene Projekte behalten.

Käufer sind vor allem Ältere

Käufer sind vor allem Ältere. Zu den Stammkunden gehören Briefmarkensammler, doch die werden immer weniger. In den vergangenen Jahren konnte Weißenfels den Rückgang durch Firmenkunden ausgleichen. Es sind meist kleine Betriebe, die ihre Rechnungen mit besonderen Motiven verschicken. "Heute kommen für uns so 200 bis 300 Euro im Jahr durch den Verkauf zusammen, früher war es erheblich mehr", sagt Weißenfels. Sein Kreisverband hat im vergangenen Jahr zudem Geld aus dem Postverkauf der Wohlfahrtsmarke bekommen, das die Arbeit im Rosenheimer AWO-Mehrgenerationenhaus ermöglicht: Schularbeitenhilfe, Schuldnerberatung, Kinderkrippe, sozialer Mittagstisch.

Einen einstelligen Euro-Millionen-Betrag aus den Zuschlagseinnahmen verteilt die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege jährlich an ihre sechs Mitglieder (AWO, DRK, Caritas, Diakonisches Werk, Paritätischer Wohlfahrtsverband und Zentralwohlfahrtsstelle der Juden). Sie entscheiden in Eigenregie über die Vergabe der Gelder. "Die Summe schwankt, je nachdem, wie der Verkauf läuft. Insgesamt ist der Verkauf aber rückläufig", sagt Anja Böhme, sie ist für die Wohlfahrtsmarken bei der Bundesarbeitsgemeinschaft zuständig. Für dieses Jahr ist Böhme optimistisch. "Die neuen Marken werden wie verrückt von unseren Mitgliedern bei uns bestellt. Das liegt an Loriots Popularität und den schön gestalteten Marken."

Auch in der Vergangenheit wurde mit besonderen Motiven versucht, Postkunden für den Kauf der Wohlfahrtsmarken zu gewinnen. Mit schönen Darstellungen von Meerschweinchen, Sonnenuntergängen oder des tropischen Regenwaldes appellierte man an die Briefmarkenkäufer, etwas tiefer in die Tasche zu greifen.

In anderen Ländern erscheinen populäre Sänger oder Sportler auf Briefmarken, die dann von ihren Fans in großer Stückzahl gekauft werden. In Deutschland hat das Bundesfinanzministerium als Herausgeber dagegen festgelegt, dass nur verstorbene Persönlichkeiten auf Postwertzeichen verewigt werden - mit Ausnahme des aktuellen Papstes.

Was hält Böhme von der Idee, die Themen zu zeigen, in die die Einnahmen aus den Wohlfahrtsmarken fließen: Familienhilfe, Arbeitslosenbetreuung, Flüchtlingsberatung, Suchtkrankenhilfe? "Wir haben schon mal darüber nachgedacht, denn wir können dem Ministerium Vorschläge machen. Letztlich ziehen wir aber schöne Motive vor. Damit bekommt man mehr Geld für soziale Zwecke."

© SZ vom 04.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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