Private Krankenversicherungen werden teurer:Ich bin privat, holt mich hier raus

Im Januar werden die Beiträge zahlreicher privat Versicherter massiv erhöht. Viele denken nun darüber nach, wie sie aus ihrem Vertrag herauskommen. Wer gerne wieder zurück ins gesetzliche System möchte, hat kaum Möglichkeiten - außer durch Tricks.

Bastian Brinkmann

Der Jahreswechsel bringt die Rechung: Wer sich privat krankenversichert, muss im Januar mit teilweise deutlichen Preissteigerungen rechnen. Beim Bund der Versicherten melden sich Kunden, deren Beiträge um vierzig Prozent und mehr steigen sollen, berichtet der Verbraucherverband.

Grippeanstieg Ende Januar erwartet

Ein Arzt spritzt einer Patientin einen Grippeschutzimpfstoff.

(Foto: dapd)

Verständlich, dass sich nun viele Privatversicherte informieren, wie sie um die Beitragserhöhungen herumkommen - oder wie sie zurück in die gesetzlichen Kassen wechseln können. Doch das ist nicht leicht. "Der Weg in die gesetzliche Versicherung ist sehr stark eingeschränkt", bestätigt Michael Wortberg aus der Verbraucherzentrale in Mainz. Wer älter als 55 Jahre ist, bleibt von einem Wechsel völlig ausgenommen, sagt das Gesetz. Wer als Angestellter mehr als 50.850 Euro* verdient, kommt ebenfalls nicht raus.

Die klaren rechtlichen Vorgaben sollen verhindern, dass jemand in jungen, wahrscheinlich eher gesunden Jahren günstige Tarife bei den Privaten mit allen Vorteilen abgreift - und später, wenn die Beiträge steigen, als tendenziell teurer Senior zurück in die gesetzlichen Kassen wechselt. Das würde das Prinzip des Solidarsystems sprengen.

Und doch berichten Barmer GEK und die Techniker Krankenkasse, dass 2010 deutlich mehr privat Versicherte zu ihnen zurückwechselten als im Jahr davor. Offenbar auch mit Hilfe der Kassen: "Es gibt Tricks, mit denen wir Privatpatienten helfen können", sagte ein Manager einer gesetzlichen Versicherung anonym dem Spiegel. Ein heikles Geständnis - denn dem Eigeninteresse folgend würden die Gesetzlichen wohl tendenziell eher gesunde Gutverdiener abwerben, die allerdings auch die Privaten in ihrem Versichertenpool brauchen.

Der Verband der Privaten Krankenversicherung zeigte sich entsprechend erbost: "Wenn eine Krankenkasse als öffentlich-rechtliche Körperschaft Beihilfe zur Umgehung des Sozialgesetzbuches leisten sollte, wäre dies ein Skandal", sagte ein Sprecher. Überhaupt gebe es keine Abwanderung aus den privaten Kassen, sondern seit Jahren stabil mehr Eintritte als Austritte.

Was Privatversicherte machen können

Den PKV-Zahlen zufolge verlassen jährlich etwa 150.000 Menschen ihre private Kasse. Demnach wechselt jeder Vierte von ihnen, weil er von der Selbständigkeit zur Festanstellung wechselt. Beihilfeempfänger machen 16 Prozent, Angestellte zehn Prozent der Wechsler aus. Der Rest sind Kinder und mitversicherte Angehörige.

Wer als Privatpatient den Beitragssteigerungen etwas entgegensetzen möchte, hat mehrere Möglichkeiten.

[] Einen Brief schreiben

Manche Versicherer haben alte Tarife dichtgemacht und junge Leute in neu geschaffenen Tarifen aufgenommen. Das bedeute jedoch, dass sich in den alten Tarifen zunehmend ältere Menschen befinden, erklärt die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in einem Info-Zettel für Privatversicherte. Ohne junge, tendenziell eher gesunde Beitragszahler kippt der Versicherungspool: Die Beitragssätze wachsen überproportional. Verbraucherzentralen raten in diesem Fall, sich auf Paragraph 204 des Versicherungsvertragsgesetzes zu berufen. Der schreibt gesetzlich den Anspruch fest, dass man aus einem geschlossenen Tarif in einen aktuell angebotenen Tarif mit gleichen Leistungen wechseln kann. Wer danach frage, werde jedoch oft abgewimmelt, oder der Fall werde nur schleppend bearbeitet, kritisiert der Bund der Versicherten. Die Verbraucherzentralen haben einen Musterbrief entwickelt, den Versicherte nutzen können (hier als Download).

[] Weniger krank sein

Versicherte können der Krankenkasse Risiko quasi abkaufen: Wer einen höheren Eigenanteil von bis zu eintausend Euro übernimmt, kann deutlich sparen. Das bedeutet aber auch, dass man von den Behandlungskosten zunächst einen bestimmten Betrag pro Jahr selbst zahlen muss. "Die Beitragsersparnis ist in der Regel erheblich größer als der Selbstbehalt", rechnet die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz vor: Bei einem Selbstbehalt von 600 Euro könne man auf eine Beitragsersparnis von 750 Euro im Jahr kommen - und somit sogar dann sparen, wenn man den Eigenanteil voll ausschöpft. Wer weniger krank ist, spart noch mehr. Wenn ein Selbstbehalt schon Teil des Vertrags ist, kann man diesen auch aufstocken.

[] Verzichten

Versicherte können sich auch downgraden lassen - in den Standard- oder Basistarif. Wer bereits vor dem 1. Januar 2009 versichert war, kann bei zu hohen Beitragszahlungen in den sogenannten Standardtarif wechseln. Der Leistungsumfang liegt dann bis auf wenige Ausnahmen auf dem Niveau der Gesetzlichen. Allerdings sei ein solcher Wechsel nur dann sinnvoll, merkt die Verbraucherzentrale an, wenn der behandelnde Arzt auch Privatpatienten zum Satz der gesetzlichen Krankenkassen behandelt. Ansonsten drohen Zuzahlungen, die jede Ersparnis zunichtemachen können.

Wer sich nach dem 31. Dezember 2008 erstmals privat krankenversichert hat, kann in den sogenannten Basistarif wechseln. Auch hier wird der Leistungsumfang gekürzt. Und wieder raten die Verbraucherschützer, die Arztrechnung zu bedenken. Der Doktor sei gesetzlich nicht verpflichtet, Privatpatienten zum Satz der gesetzlichen Krankenkassen zu behandeln.

Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zufolge sieht der behandelnde Arzt in der Regel an der Versichertenkarte, das der Tarif gewechselt wurde. Der Patient sollte jedoch den Mediziner darauf hinweisen, damit keine Missverständnisse entstehen.

Der Beitrag im Basistarif ist maximal so hoch wie der durchschnittliche Höchstsatz in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das sind nach Angaben der Verbaucherzentrale derzeit etwa 630 Euro.

[] Arbeit finden oder verlieren

Wer nicht innerhalb der Privaten wechseln, sondern diese Kasse lieber ganz verlassen will, kann dies nur in wenigen Situationen machen. Wer selbständig ist, kann nur zurück, wenn er die Freiberuflichkeit aufgibt und fest angestellt wird. Wer sich als Angestellter einmal für die private Krankenversicherung entschieden hat, kommt nur schwierig wieder hinaus: Entweder als Arbeitsloser oder wenn das Einkommen fällt: Wer ein Jahr lang weniger als 50.850 Euro* verdient, rutscht automatisch in die gesetzliche Versicherung. Doch diese Regelung lässt einen kleinen Spielraum.

[] Tricksen

Für diese nicht ganz saubere Methode braucht es einen kooperativen Arbeitgeber. Er muss das Gehalt für zwölf Monate so herabsetzen, dass der privat versicherte Angestellte unter die Entgeltgrenze fällt - dann kann er wechseln. Nach einem Jahr "Niedriglohn" könnte der Verdienst wieder steigen, wenn der Arbeitgeber da mitspielt. Ganz theoretisch könnte auch die gesetzliche Kasse die Einkommensverhältnisse falsch prüfen - doch das wäre tatsächlich illegal.

*Anmerkung der Redakion: Hier stand früher ein falscher Grenzbetrag. Danke an den Hinweisgeber.

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