Girokonten:Das Gratis-Geschäftsmodell der Banken ist am Ende

Deutsche Bank to Raise EU9.8 Billion for Postbank

Mit 5,3 Millionen Girokonten ist die Postbank im Privatkundengeschäft das größte Einzelinstitut in Deutschland.

(Foto: Bloomberg)

Die Postbank schafft das Kostenlos-Konto ab. Umsonst gab es aber ohnehin nie etwas - das war immer ein Marketing-Trick.

Kommentar von Harald Freiberger

Viele Geldhäuser haben in den vergangenen Monaten die Gebühren erhöht. Das ist nichts Neues. Die Geldhäuser, große und kleine, reiche und arme, verlangen mehr Geld für die Kontoführung, für Kreditkarten, für Überweisungen. Dass nun eine weitere Gebühr hinzukommt, wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es sich nicht um die Postbank handelte. Dass aber ausgerechnet sie das kostenlose Girokonto für die Mehrheit ihrer Kunden abschafft, hat eine enorme faktische und symbolische Bedeutung. Es zeigt, wie dramatisch die Situation der Privatkundenbanken in Deutschland inzwischen geworden ist.

Die Postbank ist mit 5,3 Millionen Girokonten das größte Einzelinstitut im Filialbereich. Mehr Kunden haben nur die Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Allein von der Masse der betroffenen Kunden her ist die Kontoumstellung der Postbank deshalb ein gewaltiger Schritt. All jene, bei denen im Monat zwischen 1000 und 3000 Euro Einkommen auf das Konto fließen, zahlen von November an überhaupt erstmals eine Gebühr: 3,90 Euro im Monat. Das hat viele erschreckt, entsprechend groß ist das öffentliche Echo.

Das Gratiskonto war immer ein Werbetrick

Die symbolische Bedeutung liegt darin, dass die Postbank das erste Filialinstitut in Deutschland war, das vor zwei Jahrzehnten die Gratis-Kultur beim Girokonto eingeführt hat. Das war damals eine Botschaft an die Kunden: Wir sind die günstigsten, bei uns gibt es sogar etwas umsonst.

In Wahrheit war dies immer eine Illusion. Bei der Bank gab es nichts umsonst, das Gratis-Konto war nur eine geschickte Marketing-Methode, die mehrere Institute inzwischen perfektioniert haben. Manche werfen den Kunden sogar noch Geld hinterher, wenn sie zu ihnen kommen. Denn das Girokonto ist der Anker, um den sich bei einer Privatkundenbank alles dreht. Sie erfährt darüber alles über seine finanziellen Verhältnisse, sie kann ihm dann Produkte verkaufen, mit denen sie verdient: Baufinanzierungen, Versicherungen, Ratenkredite. Und außerdem konnte die Bank das Geld, das die Kunden auf dem Girokonto liegen hatten, noch "arbeiten" lassen: Sie brauchten es nur in sicheren Staatsanleihen anzulegen und kassierten dafür Zinsen. Insofern war das Gratis-Konto noch nie gratis, denn der Kunde zahlte mit seinen unverzinsten Einlagen.

Doch in Zeiten des Null- und Negativzinses ist es damit vorbei. Die Postbank gesteht offen ein, dass dies der Hauptgrund für die Gebührenerhöhung ist. Wenn ihr ein Kunde heute 10 000 Euro bringt, kann sie das Geld nicht mehr arbeiten lassen. Sie muss im Gegenteil bei der Zentralbank dafür einen Strafzins zahlen. Den Negativzins an die Privatkunden weiterzugeben, ist schwierig. Bisher hat nur die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee diesen Schritt gewagt. Es ist nicht zu erwarten, dass viele andere folgen werden. Dann zu groß ist die Gefahr, dass die Kunden fliehen und nicht wiederkommen, wenn die Bank mit den Einlagen vielleicht wieder verdient.

Die Kunden könnten massenhaft abwandern

Die Erhöhung der Gebühren wirkt wie der letzte Strohhalm, an den sich eine Branche in Not klammert. Auch dabei besteht die Gefahr, dass sich die Kunden abwenden. Viele Postbank-Kunden tauschen in den sozialen Netzwerken schon die Namen von Instituten aus, bei denen es noch ein kostenloses Girokonto gibt. Meist handelt es sich um Direktbanken. Sie können sich das eher leisten, weil sie keine teuren Filialen finanzieren müssen.

Bei den Filialbanken aber ist nicht abzusehen, wo künftig die Erträge herkommen sollen. Die Zinsen dürften noch Jahre nahe null bleiben, damit bleibt die zentrale Einkommensquelle der Vergangenheit verschlossen. Gleichzeitig kommen aus der Start-up-Szene immer mehr junge Unternehmen, die Banken gerade im standardisierten Geschäft, zum Beispiel beim Zahlungsverkehr, Konkurrenz machen. Baufinanzierungen boomen zwar gerade, aber auch dieser Trend wird irgendwann schwächer. Und im Kreditgeschäft mit dem Mittelstand wollen immer mehr Banken ein Stück von einem Kuchen abschneiden, der nicht größer wird.

Es führt kein Weg daran vorbei, die Bankenbranche in Deutschland muss weiter konsolidieren, wie Experten das nennen. Es gibt zu viele Banken mit zu vielen Filialen und zu vielen Mitarbeitern gemessen an den Verdienstmöglichkeiten, die für Geldhäuser noch bestehen. Viele werden verschwinden oder fusionieren müssen. Dieser Prozess hat noch gar nicht richtig begonnen. Die goldenen Zeiten für Sparkassen, Genossenschaftsbanken und andere Privatkundeninstitute sind vorbei. Das alte Geschäftsmodell wurde zu Grabe getragen, ein neues ist nicht in Sicht.

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