Rachel Sherman im Interview:"Viele Reiche wollen nicht sein wie Donald Trump"

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Leben im goldenen Turm: Das Trump International Hotel in Las Vegas

(Foto: AFP)

Viele Vermögende sehen sich im Zwiespalt zwischen ihrer persönlichen Situation und sozialer Ungleichheit. Statt mit den Verlierern der Globalisierung hat die Soziologin Rachel Sherman mit den Gewinnern gesprochen.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Zu den Experten, die mal eben eine steile These in den Raum stellen, um für maximale Aufmerksamkeit zu sorgen, zählt Rachel Sherman gewiss nicht. Die Privatdozentin, die an der New Yorker New School for Social Research zum Thema soziale Ungleichheit forscht, wägt ihre Worte ab. Sie horcht lange in sich hinein, bevor sie Schlüsse zieht. Und doch erlebt die 47-Jährige gerade so etwas wie ihren ersten Shitstorm: Die Reaktionen auf ihr neues Buch "Uneasy Street" fallen teilweise heftig aus: Schon erstaunlich, sagt sie, wie viele Menschen ihr in rüdem Ton lange Mails schrieben, "nur um mich als ,Kommunistin' zu beschimpfen".

Dabei hat Sherman nicht mehr getan, als die Debatte über wachsende Ungleichheit einmal umzudrehen: Statt zu ergründen, wie es den Verlierern von Globalisierung und Digitalisierung geht, beschäftigt sie sich erstmals mit den Gewinnern. Viele Dutzend reiche New Yorker und New Yorkerinnen hat sie befragt, was sie über sich, die Welt und die Ungleichheit denken. Mit erstaunlichem Ergebnis: "Viele Reiche hadern mit ihrem Wohlstand", sagt die Soziologin im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Nicht dass jemand auf Geld und Privilegien verzichten wollte oder dass Mitleid angebracht wäre. Aber viele dieser reichen New Yorker stehen politisch eher Mitte-links und sehen sehr wohl den Zwiespalt zwischen der wachsenden sozialen Ungleichheit und ihrer persönlichen Situation."

Die meisten Reichen sind das Gegenteil von Donald Trump

Um mit ihrem Unbehagen klar zu kommen, haben viele Vermögende interessante Techniken entwickelt: Einige schneiden sofort die Preisschilder von ihren Einkäufen ab, damit die Kinderfrau nicht sieht, was das neue Kleid gekostet hat. Andere schieben Renovierungen auf, weil sie nicht wollen, dass ihr Luxus-Apartment auf Gäste noch luxuriöser wirkt. Vor allem aber versuchen sie, sich ihres Reichtums als "würdig" zu erweisen - indem sie hart arbeiten, sparsam leben und sich sozial engagieren. Auch bekannte Reiche wie Facebook-Chef Mark Zuckerberg, Microsoft-Gründer Bill Gates oder "Harry Potter"-Autorin Joanne K. Rowling fallen wohl in diese Kategorie.

Wäre also alles gut, wenn es mehr "moralisch gute" Millionäre und Milliardäre gäbe? "Mir sind moralische Reiche lieber als unmoralische", sagt Sherman. Lösen lasse sich das Problem damit aber nicht - zumal es ja auch noch Vermögende wie den amtierenden US-Präsidenten gebe. Immerhin, so die Wissenschaftlerin: "Viele Reiche wollen nicht sein wie Donald Trump, der mit seinen vergoldeten Wasserhähnen prahlt und seinen schlechten Geschmack zur Schau stellt. Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind das glatte Gegenteil davon."

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