Handwerk:Hilfe, noch ein Auftrag

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Die meisten Handwerksbetriebe sind für die nächsten Monate schon ausgebucht. Wer sein Haus renovieren will, braucht derzeit viel Geld - und viel Geduld.

Von Simone Gröneweg

Die Deutschen gelten als begeisterte Heimwerker. Eine Do-it-yourself-Welle schwappt seit einigen Jahren durchs Land. Doch immer wieder gerät man als Laie an die Grenzen seiner Fähigkeiten. Funktioniert die Heizung nicht mehr oder benötigt die Hausfassade einen Anstrich, ist der Fachmann gefragt.

Kunden sollten jedoch Geduld aufbringen. Wer einen soliden Handwerker beauftragt, muss mitunter einige Wochen Vorlaufzeit in Kauf nehmen, heißt es bei den Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern in Deutschland. "Wir haben kürzlich eine Konjunkturumfrage beendet. Die Werte sind besser ausgefallen als in den vergangenen zehn Jahren. Zum Teil gaben Betriebe an, dass sie für die kommenden zwölf Wochen ausreichend Aufträge haben", berichtet Torsten Heidemann, Sprecher der Handwerkskammer Oldenburg. Triebfeder des Ganzen sei die Hochkonjunktur im Baubereich, erklärt er. Ob Elektriker, Heizungsbauer, Maler oder Schreiner - die Betriebe dürfen sich über steigende Umsätze und dicke Auftragspolster freuen. "Im Handwerk läuft es richtig rund", resümierte auch Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), als er den jüngsten Konjunkturbericht vorstellte.

Schulabsolventen zieht es eher zur Fachhochschule oder zur Universität

"Seit ungefähr zwei Jahren ist die Auftragslage wirklich richtig gut", sagt auch Maler- und Lackiermeister Siegfried Huber aus Höhenkirchen bei München. Das gelte speziell für den Fassadenbereich. Der Betrieb in dritter Generation hat fünf Angestellte. Insgesamt arbeiten dort drei Meister, zwei Gesellen und ein Lehrling. Wer seine Fassade streichen lassen möchte, sollte sich möglichst ein halbes Jahr vorher melden und berücksichtigen, dass solche Arbeiten nur in der wärmeren Jahreszeit erledigt würden, betont Huber. Das war nicht immer so. Kurz nach der Finanzkrise war die Verunsicherung groß, die Menschen hielten sich mit Investitionen zurück. "Ende 2009 bis Anfang 2010 hatten wir eine wirtschaftliche Delle. Da war es deutlich ruhiger", erinnert er sich. Acht Jahre später brummt es.

Der deutschen Wirtschaft geht es gut. Gleichzeitig hat die Europäische Zentralbank die Zinsen nach unten gedrückt, die Zinswende lässt auf sich warten. "Viele Hausbesitzer und Hausbauer investieren lieber in eine energetische Sanierung, anstatt ihr Kapital zu Nullzinsen zu parken", kommentierte die Berliner Handwerkskammer den Boom. Kunden müssen mit ihren Projekten zwangsläufig so lange warten, bis die Fachleute Zeit haben. "Die meisten haben dafür Verständnis", berichtet Huber. Die Kunden könnten durchaus nachvollziehen, dass er nicht zaubern könne. "Manchmal ergibt sich auch eine Lücke, dann kann ich einen Auftrag schneller erledigen als gedacht", sagt er.

Die Engpässe bei den Betrieben lassen sich nicht nur mit der Vielzahl an Aufträgen begründen. Viele Unternehmen haben zudem Schwierigkeiten, Fachkräfte zu bekommen. Zwar gibt es nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks mehr Neueinstellungen, dennoch suchen viele Meister erfolglos nach geeigneten Lehrlingen. Selbst in ehemals strukturschwachen Regionen hat sich die Zahl der Bewerber reduziert. "Meldeten sich früher vielleicht 40 Leute für eine Lehrstelle, sind es jetzt noch vier", schildert Heidemann von der Handwerkskammer Oldenburg die Erfahrungen der Betriebe. Schulabsolventen zieht es eher zur Fachhochschule oder zur Universität. Hat ein Betriebsinhaber Schwierigkeiten, mit qualifiziertem Personal aufzustocken, lehnt er am Ende lieber einen Auftrag ab. "Viele Handwerker wollen ihren Betrieb nicht um jeden Preis aufblähen. Das würde ihrem Selbstverständnis widersprechen und sie haben Angst vor Qualitätseinbußen", erklärt Heidemann.

Erst den Rasen mähen, dann das Bad fliesen - in vielen Berufen ist kein Qualifikationsnachweis nötig

Mitunter schlägt sogar selbst der Nachwuchs aus der Handwerkerfamilie lieber einen akademischen Weg ein, sodass der Betrieb verkauft werden muss. Diese Erfahrung hat Bernhard Wächter gemacht. Er berät Unternehmer, die ihren Betrieb veräußern wollen. "Allgemein geht es den Handwerkern gut, die Auftragsbücher sind voll", sagt er. Aber mitunter schrecke der zunehmende Stress den Nachwuchs ab. Daran seien neue Vorschriften und Auflagen sowie die Digitalisierung mit schuld. Viele Kunden haben zum Beispiel mittlerweile die Erwartung, dass ein Handwerker immer erreichbar ist - schließlich hat er ein Smartphone. Wer gerade einen Auftrag ausführt, kann jedoch nicht jeden Anruf entgegennehmen. Dafür müssen Kunden Verständnis haben.

Und genauso müssen sie sich mit einer Wartezeit abfinden. Wer das nicht möchte, landet am Ende vermutlich bei einem sogenannten Allrounder ohne qualifizierte Ausbildung. "Seit der Handwerksnovelle 2004 kann sich in vielen Handwerksberufen jeder, der das möchte, ohne irgendeinen Qualifikationsnachweis selbständig machen. Frei nach dem Motto: Morgens mähe ich den Rasen, abends fliese ich das Bad", sagt ZDH-Generalsekretär Schwannecke. Darunter leide vielfach die Qualität. Er rät Verbrauchern, gezielt im eigenen Ort nach Handwerkern zu suchen. Wer niemanden kennt, kann sich zum Beispiel auf den Internetseiten der Handwerkskammern an Ort und Stelle einen Überblick verschaffen. "Man sollte Empfehlungen nutzen und sich dann direkt an die Betriebe wenden", empfiehlt Schwannecke. Und zwar möglichst an Unternehmen, die über ein Qualitätssiegel verfügen. "Am besten baut man ein langfristiges Verhältnis auf", sagt er. Wird eine Heizung regelmäßig von einem Installateur gewartet, geht sie vielleicht nicht so schnell kaputt. Und falls doch, fühlt sich der eher verantwortlich. Kann ein Handwerker vor Ort einen Auftrag nicht selbst annehmen, hat er vielleicht einen guten Tipp parat.

Siegfried Huber hat sich jedenfalls ein umfangreiches Netzwerk aufgebaut. Wenn er auf einen extremen Engpass zusteuert, spricht er mit den Inhabern anderer Handwerksbetriebe. Im Notfall kann jemand anders einspringen. "Wir kennen uns von verschiedenen Projekten. So weiß ich, dass die Kollegen gute Arbeit abliefern", erzählt er und macht gleich noch einmal Werbung fürs Handwerk. "Für mich ist es schwer nachzuvollziehen, dass die junge Generation sich dafür nicht mehr begeistern kann. Ich habe meine gestalterische Freiheit, eine abwechslungsreiche Arbeit und am Ende des Tages sehe ich das Ergebnis", sagt er. Das kann nicht jeder von sich behaupten.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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