Steueranwalt Brender:"Der Staat macht bitteren Ernst"

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Selbstanzeige als letzter Ausweg: Verängstigte Steuerhinterzieher wenden sich an Markus Brender. Ein Gespräch über eine verschwiegene Klientel.

Harald Freiberger

Die Kanzlei von Markus Brender, 52, liegt in Frankfurt ganz in der Nähe der Alten Oper am Rande des Bankenviertels. Das passt, denn mit Bankkunden hat er zurzeit viel zu tun. Sie sind aber nicht Kunden der Banken um die Ecke, sondern von ein bisschen weiter weg. Schweiz, Liechtenstein, solche Länder. Brender ist Fachanwalt für Steuerrecht, Selbstanzeigen von Steuerflüchtlingen sind seine Spezialität. Er kann schaurig-traurige und lustig-schnuffige Geschichten erzählen über eine Klientel, die am liebsten schweigt.

SZ: Herr Brender, reden wir über Geld. Wie viele Klienten betreuen Sie zur Zeit, die sich wegen Steuerhinterziehung selbst angezeigt haben?

Markus Brender: Das dürften etwa 15 sein, wegen der aktuellen Ereignisse. Die Meldungen über diese CD mit Bankdaten aus der Schweiz, die Deutschland zum Kauf angeboten wurde, haben auch die letzten Steuersünder aufgeschreckt.

SZ: Wer sind Ihre Mandanten?

Brender: Viele haben ein eigenes Unternehmen, man muss ja erst eine gewisse Substanz haben, um Geld außer Landes schaffen zu können. Ansonsten sind die Berufe verschieden: ein Augenärzte-Ehepaar, ein Zahnarzt, ein Orthopäde, ein Personalberater, ein ehemaliger Finanzvorstand in einem Unternehmen, ein leitender Angestellter im Ruhestand, eine Anwältin, auch im Ruhestand.

SZ: Eine bunte Mischung.

Brender: Es sind die sogenannten Besserverdiener. Andere haben geerbt.

SZ: Wie alt sind sie?

Brender: Meist in einem vorgerückten Alter, von 60 aufwärts. Es ist das Alter, in dem man die Dinge ordnen will.

SZ: Man will auch den Kindern seine Steuersünden nicht vererben, oder?

Brender: Auch das kommt vor. Oft wollen die Leute reinen Tisch machen. Aber es gibt auch Leute, die sagen: Das ist mir egal, das müssen die Kinder im Erbfall dann selbst wissen.

SZ: Haben sie Angst aufzufliegen?

Brender: Das rechtliche Umfeld hat sich für solche Leute in den letzten Jahren radikal verändert. Es gab vier Wellen: In den 90er Jahren die Durchsuchungen bei Banken wegen Kunden, die Geld nach Luxemburg und in die Schweiz geschafft hatten, um die Kapitalertragsteuer zu umgehen. Vor fünf Jahren Eichels Steueramnestie, die sehr günstige Konditionen bot, aber nicht besonders genutzt wurde. Vor zwei Jahren dann die Liechtensteiner CD, auf der unter anderem der Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel stand. Und jetzt die Schweizer CD. Durch den Aufkauf zeigt der Staat, dass er bitteren Ernst macht. Jeder, der die Zeichen der Zeit wahrnimmt, sieht, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist.

SZ: Für Sie als spezialisierter Anwalt ist das doch eine einträgliche Situation.

Brender: ...die ich mir so nicht gewünscht habe. Zum einen habe ich auch sonst genug zu tun, zum anderen ist es auch nicht ideal, wenn es jetzt zu einer Welle von Selbstanzeigen kommt. Das ist ein Einmaleffekt, und dann ist es vorbei.

SZ: Wie viel verdienen Sie an einer Selbstanzeige?

Brender: Ich rechne nach Stundensätzen ab. Das Honorar hängt von der Komplexität des Falles ab, aber auch von der wirtschaftlichen Bedeutung.

SZ: Und was kostet es insgesamt?

Brender: Bei normal verlaufenden Fällen sind es 5000 bis 10.000 Euro. Es gibt aber auch Fälle, die deutlich darüber hinausgehen, vor allem bei komplexen Fragen der Nachversteuerung.

SZ: Können Sie einmal einen normal verlaufenden Fall schildern?

Brender: Ein typischer Betrag für Kapital in der Schweiz ist rund eine halbe Million Euro. Wenn das Geld vor mehr als zehn Jahren angelegt wurde und man eine Verzinsung von vier Prozent und einen Spitzensteuersatz von 50 Prozent annimmt, dann werden überschlägig 135.000 Euro Nachzahlung für Steuern einschließlich der sechs Prozent Hinterziehungszinsen fällig.

SZ: Gut ein Viertel ist also weg. Das geht eigentlich, wenn man bedenkt, dass man ansonsten straffrei davonkommt.

Brender: Es gibt auch andere Fälle. Wenn es um Schwarzgeld geht, also keine Einkommensteuer auf Einnahmen gezahlt wurde, wird es deutlich teurer. Im Extremfall kann eine Selbstanzeige sogar die ganze Existenz ruinieren.

SZ: Hatten Sie einen solchen Fall?

Brender: Ich habe einen Unternehmer im Ruhestand als Mandanten, für den die Selbstanzeige nicht mehr möglich war. Er hat zwei Millionen Euro in einer Liechtensteiner Stiftung angelegt, und zwar in bestimmten Fonds. In diesem Fall wird eine extrem hohe fiktive Steuer zugrunde gelegt. Der Fall ist noch nicht entschieden, aber es kann durchaus sein, dass seine Nachzahlung höher ist als die zwei Millionen, die er besitzt.

SZ: Wie geht es ihm?

Brender: Nicht gut, er ist angespannt und schläft schlecht.

SZ: Kommt so etwas bei Ihren Mandanten häufiger vor?

Brender: Es ist wie auch sonst im Leben: Die Menschen sind sehr verschieden. Das gilt auch für die Art und Weise, wie sie an ihrem Kapital hängen.

SZ: Zum Beispiel?

Brender: Einer sagte mir erst vor kurzem: "Ach, wissen Sie, Geld kommt, Geld geht." Ich hatte auch einmal einen vermögenden Vorstand eines größeren Unternehmens, der in einer Villa wohnte. Er wollte eine Selbstanzeige abgeben, weil er von seiner Bank wusste, dass die Steuerbehörden kurz davor sind, ihn zu entdecken. Damit die Selbstanzeige gültig ist, müssen die Angaben über die Hinterziehungsbeträge vollständig sein. Darauf habe ich ihn hingewiesen. Er berichtete mir von der einen Situation...

SZ: Situation?

Brender: Von einer Steuerhinterziehung. Später, als das Verfahren schon lief, kam er und sagte, dass es da noch ein anderes Problem gibt. Er hatte also in mehreren Ländern Geld. Ich war etwas perplex. Als ich ihn darauf hinwies, dass dies die gesamte Selbstanzeige gefährdet, hat er mit den Schultern gezuckt und gesagt: Das ist eben so.

SZ: Und wie ging die Sache aus?

Brender: Glimpflich, die Steuerbehörden haben das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt.

SZ: Gibt es auch Mandanten, die weniger cool sind?

Brender: Das andere Extrem war eine Frau Ende 70. Eine typische Trümmerfrau. Sie hat sich nach dem Krieg ein Unternehmen aufgebaut hatte, war extrem sparsam und schaffte regelmäßig unversteuertes Geld in die Schweiz. Als Notgroschen, sie meinte, das stehe ihr zu, sie hatte hier kein Unrechtsbewusstsein. Am Ende war es eine Million Euro. Als die Behörden gegen sie ermittelten, war das für sie extrem belastend. Sie sah sich um die Früchte ihres Lebens betrogen. Noch bevor das Verfahren abgeschlossen werden konnte, ist sie verstorben. Das Verfahren hat wohl dazu beigetragen.

SZ: Kommt bei Ihnen manchmal Mitleid mit Mandanten auf?

Brender: Natürlich kann man seine Gefühle nicht ausschalten. Die Rolle des Anwalts ist eine Gratwanderung: Er muss loyal zu Mandanten sein und ein Vertrauensverhältnis aufbauen, ohne sich emotional vereinnahmen zu lassen. Einerseits ist Steuerhinterziehung eine Straftat, andererseits hat in einem Rechtsstaat jeder Täter Anspruch auf Rechtsbeistand. Diesen Beistand leiste ich.

SZ: Und wie ist es mit Schadenfreude?

Brender: Das wäre völlig fehl am Platz. Es kommt aber vor, dass einem ein Mandant einmal weniger sympathisch ist und ein anderer mehr.

SZ: Wer war Ihnen sympathisch?

Brender: Es gab einen leitenden Angestellten mit Geld in der Schweiz, es war gar nicht so viel. Er kam bedrückt zu mir, hinterher atmete er auf und sagte: "Jetzt kann ich mich wieder auf meinen Balkon stellen mit meiner weißen Weste."

SZ: Wie bei einem Beichtvater.

Brender: Manchmal komme ich mir so vor. Ist die Selbstanzeige eingeleitet, sind einige Mandanten sehr erleichtert.

SZ: Kommt es auch vor, dass sich jemand bei Ihnen informiert und dann gar keine Selbstanzeige macht?

Brender: Ja, erst neulich. Der ein oder andere tritt zunächst in eine Art Berechnung ein, er will wissen, was es kostet. Ich kläre sie darüber auf. Und da gibt es dann Mandanten, die sagen, das ist mir zu teuer.

SZ: Ist das kein Problem für Sie?

Brender: Wir haben ja das Anwaltsgeheimnis. Ich kläre die Leute auf und schildere ihnen die Folgen ihres Tuns. Ihre Entscheidung muss ich respektieren.

SZ: Wie wird man eigentlich Fachanwalt für Selbstanzeigen?

Brender: So würde ich mich nicht bezeichnen. Ich bin Fachanwalt für Steuerrecht und zudem für Bank- und Kapitalmarktrecht. Dieser Schwerpunkt hat sich ergeben, weil ich nach dem Examen acht Jahre lang als Jurist in der Rechtsabteilung bei der Dresdner Bank tätig war. Gegen Ende meiner Tätigkeit kam es zur ersten Welle von Selbstanzeigen, als manche Banken Besuch von der Steuerfahndung erhielten.

SZ: Waren Sie da dabei?

Brender: Ja, aber ich kann davon nichts erzählen. Nachwirkende Schweigepflicht.

SZ: Sind Sie auch heute noch gelegentlich bei Hausdurchsuchungen dabei?

Brender: Ja, wenn die Steuerfahndung an der Haustür von Mandanten klingelt, das sind die Situationen, in denen es brennt. Ich fahre dann sofort zum Mandanten.

SZ: Wie laufen solche Durchsuchungen ab?

Brender: Sehr unterschiedlich. Es gibt Steuerfahnder, die auf der Suche nach Sparbüchern sogar Handtücher durchwühlen. Es gibt andere, die sehr höflich fragen, wo der Betreffende seine Unterlagen hat und sie sich aushändigen lassen.

SZ: Warum haben eigentlich so viele Leute Geld im Ausland angelegt?

Brender: Ein häufiges Motiv bei Unternehmern ist gar nicht einmal der Wille, Steuern zu sparen. Es geht um eine eiserne Reserve. Man haftet ja, wenn es hart auf hart kommt, auch mit seinem Privatvermögen. Für solche Extremfälle wollen sie für sich und die Familie irgendwo Geld haben, von dem niemand weiß.

SZ: Wächst das Kapital im Ausland schneller?

Brender: Früher vielleicht, aber in den letzten zehn Jahren haben die wenigsten dort Vermögen aufgebaut. Es gab ja zwei Phasen, in denen die Aktienkurse eingebrochen sind. Ich habe nur wenige Depots gesehen, die im Plus sind, zum Teil gibt es erhebliche Verluste.

SZ: Wie viele Steuerhinterzieher haben Sie in Ihrem Leben schon juristisch begleitet?

Brender: Es waren sicher mehr als 100.

SZ: Und was ist Ihr Fazit: Lohnt es sich, Steuern zu hinterziehen?

Brender: Das ist kein Wort, das ich in dem Zusammenhang benutzen würde. Schließlich handelt es sich um eine Straftat. Aber wenn man über Jahrzehnte eine ordentliche Summe im Ausland angelegt hat, dann hat man Steuern in einer Dimension hinterzogen, die ein Normalverdiener nicht ersparen kann.

SZ: Also lohnt es sich.

Brender: Nicht unbedingt. Manche machen sich wegen ihres Kapitals im Ausland über Jahrzehnte Sorgen. Es ist auch schwierig, größere Beträge wieder ins Land zu holen. Geld kann sehr unfrei machen.

© SZ vom 12.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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