Mietwohnung:Nach dem Rechten sehen

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Die Wohnung ist ein Rückzugsraum und daher für neugierige Fremde tabu. Das gilt im Prinzip auch für den Wohnungseigentümer. Aber was ist, wenn Mieter viele Jahrzehnte in der Wohnung leben? Dann darf der Vermieter sein Eigentum kontrollieren, befanden Richter.

(Foto: imago)

Für eine Besichtigung seiner vermieteten Wohnung braucht der Vermieter gute Gründe. Bei langjährigen Mietverhältnissen sieht das allerdings etwas anders aus.

Von Andrea Nasemann

Darf ein Vermieter von seinem Mieter verlangen, in die Wohnung gelassen zu werden? Immer wieder kommt es in dieser Frage zum Streit. Grundsätzlich gilt: Wie der Mieter wohnt, geht den Vermieter nichts an. Das hat jetzt das Amtsgericht München bestätigt. Die Wohnung ist ein verfassungsrechtlich geschützter Rückzugsraum, in dem der Mieter sich entfalten und gemäß seinen eigenen Vorstellungen sein Leben gestalten kann (Urteil vom 8. Januar 2016, 461 C 19626/15).

Trotzdem möchten viele Vermieter vor allem nach Jahren oder Jahrzehnten der Vermietung wissen, in welchem Zustand sich die Wohnung befindet. Neugierde allein reicht aber als Grund nicht aus. Die Richter verlangen, dass der Vermieter ein sogenanntes berechtigtes Interesse hat, um die Unterkunft zu besichtigen. Das Amtsgericht München hält zwar fest, dass der Mieter das Recht hat, in seiner Wohnung in Ruhe gelassen zu werden. Allerdings habe auch der Vermieter das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht, ein Mindestmaß an Kontrolle und Einwirkungsmöglichkeiten auf sein Eigentum zu haben.

Manche Mietverhältnisse dauern über mehrere Jahrzehnte und enden auch nicht unbedingt mit dem Tod des Mieters - schließlich haben Erben die Möglichkeit, in der Wohnung weiter zu wohnen. Der Eigentümer müsse das Recht haben, sich über den Zustand "seiner Sache" informieren zu können. Nach Auffassung des Gerichts kann daher ein Vermieter alle fünf Jahre eine Besichtigung der Mietwohnung verlangen. Sonst bestünde die Gefahr, dass der Vermieter als Eigentümer auf Jahrzehnte von jeder Kontrolle seines Eigentums ausgeschlossen sei.

Hat der Mieter einen Schaden gemeldet, darf sich der Vermieter persönlich oder in Begleitung eines Handwerkers ein Bild davon machen. Das Landgericht Oldenburg hielt deshalb die fristlose Kündigung eines Vermieters für rechtens, nachdem der Mieter die Besichtigung der Wohnung durch Handwerker verweigert hatte. Nach zehnjähriger Mietzeit habe ein erhebliches Bedürfnis des Vermieters bestanden, die Wohnung zu besichtigen. Dieser habe auch vor der Kündigung nicht zunächst eine Klage auf Zutritt zur Wohnung erheben müssen, so das Gericht (Urteil vom 3. August 2012, 6 S 75/12).

Mieter können auch ihr Mietminderungsrecht verlieren, wenn sie den Zutritt zur Wohnung nach einem Schaden verweigern. Denn dem Vermieter stehe dann immer ein Zutritts- und Besichtigungsrecht zu, urteilte auch das Landgericht Berlin. Grund: Es ist Sache des Vermieters zu entscheiden, wie der Mangel beseitigt werden soll. Das aber setze voraus, dass er diesen zuvor in Augenschein nehmen könne (Urteil vom 15. Oktober 2013, 63 S 626/12). Kein Besichtigungsrecht gestattete dagegen das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt einem Vermieter, der die Wohnung auf mögliche bauliche Mängel untersuchen, Vermessungen vornehmen und sie seiner Frau zeigen wollte. Der Mieter weigerte sich, ihn hineinzulassen - zu Recht. Die ordentliche Kündigung des Vermieters kassierte das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt (Urteil vom 27. Oktober 2014, 6 C 1267/14). Der Mieter habe durch seine Weigerung, den Vermieter in die Wohnung zu lassen, keine mietvertragliche Pflicht verletzt. Es habe kein sachlicher Grund bestanden. "Ein sachlicher Grund ist nur dann gegeben, wenn der Mieter Mängel angezeigt hat, konkrete Gefahren für die Wohnung drohen oder der konkrete Verdacht besteht, dass der Mieter die Wohnung vertragswidrig gebraucht oder seine Obhutspflichten verletzt", erläutert Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.

Kontrolle des Eigentums muss möglich sein, urteilte das Münchner Amtsgericht

Der Vermieter befindet sich auf einem schmalen Grat, wenn er die Wohnung besichtigen will. "Vermieter müssen deshalb ihren Wunsch nach Zutritt immer besonders gut begründen", sagt auch Inka-Marie Storm vom Eigentümerverband Haus und Grund Deutschland.

Ein guter Grund, die Mietwohnung zu betreten, liegt auch dann vor, wenn Messgeräte abgelesen werden müssen. Auch wenn eine Wohnung verkauft wird, muss der Mieter den Makler und Kaufinteressenten hineinlassen. Dies gilt ebenfalls für Mietinteressenten, wenn das Mietverhältnis gekündigt ist. Stellt sich der Mieter quer, kann er sogar schadenersatzpflichtig werden. In einem Fall waren die Mieter zwei Monate vor dem Mietende ausgezogen, hatten aber die Wohnungsschlüssel behalten. Deshalb war es dem Vermieter erst bei Mietende möglich, Mietinteressenten durch die Wohnung zu führen. Das Amtsgericht Wedding gestand dem Vermieter deshalb Schadenersatz zu. Die Mieter hätten ihre Pflichten verletzt, da eine Klausel im Mietvertrag vorsah, dass die Mieter im Fall einer Kündigung die Besichtigung der Wohnräume ermöglichen müssten. Die Mieter hätten somit eine frühere Neuvermietung verhindert (Urteil vom 20. Mai 1997, 11 C 211.96).

Hat der Vermieter das Recht, die Wohnung zu betreten, sollte er seinem Mieter drei Termine vorschlagen, am besten schriftlich und per Einschreiben oder Boten. "Mit dem Einwurf in den Briefkasten des Mieters gilt es dann als zugegangen", sagt Mietrechtsexpertin Storm. Weigert sich der Mieter trotzdem, den Vermieter in die Wohnung zu lassen, bleibt nur noch die Klage vor dem Amtsgericht auf Zutritt.

Auch Termine mit Maklern, Kauf- oder Mietinteressenten sollten immer abgestimmt werden. "Hinsichtlich der Besichtigungstermine sind die Belange eines berufstätigen Mieters zu berücksichtigen. Der Mieter muss auch höchstens einmal in der Woche etwa ein bis zwei Stunden für diese Wohnungsbesichtigungen zur Verfügung stehen. Fotografieren in der Wohnung ist nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Mieters zulässig", ergänzt Mietrechtsexperte Ropertz.

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