Experiment: Selbstanzeige:"... und dann müssen Sie nur noch zahlen"

Manche Steuerhinterzieher haben es derzeit sehr eilig, dem Finanzamt ihre Sünden zu beichten. Doch wie funktioniert das überhaupt? Ein Selbstversuch

H. Freiberger

Viel Routine scheint das Finanzamt mit Selbstanzeigen noch nicht zu haben. Eine Frage am Telefon: "Können Sie mich mit jemandem verbinden, der mir eine Auskunft zum Thema Selbstanzeige geben kann?" Die Frau von der Vermittlung verbindet mit der Steuerfahndung. Der Herr dort erklärt sich für nicht zuständig, so etwas gehe erst einmal zur Bußgeld- und Strafsachenstelle.

Finanzamt, Foto: dpa

Wer Steuern hinterzogen hat und seine Verfehlung dem Finanzamt beichtet, kann mit einem blauen Auge davonkommen.

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Man hört ihn mit seinem Kollegen reden. "Du, Selbstanzeigen, wer macht denn das, wer ist denn da die Hauptsachbearbeiterin, ist das die Frau Dings?" Ins Telefon: "Ich muss noch im Intranet schauen." Wieder zum Kollegen: "Moment, Ansprechpartner, schauen wir mal hier, nein, der wird's auch nicht sein."

Nach einigem Hin und Her findet der Mann schließlich die richtige Nummer. Es ist die von der Leiterin der Bußgeld- und Strafsachenstelle. Sie ist aber gerade nicht am Platz, man solle doch später selbst noch einmal durchrufen.

Wie geht ein Steuersünder vor, wenn er im Ausland Geld am Finanzamt vorbei angelegt hat und sich nun offenbaren will? An wen wendet er sich, wer hilft ihm weiter? Das sind Fragen, die derzeit manchen Steuersünder beschäftigen, nachdem der Staat eine CD mit Kontodaten der Schweizer Bank Credit Suisse gekauft hat und demnächst auswertet. Experten, unter ihnen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, raten zur Selbstanzeige, um einer Strafe zu entgehen. Aber wie macht man das?

Die Leiterin der Bußgeld- und Strafsachenstelle ist diskret. "Ich kann nur allgemeine Auskünfte geben", sagt sie am Telefon. Betroffene sollten eine neue Steuererklärung mit den korrigierten Daten beim zuständigen Finanzamt abgeben. Dort gebe es noch Vordrucke von zurückliegenden Jahren. Zur Not reichten auch Angaben auf einem weißen Blatt Papier.

Wichtig aber sei, dass die Angaben vollständig sind und alle nicht versteuerten Beträge und Zinsen über alle Jahre erfassen. Dann weist die Finanzbeamtin darauf hin, dass es eilt. "Wer Angst hat, entdeckt zu werden, weil seine Daten auf der CD sein könnten, müsste die Anzeige in den nächsten Tagen einreichen", sagt sie.

Es komme auf das Eingangsdatum an. Wenn der Fiskus schon Kenntnis von der Angelegenheit hat, sei es für die Selbstanzeige zu spät. Schließlich rät sie Steuersündern, einen Steuerberater oder Rechtsanwalt aufzusuchen, "wenn der Fall komplizierter ist".

Der Fall ist ebenso kompliziert wie konstruiert: Man hat seinen Eltern, die einen Handwerksbetrieb besaßen, vor acht Jahren geholfen, Schwarzgeld außer Landes zu schaffen. Ausgerechnet in die Schweiz, ausgerechnet zur Credit Suisse. 900.000 Euro waren über die Jahrzehnte zusammengekommen.

"Kommen Sie in einer halben Stunde vorbei"

Also genug, um einen der renommiertesten deutschen Wirtschaftsanwälte einzuschalten: den Frankfurter Eberhard Kempf, der in der Siemens-Korruptionsaffäre und in Sachen Hypo Real Estate tätig war. Anruf in seiner Kanzlei: Es gehe um das Thema CD und Selbstanzeige und es sei eilig, ob man einen Termin bekommen könne. "Kommen Sie in einer halben Stunde vorbei", sagt er.

Die Kanzlei befindet sich in einer Villa in der noblen Siesmayerstraße am Palmengarten. Die Zimmer sind hoch, die Wände voller Regale mit juristischer Fachliteratur. Der Rechtsanwalt lässt etwas auf sich warten, dann kommt er mit Verstärkung: "Das ist Frau Dr. Goltsche", stellt er seine junge Kollegin vor. Man arbeite immer zu zweit an solchen Fällen.

Mit welchen Kosten der Mandant rechnen müsse? "Wir berechnen das Honorar auf Stundenbasis", sagt Kempf. "Bei mir sind das 500 Euro, bei Frau Dr. Goltsche 250 Euro, aber nicht, weil sie eine Frau ist, sondern weil ich um einiges älter bin und mehr Erfahrung habe."

Selbstanzeige schützt nicht vor der Steuerschuld

Er fordert den Mandanten auf, seinen Fall zu schildern. Also: 900.000 Euro Schwarzgeld, angelegt vor acht Jahren. Kempf zieht die Augenbrauen hoch. Das ist der Moment, in dem klar wird, dass es sich um keine Bagatellsache handelt. "Es ist wahrscheinlich noch nicht zu spät, aber wir müssen schnell handeln", sagt er.

Er empfiehlt ein zweistufiges Verfahren für die Selbstanzeige: Im ersten Schritt müsse man dem Fiskus den Sachverhalt schildern, möglichst präzise alle Beträge angeben, die im Ausland angelegt wurden, die Jahre, in denen Zinsen angefallen sind und deren Höhe. "Sie müssen das nicht bis auf Kommabeträge angeben", sagt Kempf, "Kontoauszüge werden Sie ja nicht haben."

Er selbst werde dafür sorgen, dass die Selbstanzeige am nächsten Morgen beim Fiskus ist. Die Chance sei groß, dass die Daten der CD zu dem Zeitpunkt noch nicht ausgewertet sind und die Selbstanzeige damit wirksam werden kann.

"Mit der Selbstanzeige ist aber nur der strafrechtliche Teil beherrschbar", fügt er hinzu. Heißt: Der Steuersünder braucht keine Geld-, Bewährungs- oder sogar Haftstrafe zu fürchten, seine Steuerschuld muss er aber auf jeden Fall begleichen.

Und das geht ins Geld. Kempf macht die Rechnung für die 900.000 Euro auf, die der Mandant in der Schweiz angelegt hat. "Da es sich um Schwarzgeld handelt, geht rund die Hälfte nicht bezahlte Einkommensteuer sofort weg", sagt er. Das Pech des Mandanten: Hätte er das Geld vor zehn Jahren angelegt, wäre der Fall verjährt.

Zusätzlich zur Einkommensteuer werden laut Kempf sechs Prozent Hinterziehungszinsen und sechs Prozent Säumniszuschlag pro Jahr abgezogen, hinzu kommen die Anwaltsgebühren, die in einem solchen Fall schnell einen fünfstelligen Betrag ausmachen können. Wenn das angelegte Geld ordentlich Zinsen abgeworfen habe, betrage der Kontostand jetzt rund 1,35 Millionen Euro. "Rechnen Sie damit, dass 50 Prozent von Ihrem Geld weg sind, also 675.000 Euro", sagt der Anwalt.

Der Mandant ist bestürzt. "Mit so viel hätte ich nicht gerechnet", sagt er. Er fragt, ob sich da eine Selbstanzeige überhaupt lohne. Sie lohnt sich, denn würde er entdeckt, käme zur Steuerschuld noch eine hohe Geldstrafe hinzu - und eine Bewährungsstrafe. "Sie müssten mit einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung rechnen", sagt Kempf.

Eine Selbstanzeige kann viel Geld kosten

Die Leitlinien für die Strafe hat der Bundesgerichtshof vor zwei Jahren festgelegt: Bis zum Betrag von 100.000 Euro an hinterzogenen Steuern Geldstrafe, darüber Bewährungsstrafe plus Bewährungsauflage in Form einer hohen Geldzahlung, ab einer Million hinterzogenen Steuern Haftstrafe ohne Bewährung. "In Ihrem Fall käme es auch noch zu einer Hauptverhandlung vor Gericht, Sie würden öffentlich am Pranger stehen", sagt der Anwalt. Eine Selbstanzeige könne zwar viel Geld kosten, aber auch viel Ärger sparen.

Wenn der Fiskus die Selbstanzeige annimmt, lässt sich der Anwalt eine Vollmacht vom Mandaten geben, damit er alle Kontodaten von der Schweizer Bank einholen kann. Dieser Vorgang dauert mindestens sechs Wochen, danach gehen die detaillierten Angaben an das Finanzamt - die zweite Stufe der Selbstanzeige. "Wenn alles glatt läuft, haben Sie in acht Wochen Ihren Bescheid", sagt Kempf. "Und dann müssen Sie nur noch zahlen."

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