EU forciert eigene Steuer:Sinniger als der Ist-Zustand

Lesezeit: 2 min

Welches Land zahlt wieviel für Europa? Der Brüsseler Etat kommt eher durch Kuhhandel als durch sachgerechte Entscheidungen zustande. Eine Reform ist daher dringend nötig - eine EU-Steuer wäre ein Werkzeug dazu.

Alexander Hagelüken

Es ist ein Thema wie gemacht für die nachrichtenarme Zeit. Die Europäische Kommission will die EU-Bürger mit einer eigenen Steuer zur Kasse bitten, um ihre Ausgaben zu finanzieren. Eine Steuer für Europa? Das garantiert Aufregung unter den Deutschen, von denen viele den Eurokraten in Brüssel ohnehin misstrauen.

Euro-Scheine in einer Kasse: Flösse eine Steuer für die Europäische Union direkt von den Bürgern nach Brüssel, würden die Steuerzahler womöglich eher darauf achten, wie sinnvoll die Mittel verwendet werden. (Foto: ag.ddp)

Die Schuldenkrise hat die Bundesregierung dazu gezwungen, die versprochenen Steuersenkungen zu beerdigen und stattdessen auch noch zu sparen. Angesichts dieser Belastungen wird mancher Deutsche die EU-Steuer als zusätzlichen Tort empfinden. Doch ein genauerer Blick zeigt, dass die Idee durchaus sinnvoll ist.

Die Deutschen zahlen ja schon für Europa. Im Schnitt überweist jeder Bundesbürger dieses Jahr 260 Euro für den Brüsseler Etat. Er merkt es nur nicht, weil es formell die Bundesregierung in Berlin ist, die den deutschen Beitrag von gut 20 Milliarden Euro leistet. Und weil der ganze Brüsseler Etat von rund 120 Milliarden Euro im Jahr ein Gewirr von Einnahmen und Ausgaben ist, das kaum ein Bürger zu durchschauen sich die Mühe macht.

Eine EU-Steuer wäre keine zusätzliche Belastung, sie würde zumindest zum Teil an die Stelle nationaler Überweisungen der Regierungen treten. Der Bürger würde sie aber direkter fühlen. Und das ist eine Chance: Wer für einen bestimmten Zweck bezahlt, der beschäftigt sich genauer damit.

Deshalb prüfen viele Deutsche Müllgebühren stärker als die ungleich höheren Krankenkassenbeiträge, die vom Lohn abgehen. Wenn die Bürger direkt für Europa zahlen, analysieren sie vielleicht genauer, wohin ihr Geld fließt. Sie fragen sich womöglich, warum im 21. Jahrhundert ein Großteil des Etats in die dominante Branche des 18. Jahrhunderts, die Landwirtschaft, fließt.

Und sie wollen womöglich wissen, ob die jahrzehntelange Förderung schwacher Regionen sinnvoll ist oder ob sie wie im Fall Griechenland nur zu Misswirtschaft führt. Eine Steuer wäre die Chance, den Brüsseler Etat zu reformieren.

Eine EU-Steuer würde auch das zunehmende Gewicht widerspiegeln, das Entscheidungen in Brüssel haben. Wie die Deutschen leben, ob als Arbeitnehmer oder Verbraucher, wird immer weniger im Bundestag und schon gar nicht in Landtagen entschieden, sondern immer häufiger auf europäischer Ebene. Nur: Der Bürger mischt sich dabei zu wenig ein, er missachtet etwa die Wahlen zum EU-Parlament, das mehr Macht hat als nationale Parlamente. Vielleicht fühlt er sich über den Geldbeutel aufgefordert, sich an Entscheidungen zu beteiligen.

Wer eine solche Steuer will, muss sie richtig ausgestalten. Abgaben mit politischem Lenkungsziel sind ungeeignet - so wie die Luftverkehrsabgabe oder die Steuer auf Finanzgeschäfte, die Brüssel als Beispiel nennt. Denn sobald die Europäer wie gewünscht weniger fliegen oder die Banken weniger spekulieren, hätte Brüssel weniger Geld für seine Aufgaben. Das ist kein logischer Mechanismus.

Noch wichtiger wäre, bei der Finanzierung des Etats weiterhin scharfe Kontrolleure zu haben. Bisher achten Länder wie Deutschland, die in den Haushalt mehr einzahlen, als sie herausbekommen, auf Spardisziplin.

Ob die Bürger auf die Verwendung ihrer Steuer achten würden, weiß noch niemand. Es droht eine Verschwendung von Geld, jedenfalls so lange, bis sich die Bürger endlich als politische Akteure in Europa und nicht nur in ihrem Heimatland begreifen. Deshalb spricht viel dafür, den Brüsseler Haushalt auch künftig zum Teil von den Regierungen bestreiten zu lassen, die wie die deutsche in der Kontrolle geübt sind.

Die Bundesregierung lehnt eine EU-Steuer ab, sie fürchtet um ihre Macht bei der Festlegung des Etats. Die Regierung sollte sich fragen, ob der gegenwärtige Zustand der beste ist. Da zahlen Staaten wie Großbritannien weniger,als ihrer Wirtschaftskraft entspricht, weil sie vor Dekaden Rabatte ausgehandelt haben. Und vor jeder siebenjährigen Finanzperiode feilschen die nun 27 Regierungen jahrelang um eine Lösung, die von Kuhhandel geprägt ist. Der EU-Etat braucht dringend eine Reform. Eine Steuer wäre ein Werkzeug dazu.

© SZ vom 10.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: