Staatsverschuldung:Verfluchtes Sparen

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Schulden über Schulden: Die Vereinigten Staaten und Europa müssen dringend sparen - aber richtig. Sonst kommt die Wirtschaft nicht in Schwung und die Krisen könnten sich weiter verschärfen. Doch wie lässt sich der Konflikt zwischen Sparen und Wachstum lösen?

Nikolaus Piper, New York

Fast eine Billion Dollar will der amerikanische Kongress sofort aus dem Staatshaushalt kürzen - mit diesem Kompromiss haben Republikaner und Präsident Barack Obama am Sonntag in letzter Minute einen künstlichen Staatsbankrott abgewendet. Gut möglich jedoch, dass das Staatsdefizit infolge dieses Kompromisses nicht fallen, sondern steigen wird.

Die USA müssen dringend sparen - aber richtig. (Foto: dpa)

Der frühere Finanzminister Lawrence Summers, ein bekennender Zyniker, machte in der Financial Times die Rechnung auf: Wenn der Sparbeschluss nur ein halbes Prozent Wachstum pro Jahr kostet, dann addiert sich dies bis 2021 auf eine Billion Dollar. Die Bilanz der ganzen Operation wäre also negativ. Kein Wunder, dass die Weltbörsen am Dienstag nervös wurden.

Im Streit um Defizite und Schulden werfen die Beteiligten immer mit Milliarden und Billionen um sich, nicht nur in Amerika. Die "Schuldenuhren" in Berlin und Washington zeigen immer absolute Beträge an. Doch diese Zahlen sind irrelevant, der entscheidende Maßstab für die Schuldenlast eines Staates ist ein Bruch, wobei im Zähler dieses Bruches die Schulden stehen, im Nenner das Bruttoinlandsprodukt.

Wenn Sparpolitik dazu führt, dass der Nenner des Bruchs (Wirtschaftsleistung) stärker sinkt als der Zähler (Schuldenstand), dann hat sich in Wahrheit die Lage verschlimmert. Genau dies dürfte dank des Kompromisses von Washington passieren.

Ökonomen wie Paul Krugman ziehen aus dem allen einen simplen Schluss und sagen: Unser Problem ist nicht das Defizit, es ist das Wachstum. Also lasst uns Wachstum fördern, am besten durch ein neues Konjunkturprogramm, dann löst sich die Schuldenfrage mehr oder weniger von selbst. Nur haben leider die Staatsschulden in fast allen Industrieländern den höchsten Stand in Friedenszeiten erreicht, also ist aktives Deficit-Spending extrem riskant.

Bisher gelten amerikanische Staatsanleihen als sicherer Hafen für Anleger, aber das ist keinesfalls garantiert. Die Ratingagenturen könnten Amerikas Kreditwürdigkeit herabstufen, jetzt erst recht.

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Eine schwere Finanzkrise zieht immer eine Periode schwachen Wirtschaftswachstums nach sich, wie die Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhardt in ihrer mittlerweile berühmten Studie herausgefunden haben. Privatleute und Staaten müssen von unhaltbaren Schuldenständen herunter und das drückt nun mal auf die Wirtschaftsleistung. Zum Teil ist das Dilemma nicht lösbar.

Was man aber in dieser Situation auf jeden Fall vermeiden sollte, ist sogenanntes "Sparen", das keine Probleme löst, sondern nur neue schafft. Wie jetzt in Washington: Die Finanzprobleme von Kranken- und Rentenversicherung - die eigentlichen Schuldentreiber - bleiben ungelöst, die Entscheidung über unpopuläre, aber unvermeidbare Steuererhöhungen wurde vertagt.

Stattdessen wird der Kongress dort kürzen, wo der Widerstand am geringsten ist, wo aber unter Umständen der größte Schaden für Jobs und Wachstum entsteht. Einen Vorgeschmack auf das, was kommen mag, gibt die Blockade der Flugsicherungsbehörde FAA durch die Republikaner im Senat. Sie kostet Arbeitsplätze und verhindert dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur.

Im übertragenen Sinne stellt sich das Problem auch in Europa. Es ist keine Frage, dass Griechenland um einen harten Sparkurs nicht herumkommt. Der Sparkurs führt jedoch automatisch dazu, dass die Wirtschaftsleistung schrumpft. Die Lage ist längst unhaltbar. Deshalb ist es so wichtig, dass Griechenland möglichst schnell die Hälfte seiner Schulden erlassen wird. Nur so kann das Land wieder auf eigene Beine kommen, lassen sich Spanien, Portugal und Italien gegen das griechische Virus immunisieren.

Die europäische und die amerikanische Schuldenkrise sind miteinander verbunden. Es kommt darauf an, dass beide Seiten lernen, mittelfristig zu einer nachhaltigen Finanzpolitik zurückzukehren, ohne kurzfristig die Volkswirtschaften in eine neue Rezession zu stürzen.

Das Debakel von Washington hat dabei viel Vertrauen zerstört: Eine kleine Gruppe konservativer Abgeordneter nimmt das Land in Geiselhaft und zwingt den Präsidenten zu einem Kompromiss, der nichts löst und die Lage unter Umständen sogar verschlimmert. Wer wollte dafür die Note Aaa geben?

© SZ vom 04.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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