Urteil: Bundesfinanzhof:Zweifel an der Grundsteuer

Lesezeit: 2 min

Der Bundesfinanzhof hat die Länder ermahnt, die der Grundsteuer zugrundeliegende sogenannte Einheitsbewertung für Grundvermögen neu festzusetzen. Eigentümer sollten Einspruch gegen Bescheide einlegen, raten Experten.

Angelika Slavik

Die Grundsteuer-Bescheide der vergangenen drei Jahre sind möglicherweise verfassungswidrig. In einem neuen Urteil kritisiert der Bundesfinanzhof (BFH) die Berechnungsgrundlagen als veraltet und mahnt eine Neuregelung an. Auf eine finanzielle Entlastung dürfen aber wohl nur wenige Hausbesitzer hoffen.

Die Grundsteuer-Bescheide der vergangenen drei Jahre sind möglicherweise verfassungswidrig, doch auf eine schnelle finanzielle Entlastung dürfen wohl nur wenige Hausbesitzer hoffen. (Foto: obs)

Es sei "nicht länger hinnehmbar", dass Grundstücke weiterhin auf Basis längst überholter Einheitswerte aus dem vergangenen Jahrhundert besteuert würden, heißt es in dem Urteil von Deutschlands oberstem Steuergerichtshof. Der sogenannte Einheitswert weist jedem Stück Land in Deutschland einen bestimmten Richtwert zu, der dann mit Hebesätzen multipliziert wird. Tatsächlich sind die Grundlagen, die zur Berechnung der Grundsteuer herangezogen werden, bereits ziemlich verstaubt: In den alten Bundesländern wird nach Einheitswerten besteuert, die zum 1. Januar 1964 festgestellt wurden. Noch älter sind die Zahlen, die im Osten verwendet werden: Sie datieren aus dem Jahr 1935.

Diese Ungleichheit zwischen Ost und West sei mittlerweile nicht mehr mit den Schwierigkeiten bei der Wiedervereinigung zu rechtfertigen, kritisiert der BFH (Az: II R 60/08). Eine Neubewertung sei deshalb in den neuen Bundesländern besonders dringend - zumal schon die westlichen Einheitswerte höchstens noch für Steuerbescheide zum 1. Januar 2007 akzeptabel wären, wie der BFH formuliert.

Theoretisch müssten die Einheitswerte zur Grundsteuer-Berechnung alle sechs Jahre überholt werden. Dass das dennoch schon seit Jahrzehnten nicht passiert, hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 1995 kritisiert. 2001 wurde die geltende Regelung allerdings noch einmal bis Ende 2006 verlängert.

Dass der BFH in dem Urteil ausdrücklich nur den Grundsteuerbescheiden bis Anfang des Jahres 2007 Verfassungsmäßigkeit attestiert, wirft die Frage auf, welche Auswirkungen der Spruch auf später ausgestellte Bescheide haben wird. Grundbesitzer hätten nach diesem Urteil durchaus Chancen, rückwirkend ihre Grundsteuerlast zu reduzieren, sagt der Berliner Steueranwalt Carsten Strasen. Vor allem für Eigentümer, die sich von einer Neubewertung eine geringere Steuerbelastung erhoffen, sei es sinnvoll, Einspruch gegen die Festsetzung des Einheitswerts beim Finanzamt einzulegen und eine Neubewertung zu verlangen. "Damit minimiert man in jedem Fall das Risiko einer Verjährung seiner Ansprüche", sagt Strasen. Beobachter interpretieren das Urteil jedenfalls als überdeutliche Aufforderung an den Gesetzgeber, die Grundsteuer-Berechnung neu zu regeln. Die Finanzministerkonferenz hat bereits angekündigt, sich im Herbst mit einer Reform der Grundsteuer zu befassen.

Eine Aussicht, auf die die Eigentümerschutzgemeinschaft Haus & Grund am Mittwoch erfreut reagierte. Man hoffe, dass nach jahrelanger Diskussion um die Reform der Grundsteuer nun "endlich Tempo gemacht" werde, hieß es. Allerdings dürfe eine Neuregelung der Grundsteuer keine Mehrbelastung der Hauseigentümer zur Folge haben.

Wesentlich günstiger wird es für den Großteil der Steuerzahler aber wohl auch nicht werden: Schließlich ist die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Kommunen - noch dazu eine, die von der Konjunktur unabhängig ist. 2009 kassierten Städte und Gemeinden insgesamt 9,63 Milliarden Euro an Grundsteuer, das entspricht 15Prozent aller kommunalen Steuereinnahmen. Einzelne Gemeinden, vor allem in den Ländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, hatten die Grundsteuer zuletzt deutlich angehoben, um ihre Haushaltslöcher zu stopfen. In Stuttgart etwa müssen Hauseigentümer und Mieter neuerdings bis zu 30Prozent mehr Grundsteuer zahlen als noch 2009.

Hoffnung auf eine Minderung ihrer Steuerlast macht der BFH vor allem langjährigen Grundbesitzern: Dass eine Wertminderung wegen Alters auf unbegrenzte Dauer ausgeschlossen werde, wie das noch im Gesetz der Fall ist, sei "nicht hinnehmbar", heißt es im vorliegenden Urteil. Zudem müsse man davon ausgehen, dass sich die "tatsächlichen Verhältnisse" seit der Einheitswertbestimmung in den sechziger beziehungsweise in den dreißiger Jahren möglicherweise maßgeblich verändert, die Behörden davon aber keinerlei Kenntnis hätten. Außerdem gebe es mittlerweile zahlreiche neue Gebäudetypen, die nach den alten Kriterien gar nicht gerecht bewertet werden könnten, mäkelt der BFH.

Insgesamt führe die jetzige Situation daher zwangsläufig zu "Defiziten beim Gesetzesvollzug", weil davon auszugehen sei, dass manche Bürger besser und manche schlechter gestellt seien, als es ihnen eigentlich zustehe. Das bedeute einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung.

© SZ vom 12.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: