Reden wir über Geld: Sven Väth:"Das Gaspedal richtig durchgetreten"

Sven Väth, Gottvater des Techno, über seine Anfänge als Muddis DJ, Ayurveda-Kuren - und wie es ist, über den Tisch gezogen zu werden.

Alina Fichter und Alexander Mühlauer

Sven Väth, 47, kommt frisch vom Sport. Er sieht sehr entspannt aus; wie überhaupt alles hier: In seinem Büro ist das Licht gedimmt, viel Holz, viel Beton. Fotografien von Andreas Gursky und eine neonfarbene Kuckucksuhr hängen an der Wand. Von diesem Betonbau im Frankfurter Industriegebiet aus steuert Väth sein Lebenswerk. 2011 feiert er Jubiläum: Seit 30 Jahren steht der DJ an den Plattentellern. Sven Väth ist, das kann man sagen, der Gottvater des Techno. Er ist Wegbereiter jener elektronischen Musik, die eine Jugendkultur schuf und bis heute Menschen weltweit zum Tanzen bringt. Ab geht's.

Discjockey Sven Väth

DJ Sven Väth: "Als ich 30 Jahre alt war, merkte ich: In dem Tempo geht's nicht weiter."

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

SZ: Sven Väth, reden wir über Geld. Wie viel verdienen Sie an einem Abend?

Sven Väth: Sie meinen, die oberste Latte? Die kommt hoffentlich noch (lacht). Aber es ist auch jetzt schon ordentlich Geld. Bis zu 50.000 Euro, wenn ich bei einer Großveranstaltung auflege.

SZ: Seit wann können Sie von Ihrer Arbeit als DJ leben?

Väth: Seit ich 16 bin. Anfangs bekam ich 50 Mark am Abend.

SZ: Sie legten im Tanzlokal Ihrer Eltern in der hessischen Provinz auf.

Väth: English Pub bitte. Meine Eltern brachten mir Singles mit, Seven Inches in großen Plastikboxen: Barry White, Diana Ross, Peter Maffay. Irgendwann wagte ich mich ans Mikrofon. Meine Mutter stand hinter der Bar und zischte: "Jetzt musst du wieder." Ich dann so ins Mikrofon: "Nun meine lieben Freunde, und jetzt ein Foxtrott."

SZ: Sven Väth lädt zum Foxtrott.

Väth: Ja gut, am Anfang. Irgendwann legte ich Kraftwerk auf und Michael Jackson. Ich war dann, wow, Muddis DJ.

SZ: Und Muddi fand das gut?

Väth: Die ist total ausgeflippt, dass ich die älteren Herrschaften entertainen konnte. Das sprach sich rum, bald kamen auch Jüngere.

SZ: Wann haben Sie gemerkt, dass Sie Talent haben, Leute zu unterhalten?

Väth: Von Anfang an. Ich war leidenschaftlicher Tänzer. Mädels anmachen in der Disco, sonntagmittags Tanztee, so kam ich zur Musik ...

SZ: ... die Sie dann ziemlich schnell wahnsinnig erfolgreich machte.

Väth: Ganz genau. Mit 21 war ich ein Popstar. Erst ging ich mit selbst gebastelten Tapes hausieren und bekam zu hören: Deine Melodie überzeugt mich nicht (lacht). Auf einmal ging es ab. Electrica Salsa war ein Megahit, das war brutal.

SZ: Wie kam es dazu?

Väth: Ich machte einen Jux, sagte "Ba-ba Ba-ba", die Leute in den Clubs hörten meine Stimme und flippten aus.

SZ: Die Single stürmte die Charts.

Väth: Plötzlich musste ich überall auftreten, Holland, Belgien, Spanien. Bravo-Starschnitte, Fototermine, Interviews. Ich so: Hey, was'n jetzt los? Mir gefiel es. Jean-Paul Gaultier stattete mich aus.

SZ: Frauen liefen Ihnen hinterher, Sie verdienten Unmengen - perfekt, oder?

Väth: Nicht ganz. Meine Mitproduzenten haben mich über den Tisch gezogen. Sie gaben mich bei der Gema nicht als Autor an. Ich schnallte erst nach ein paar Jahren, was da abging.

"Ich habe mein ganzes Erspartes auf den Kopf gehauen"

SZ: Was ging Ihnen durch die Lappen?

Väth: Die steckten Millionen ein.

SZ: Wie merkten Sie es?

Väth: Die leisteten sich von meinem Geld schicke Dinge. Ich fragte: Wie macht ihr das? Erklärt mir das System. Erst dann checkte ich, was gespielt wird.

SZ: Ein Schock für Sie.

Väth: (denkt nach) Aber hey, wisst ihr was, ich war trotzdem nicht schlecht drauf! Das hat mich total gestärkt. Ich sagte mir: Siehst du Sven, das musst du lernen. Ich merkte, dass jeder an meiner Idee mitverdienen wollte. So entstand der Wunsch, mein eigener Chef zu sein.

SZ: Hatten Sie als Selbständiger Ihr Geld dann fest im Griff?

Väth: Nicht wirklich. 1996 begann ich die Veranstaltungsreihe "Cocoon" in Frankfurt, München und Kopenhagen. Ich arbeitete ohne Sponsoren, holte eine Zirkusgruppe und Dekorationsbauer aus England, DJs aus Japan. Schon während des Events spürte ich, dass ich mich verhoben hatte. Ich habe mein ganzes Erspartes auf den Kopf gehauen.

SZ: Sie waren pleite?

Väth: Ich habe eine halbe Million Euro versenkt.

SZ: Übel.

Väth : Es hat mich kurz gerüttelt. Ich dachte, na ja, so alt bist ja noch ned, jetzt musst halt arbeiten. Ich ging auch mit mir selbst ins Gericht.

SZ: Wie denn?

Väth: Ich machte eine Ayurveda-Kur und entschlackte mich geistig.

SZ: Hört sich esoterisch an.

Väth: Na und? Ich mache jeden Oktober für zwei Wochen Ayurveda - aus dem Trubel in die Stille. Danach treffe ich wichtige Entscheidungen, sage meinen Freunden die Meinung und stelle meine Wohnung auf den Kopf. Der pure Entschlackungswahn.

SZ: Und dann stürzen Sie sich wieder ins Nachtleben?

Väth: Mein Leben ist durchstrukturiert. Welttournee, Sommersaison, Wintersaison und eben: Urlaub, Kur, Schonzeit. Drei Monate lang trinke ich keinen Alkohol, esse kein Fleisch. Ich achte darauf, mein Pulver nicht zu verschießen.

SZ: Wie meinen Sie das?

Väth: Ich leide seit Jahren unter einem Tinnitus. Den in den Griff zu bekommen, erfordert Disziplin. Ich treibe zweimal die Woche Sport mit einem Personal Trainer, gehe in die Sauna, nehme Massagen.

SZ: Was sagen Ihre alten Feierkollegen dazu?

Väth: Puh, wenn ich irgendwo hinkomme, ist die After-Hour schon geplant, alles steht Spalier und denkt: Jetzt geht's ab.

SZ: Es ging auch lange gut ab.

Väth: Ich hab das Gaspedal richtig durchgetreten. Als ich 30 Jahre alt war, merkte ich: In dem Tempo geht's nicht weiter.

"Ich klaute mir eine Sonnenliege und baute ein kleines Lager im Pinienwald"

SZ: Sie feierten weltweit die wildesten Partys. Wie war es, als Sie 1980 aus Ihrem hessischen Kaff zum ersten Mal nach Ibiza kamen?

Väth: Ich war 16, schmiss meine Schlosserlehre, meldete mich arbeitslos. Eines Morgens stand der Postmann vor der Tür und gab mir mein Arbeitslosengeld. Ich rief einen Freund an und sagte: Hey Alder, supergeil, ich hab' da richtig Cash! Komm, wir hauen ab. Nach Ibiza. Ich hab' gehört, da soll es geil sein. Wir waren drei Monate unterwegs.

SZ: Der Umschlag vom Postmann reichte drei Monate lang zum Leben?

Väth: Nein, in Ibiza angekommen, war mein Geld aus. Ich klaute mir eine Sonnenliege und baute ein kleines Lager im Pinienwald. Ich verteilte Flyer, so kam ich in die Clubs.

SZ: Wieso blieben Sie so lange dort?

Väth: Das Leben da war so ungezwungen. Riesige Open-Air-Discos, es wurden Joints geraucht und alle flirteten wie die Wilden. Verzaubert kam ich nach Hause und erzählte Muddi davon.

SZ: Wie hat sie reagiert?

Väth: Sie war baff, wie gut ich aussah, und sagte: Dann wirst du Discjockey.

SZ: Das hat Ihre Mutter gesagt?

Väth: Klar! Und ich so: Ja genau, das isses Muddi! Ich werde Discjockey.

SZ: Haben Sie Ihrer Mutter von den Drogenerfahrungen auf Ibiza erzählt?

Väth: (lächelt)

SZ: Was sagen Sie Ihrer Tochter, wenn sie nach den Abstürzen von früher fragt?

Väth: Die braucht sich nur die Videos auf YouTube anzugucken (lacht). Ich nahm meine Tochter, Muddi und Oma ohnehin von Anfang an mit zur Loveparade, mietete die Terrasse vom Café Kranzler und stellte Champagner, Konfetti und Tröten hin.

SZ: Was verbinden Sie persönlich mit der Loveparade?

Väth: In Berlin hab' ich vor 1,2 Millionen Menschen aufgelegt. Ich sah die Energie in der Luft funken. Ich hab' das gespürt. Es war der Wahnsinn. Ich war so berührt, dass ich geheult hab'.

"Auch die Deutsche Bank feiert bei uns"

SZ: Vor sieben Jahren wagten Sie sich nochmal in die Selbständigkeit, mit einem Restaurant in Ihrem Club in Frankfurt, den Sie wieder Cocoon nannten. Welche Zielgruppe hatten Sie im Kopf?

Väth: Ich wollte Leute meines Alters in den Club bekommen. Und das geht nur über den Gaumen. Auf meinen Reisen wurde ich ja selbst zum Feinschmecker. Ich probierte die japanische, italienische und südamerikanische Küche aus.

SZ: Ihr Restaurant führt dank des Kochs Mario Lohninger sogar einen Michelin-Stern. Woher kennen Sie sich?

Väth: Aus New York, 1996. Er wollte ein Autogramm von mir.

SZ: Ihr Koch ist ein Fan?

Väth: Genau. Mario steckte mir seine Visitenkarte zu und sagte, ich solle zu ihm ins "Danube" zum Essen kommen, ich nahm das erst gar nicht so recht wahr. Als ich einmal bei Hans Haas im Münchner "Tantris" aß, fragte der mich nach Mario. Also ließ ich mich beim nächsten New-York-Besuch von ihm bekochen - und wurde zum Fan von Mario.

SZ: Wie kam es zur Zusammenarbeit?

Väth: An seinem Geburtstag vor sieben Jahren begegneten wir uns, beide schon ziemlich angetrunken. Da traute ich mich zu fragen, ob er nach Frankfurt kommen wolle. Er so: Meinst Du das jetzt ernst oder was?

SZ: Sie waren ja total betrunken.

Väth: Eben. 14 Tage später kam er nach Frankfurt und guckte sich den Club an.

SZ: Und tauschte Manhattan gegen Frankfurter Industriegebiet?

Väth: Ja, es war eine Megaentscheidung. Er hatte sich in New York ja zwei Sterne erkocht bei David Bollé im "Danube", eigentlich wollte er dort sein eigenes Restaurant aufmachen. Dass er stattdessen zu mir nach Frankfurt-Fechenheim kam, ist schon - wow, überwältigend.

SZ: Der Cocoon Club hat mehr als acht Millionen Euro gekostet. Was macht einen guten Club aus?

Väth: Das Herzstück ist die Anlage, sie war auch das teuerste. Um sie baut sich der heilige Dancefloor auf. Die Anlage ist die Kanzel ...

SZ: ... und Sie der Gott?

Väth: Na ja, der DJ.

SZ: Und wer sind Ihre Jünger?

Väth: Das Publikum ist bunt durchmischt, jung, alt, abgefuckt und schick. In der Tiefgarage parken manchmal Audis und Bentleys. Vor kurzem waren Leute von der Europäischen Zentralbank da, die machten bei uns ihre Weihnachtsfeier. Auch Goldman Sachs und die Deutsche Bank feiern bei uns.

SZ: Wie lang machen Sie noch weiter?

Väth: Keine Ahnung! 20 Jahre?

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