Euro-Länder:Solidarität zu Lasten Deutschlands

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Ein Herz für schwache Euro-Länder: Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker will, dass die Mitglieder der Währungsunion gemeinschaftliche Anleihen ausgeben. Der Clinch mit Berlin ist programmiert.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Die Bundesbürger müssen sich auf höhere Kosten einstellen, um die gemeinsame Währung stabil zu halten. Der Sprecher der 16 Euroländer, Jean-Claude Juncker, will die Solidarität der Partner untereinander stärken und gemeinschaftliche Anleihen einführen. Er werde in den nächsten Tagen einen entsprechenden Vorschlag vorlegen, kündigte Juncker im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung an. "Das ist ein intelligenter Weg, um wirtschaftlich schwächere Euroländer auch künftig für Investoren attraktiv zu halten", sagte Juncker. Sollten die europäischen Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel im Dezember beschließen, einen ständigen Rettungsschirm über die Eurozone aufzuspannen, der vor allem bilaterale Hilfen vorsieht und private Gläubiger wie Banken an den Folgen von Staatskrisen beteiligt, gebe es zur zusätzlichen Einführung eines gemeinschaftlichen Instruments "keine Alternative", erklärte Juncker.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker liegen derzeit öfters über Kreuz: Beim EU-Gipfel Ende Oktober in Brüssel vertraten die zwei Regierungschefs dezidiert unterschiedliche Auffassungen zum künftigen Euro-Stabilitätspakt - nun prescht der Luxemburger mit einem Vorschlag für gemeinsame Euro-Anleihen nach vorne. Diese lehnt Berlin entschieden ab. (Foto: AFP)

Künftig sollen die Euroländer solidarisch für einen Teil der Gesamtschulden haften. Die Grenze soll bei dem Schuldenstand liegen, der 60 Prozent der Wirtschaftskraft jedes Eurolandes entspricht - so viele Schulden sind nach EU-Regeln gerade noch erlaubt. Diese Schulden sollten gebündelt und kollektiv garantiert werden, fordert Juncker. Für alle darüber liegenden Schulden müssten die Länder national haften. Dies würde Investitionen in allen Euroländern attraktiv machen und die Regierungen zum soliden Wirtschaften anhalten, sagte Juncker. Die bisherige Ankündigung der EU-Chefs provoziere unter den Marktteilnehmern das Gegenteil, nämlich die Annahme, dass es besser sei, sich aus schwächeren Ländern fernzuhalten, weil dort die Risiken unkalkulierbar oder die Renditen zu gering seien. Es sei zwar richtig und nachvollziehbar, die Steuerzahler zu entlasten. Ebenso nötig sei es jedoch, die Finanzmärkte zu beachten. "Wir müssen eine kluge europäische Lösung finden, die beider Interessen berücksichtigt", sagte Juncker.

Zuvor hatte bereits der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, gewarnt, Investoren könnten sich aus klammen Euroländern zurückziehen und die Kosten der Krise erhöhen. Am vergangenen Freitag war auf dem EU-Gipfel beschlossen worden, den neuen "permanenten Krisenmechanismus" vorzubereiten, der den jetzigen Rettungsschirm für klamme Euroländer 2013 ablöst. Seitdem steigen die Risikozuschläge auf irische, portugiesische und griechische Staatspapiere teilweise auf Rekorde. Ein irischer Diplomat in Brüssel räumte ein, die Ankündigung erhöhe kurzfristig die Kosten der dramatischen Krise. Seine Regierung stehe vor der Herausforderung, die Märkte in den nächsten Wochen zu überzeugen, dass es sich lohne, in Irland zu investieren.

Junckers Vorstoß dürfte neuen Streit mit Berlin provozieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte auf dem letzten EU-Gipfel jegliche neuen Gemeinschaftsinstrumente ausgeschlossen und betont, es sei logisch, dass schwächere Staaten künftig höhere Risikoaufschläge zahlen könnten. Anders als Merkel kann Juncker allerdings auf massive Unterstützung aus den nationalen Regierungen und dem EU-Parlament zählen. Das Parlament muss den "permanenten Krisenmechanismus" billigen und kündigte bereits Nachbesserungen an.

© SZ vom 06.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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