Heizstrom:Kommunen verteuern Heizstrom: Jeder Zehnte zahlt drauf

Illustration steigende Stromkosten

Dank hoher Gebühren der Kommunen gibt es für manche Heizstrom-Kunden bei der Abrechnung eine böse Überraschung

(Foto: dpa)

Obwohl es eine Anweisung des Kartellamts gibt, machen Kommunen den Heizstrom künstlich teurer, als er sein müsste. Mit Netzgebühren verhindern sie den Stromwechsel.

Von Ines Rutschmann, Finanztip-Redaktion

Wer im falschen Ort wohnt, zahlt hohe Abgaben für Heizstrom. Für manche Verbraucher ist der Aufschlag auf die normalen Stromgebühren so hoch, dass es sich nicht lohnt, den Stromversorger zu wechseln. Betroffen sind Kunden, die Wärmepumpen oder Nachtspeicherheizungen betreiben und daher eigentlich Strom zu verbilligten Konditionen beziehen können.

Diese Erfahrung machte auch ein Finanztip-Leser aus Bruchsal, der mit Nachtstrom heizt. Beim neuen Stromanbieter hätte er eigentlich rund 30 Euro weniger im Jahr gezahlt. Wenn seine Kommune nicht den Bezug von Nachtstrom durch erhöhte sogenannte Konzessionsabgaben unwirtschaftlich machen würde. Nun drohen Mehrkosten von 90 Euro.

Der Strompreis setzt sich aus mehreren Anteilen zusammen, von denen nur ein Teil beim Stromanbieter bleibt. Zu den Kosten des Stroms selbst kommen unter anderem Netzgebühren, Konzessionsabgaben, aber auch die Mehrwertsteuer. Die Konzessionsabgabe wird von den Kommunen festgelegt dafür, dass die Stromleitungen des Netzbetreibers durch ihr Gebiet laufen. Sie muss an diese eins zu eins abgeführt werden.

Die Konzessionsabgabe soll für Heizstrom maximal bei 0,11 Cent pro Kilowattstunde liegen - überall in Deutschland. Das befand das Bundeskartellamt bereits 2010 bei einer großangelegten Ermittlung gegen 24 Grundversorger für Strom. Dabei deckelte es auch die Konzessionsabgabe in deren Einzugsbereichen.

Der stadteigene Stromversorger in Bruchsal gehörte nicht dazu und fühlt sich auch nicht an die Regelung gebunden. Das Problem gibt es nicht nur in Bruchsal: Schätzungsweise jeder zehnte Heizstromkunde in Deutschland zahlt erhöhte Konzessionsabgaben - abhängig allein vom Wohnort.

Stromanbieter: "Wir verlieren dadurch Kunden"

Seit Jahren wechseln nur wenige Kunden ihren Anbieter für Heizstrom. Neue Stromverträge gab es 2016 nur für 90 000 Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen - das entspricht einem Anteil von gerade einmal 4,4 Prozent. Wer aber mit Strom heizt, für den ist der Wechsel zu einem günstigen Anbieter eigentlich besonders attraktiv.

Dass es bei einem Wechsel häufiger zu Problemen mit den Konzessionsabgaben kommt, bestätigten gleich zwei Stromanbieter gegenüber Finanztip, die aber nicht namentlich erwähnt werden wollen. Der neue Versorger des Bruchsaler Heizstromkunden erlebt regelmäßig, dass Kommunen eine höhere Abgabe als 0,11 Cent pro Kilowattstunde verlangen. Trotz der Regelung durch das Kartellamt machten manche weiter, wie es ihnen in den Kram passe, erklärt der zuständige Sachbearbeiter, "wir verlieren dadurch Kunden". Das Unternehmen sieht die Bundesbehörden in der Pflicht, hier zu klären.

Doch das Bundeskartellamt sieht das auf Nachfrage nicht so. Es begnügt sich damit, dass Heizstromkunden in weiten Teilen Deutschlands die niedrigere Konzessionsabgabe zahlen. Schließlich decken die 2010 untersuchten Unternehmen etwa 70 Prozent des relevanten Marktes ab.

Gesetzliche Klärung dringend nötig

Ein anderer Stromversorger, den Finanztip zu seinen Erfahrungen befragt hat, ist ebenfalls regelmäßig mit überteuerten Konzessionsabgaben konfrontiert. Er lässt die hohen Gebühren nicht auf sich beruhen und versucht zu verhandeln: Manchmal sei das erfolgreich, erzählt die Rechtsreferentin des Unternehmens. Die Firma versorgt rund 7000 Kunden mit Heizstrom - etwa jeder Zehnte zahlt trotzdem höhere Abgaben. In der Regel verwiesen die Netzbetreiber darauf, dass das Gutachten des Bundeskartellamts eben keine höchstrichterliche Entscheidung sei.

"Eine gesetzliche Klärung ist dringend notwendig", sagt die Juristin. Leider sei die Aussicht, diese Praxis gerichtlich unterbinden zu können, eher klein. Deshalb müsse der Gesetzgeber in der entsprechenden Verordnung KAV die Konzessionsabgaben auf Heizstrom deckeln.

Kunde zahlt 108 statt 16 Euro im Jahr - wegen höherer Abgaben

In unserem Fall in Bruchsal zahlt unser Heizstromkunde 1,59 Cent pro Kilowattstunde am Tag und 0,61 Cent pro Kilowattstunde bei Nacht. Ihm entstanden so allein im vergangenen Abrechnungsjahr Kosten in Höhe von rund 108 Euro (inklusive Mehrwertsteuer). Gerade mal rund 16 Euro wären es mit dem vom Kartellamt abgesegneten Abgabensatz von 0,11 Cent gewesen.

Die Stadt Bruchsal und ihr Netzbetreiber erklären übereinstimmend, die Einschätzung des Bundeskartellamts sei eine vorläufige Rechtsauffassung und nicht rechtlich bindend. Sie berufen sich bei der Erhebung der Abgaben allein auf die Konzessionsabgaben-Verordnung (KAV).

Höhere Abgaben behindern Wettbewerber im Heizstrommarkt

Im Kartellamtsgutachten von 2010 heißt es, Wettbewerber würden erheblich behindert, wenn eine Kommune ungerechtfertigt hohe Konzessionsabgaben festlege. Das erlaube einer Kommune mit eigenem Stadtwerk, Strom mit sehr geringer oder ohne Gewinnmarge anzubieten - und so die Konkurrenz auszubooten.

So ist es auch bei dem genannten Heizstromkunden aus Bruchsal: die Preise der Stadtwerke Bruchsal sind überraschend niedrig - ähnlich wie die günstigsten Tarife im Markt. Im Gegensatz zu den Stadtwerken kalkuliert die Konkurrenz aber mit den niedrigeren vom Kartellamt abgesegneten Konzessionsabgaben. Nachdem der neue Versorger unseres Lesers um die höheren Kosten wusste, konnte er seinen günstigen Heizstrompreis nicht halten. Für den Kunden bedeutet dies in letzter Konsequenz: Das heimische Stadtwerk zu verlassen lohnt sich nicht.

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