Streit um Sonderweg der Bundesregierung:Ackermann sucht die Konfrontation mit Merkel

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Deutsche-Bank-Chef Ackermann beklagt die starke Gängelung der hiesigen Kreditwirtschaft. Statt gemeinsam mit anderen Ländern Wege zu suchen, habe sich die Bundesregierung nationale Alleingänge geleistet.

Josef Ackermann sagte bei einer Finanzmarkt-Tagung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, es sei absolut richtig gewesen, dass die Gruppe der großen Industrie- und Schwellenländer (G20) nach der globalen Finanzkrise des Jahres 2008 die Anforderungen an die Geldhäuser deutlich verschärft habe. Statt jedoch europaweit und in der G20 geordnet vorzugehen, habe sich gerade die Bundesregierung mehrere nationale Alleingänge geleistet. Dies schade dem Standort Deutschland und belaste das Kreditgeschäft der Institute. Leidtragende seien am Ende die Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungssektor, die Schwierigkeiten hätten, an notwendige Darlehen zu kommen.

"Deutschland ist mit einer Reihe von Reformen einseitig vorgeprescht und schwächt damit meines Erachtens nicht nur den eigenen Finanzplatz und die heimische Finanzbranche weiter, es bremst damit auch die Dynamik seiner eigenen Industrie", kritisierte Ackermann. (Foto: AP)

Strukturelle Ertragsschwäche

Ackermann nannte als Beispiele unter anderem die Einführung der Bankenabgabe, die nicht mit den übrigen EU-Mitgliedsländern koordiniert worden sei, das Verbot von Leerverkäufen an der Börse, den vergleichsweise hohen verpflichtenden Selbstbehalt deutscher Kreditinstitute bei Verbriefungen, die scharfen Regeln für die Offenlegung von Managergehältern und den Einsatz der Bundesregierung für eine Steuer auf Finanzmarktumsätze. "Deutschland ist mit einer Reihe von Reformen einseitig vorgeprescht und schwächt damit meines Erachtens nicht nur den eigenen Finanzplatz und die heimische Finanzbranche weiter, es bremst damit auch die Dynamik seiner eigenen Industrie", sagte der Top-Banker. Zwar gebe es für jede einzelne Sonderregel Gründe. In der Summe aber verstärkten sie die ohnehin bestehende strukturelle Ertragsschwäche der hiesigen Banken. Allein sein Institut werde durch neue politische Auflagen pro Jahr mit mehr als einer Milliarde Euro belastet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) wiesen die Kritik zurück. Merkel erklärte, in der sozialen Marktwirtschaft müssten nicht nur die Regierungen und Parlamente, sondern alle Beteiligten ihren Beitrag zu Wachstum und Wohlstand leisten. Die jüngsten Krisen - die Finanz-, die Wirtschafts- und die Staatsschuldenkrise - dürften sich in dieser Form nicht wiederholen, weil sonst die politische Stabilität in Gefahr gerate. "Wenn Sie weiter in einem politisch stabilen Land wirtschaften wollen, dann reichen Sie uns die Hand", sagte die Kanzlerin an Ackermann gerichtet.

Auch Schäuble verteidigte das Vorgehen der Bundesregierung. In manchen Bereichen, etwa beim Verbot von Leerverkäufen, sei Deutschland bewusst vorangegangen, weil man ein Signal habe setzen wollen. Das sei vor allem dann nötig, wenn die internationalen Verhandlungen nicht vorankämen. "Wenn wir alles immer erst einführen würden, wenn die letzte Insel im Pazifik zugestimmt hat, dann ist garantiert: Da kommt nichts", sagte der Minister. Es dürfe nicht "der Langsamste das Tempo des Geleitzugs bestimmen", weil sonst die nächste Krise unausweichlich sei. Schäuble und Ackermann betonten übereinstimmend, dass sie sich mit Blick auf die künftige Ordnung an den Finanzmärkten im Ziel einig seien, aber möglicherweise nicht in den Methoden. "Wenn ich Herrn Bundesminister Schäuble zugehört habe, dann könnte ich jedes Wort unterschreiben", sagte Ackermann. Das gelte allerdings nur so lange, wie die Diskussion im Allgemeinen bleibe. "Das ist die Gefahr", erklärte der Deutsche-Bank-Chef.

Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzaufsicht Bafin, Jochen Sanio, warnte eindringlich vor riesigen Lücken in der Finanzmarktregulierung. Es gebe eine Reihe "dunkler Flecken", etwa den Derivatemarkt mit einem Volumen, das zehn Mal so hoch sei wie die jährliche Weltwirtschaftsleistung. "Das ist ein unhaltbarer Zustand", sagte er. Ein weiteres Risiko seien Kreditausfallversicherungen, von denen niemand wisse, ob die zugehörigen Risiken breit gestreut seien oder sich irgendwo ballten. Gerade mit Blick auf die Schuldenkrise in Griechenland mache ihm dieser Punkt "die meisten Sorgen". Scharfe Kritik übte Sanio zudem am stark ausufernden "Schattenbankensektor". Es könne nicht sein, dass einerseits die Regulierung im Bankenbereich verstärkt werde, sich andererseits aber die "Pappenheimer" in den unregulierten Schattenmarkt absetzten.

"Es ist weltweit momentan kein Konsens darüber herstellbar, diesen Bereich richtig so anzugehen wie den regulierten", wetterte Sanio. Er verwies zudem auf hoch spekulative Hedgefonds, um die sich niemand richtig kümmere.

© SZ vom 30.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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