Gesundheitspolitik:Versicherte müssen viel mehr zahlen

Lesezeit: 2 min

Keine Entwarnung für Krankenversicherte: Nach dem Aus für die Kopfpauschale denkt Gesundheitsminister Rösler schon über neue Beitragserhöhungen nach.

D. Kuhr und M. Szymanski

Nach der massiven Kritik an der geplanten Kopfpauschale will Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ein neues Konzept zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erarbeiten. Er habe sich mit den Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP darauf geeinigt, im kommenden Jahr vier Milliarden Euro im Gesundheitssystem einzusparen, sagte Rösler am Freitag in Berlin. In den kommenden zwei Wochen werde er dazu Gespräche mit den Gesundheitsexperten aus Union und FDP führen.

"Bambus wiegt sich im Wind, biegt sich im Sturm, aber er bricht nicht." Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) auf die Frage, ob er wegen der Querelen mit der CSU über die Reform zur Kassenfinanzierung an Rücktritt gedacht habe. (Foto: dpa)

Auch bei einem neuen Modell müssten die gesetzliche Krankenversicherten jedoch mit höheren Zusatzbeiträgen rechnen, stellte Rösler klar. Als Größenordnung nannte er 15 bis 20 Euro. Insgesamt nämlich werde 2011 in der GKV ein Defizit von elf Milliarden Euro erwartet.

Bei Einsparungen von vier Milliarden Euro klaffe daher immer noch eine Lücke von sieben Milliarden. Um die zu finanzieren, seien Zusatzbeiträge erforderlich. Für Geringverdiener werde es aber einen Sozialausgleich aus Steuermitteln geben, sagte Rösler. Dazu bekommt der Minister für 2011 zusätzlich zwei Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt. Von den fehlenden sieben Milliarden Euro müssen die Versicherten somit letztlich fünf Milliarden Euro selbst tragen.

Heftige Proteste aus der CSU

Ursprünglich hatte Rösler geplant, künftig neben den Krankenkassenbeiträgen eine pauschale Gesundheitsprämie von durchschnittlich 30 Euro im Monat zu erheben. Die Beiträge der Versicherten sollten nicht mehr einheitlich bei 7,9 Prozent liegen, sondern nach dem Einkommen gestaffelt werden. Auch sollte der Arbeitgeber-Beitrag zur GKV von sieben auf 7,3 Prozent steigen. Gegen diese Vorschläge hatte es heftige Proteste - vor allem aus der CSU - gegeben. Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder hatte sie als unsozial, nicht praxistauglich und "absolut nicht zukunftsfest" bezeichnet.

In einem Krisentreffen im Kanzleramt hatten sich die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) am Donnerstag mit Rösler auf Eckpunkte für ein neues Konzept geeinigt. Man will nun zunächst über Einsparmöglichkeiten sprechen, bevor Beitragserhöhungen erwogen werden. Rösler erwartet dazu konkrete Vorschläge aus der CSU.

CSU-Chef Horst Seehofer sagte, es sei "richtig, dass sich die Koalition darauf verständigt habe, jetzt primär auf die Ausgabenseite zu schauen". Konkrete Sparvorschläge machte er am Freitag aber nicht, eben so wenig wie der Gesundheitsexperte der CSU, Johannes Singhammer.

Zusätzliches Einnahmepotenzial durch Praxisgebühr

Singhammer dementierte jedoch, dass die CSU beabsichtige, die Praxisgebühr künftig bei jedem Arztbesuch erheben zu wollen. "Das trifft nicht zu." Dennoch wird in der CSU überlegt, die Praxisgebühr auf zusätzliches Einnahmepotenzial zu überprüfen.

Singhammer verwies auf den Koalitionsvertrag, darin seien genügend Ansatzpunkte für Einsparungen aufgeführt. Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem mehr Wettbewerb unter den Kassen vor. Wer gesundheitsbewusst lebt und den Kassen Kosten spart, soll Vorteile haben. "Das müssen wir jetzt Punkt für Punkt umsetzen", sagte Singhammer. Das Konzept von Rösler sei jedenfalls "nicht mehr Grundlage der weiteren Beratungen".

Ganz hat sich der Gesundheitsminister allerdings noch nicht von seiner Idee einer Kopfpauschale verabschiedet. Die nach wie vor klaffende Lücke von sieben Milliarden Euro will er jetzt durch eine einkommensunabhängige Teilpauschale schließen. Dazu soll das System der Zusatzbeiträge weiterentwickelt werden, die Krankenkassen schon jetzt erheben müssen, wenn sie mit den Mitteln aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen. Auch die Idee von gestaffelten Beiträgen je nach Einkommenshöhe bleibt für Rösler weiter eine Option.

Opposition: "Rösler endgültig gescheitert

Nach Einschätzung der Opposition ist Rösler endgültig gescheitert. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, er solle "seinen Hut nehmen". Niemand wolle seine Kopfpauschale, "nicht einmal die eigene Regierungskoalition". Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, die CSU habe Rösler "abgewatscht".

Die Gesundheitsexpertin der Linksfraktion, Martina Bunge, riet, er solle die Idee einer Kopfpauschale aufgeben.

Die von Rösler geplante Anhebung des Arbeitgeber-Beitrags auf 7,3 Prozent ist dagegen vom Tisch. "Angesichts des vereinbarten Einsparvolumens von vier Milliarden Euro können wir darauf verzichten", sagte der Minister.

© SZ vom 05.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: