Deutsche Bank: Josef Ackermann:Milliardengewinn und Burgfrieden

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Ein Tag im Leben eines Chefbankers: Wie Josef Ackermann zwischen Quartalszahlen und HRE-Ausschuss auch noch den Streit in der Deutschen Bank beilegt.

M. Hesse

7.15 Uhr

Sein Tag ist ereignisreich: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann musste sich am Dienstag mit den positiven Quartalszahlen, der Spitzelaffäre und der Hypo Real Estate befassen. (Foto: SZ-Collage: AFP, laif, ddp)

Als früh am Dienstagmorgen der Quartalsbericht der Deutschen Bank über die Ticker läuft, ist Josef Ackermann längst auf den Beinen. Von seiner Wohnung im Frankfurter Westend aus macht er sich auf den Weg in die Zentrale der Deutschen Bank. Es verspricht, ein weiterer heißer Tag zu werden.

Schon vor acht Uhr sitzt Ackermann an seinem Schreibtisch in der 27. Etage des Investment Banking Center (IBC). Vor zwei Jahren ist er hierher umgezogen; die Zwilllingstürme, Wahrzeichen der Stadt Frankfurt, werden aufwendig renoviert. Just als die Finanzkrise ausbrach, wehte es die Deutsche Bank an den Stadtrand, in einen hellgrauen Bürokasten an den Bahngleisen hinter der Messe. Eigentlich wollte Ackermann hier seine Karriere beenden. Doch nun wird er wohl doch noch einmal in die Zwillingstürme zurückkehren, nächstes Jahr soll es so weit sein.

8.15 Uhr

All das mag Ackermann durch den Kopf gehen, als er auf das Eintreffen des Aufsichtsrates wartet. Er wird dem Gremium erst über die jüngsten Quartalszahlen berichten, in denen die Spuren der Krise allmählich verblassen. Dann wird es eine Diskussion um die Spitzelaffäre geben, die die Bank trotz der jüngsten geschäftlichen Erfolge ins Gerede bringt. Und schließlich soll sein Vertrag auch formal bis 2013 verlängert werden. Jetzt treffen unten vor dem Turm die ersten Limousinen ein. Ackermann geht zwei Etagen nach oben in den 29. Stock, wo das Meeting stattfinden soll.

8.30 Uhr

In der Theodor-Heuss-Allee 70 hinter der Frankfurter Messe kommen die 20 Mitglieder des Aufsichtsrates der Deutschen Bank zusammen. Die Arbeitnehmervertreter um die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Karin Ruck und den Gewerkschafter Gerd Herzberg sowie die Bank der Anteilseigner mit den Industriemanagern Tilman Todenhöfer (Bosch), Werner Wenning (Bayer) und Henning Kagermann (SAP). Clemens Börsig, der am Tag zuvor 61 geworden ist, eröffnet die Sitzung.

8.35 Uhr

Ackermann überlässt Stefan Krause das Wort. Der Finanzvorstand präsentiert das Zahlenwerk. Die Bank hat 1,1 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Es scheint, als sei die Finanzkrise, die der Deutschen Bank vergangenes Jahr noch einen Verlust von 3,9 Milliarden Euro beschert hatte, schon fast vergessen. Doch Ackermann und Krause stapeln tief und warnen. Dass die Probleme noch nicht überwunden sind, zeigen auch die Zahlen.

Eine Milliarde muss die Bank wegen der Rezession für mögliche Kreditausfälle zurückstellen. "Der Ausblick hängt stark davon ab, wie es mit der Entwicklung der globalen Wirtschaft weitergeht", warnt Ackermann in seinem Brief an die Aktionäre. Der Aufsichtsrat ist dennoch zufrieden, die Diskussion um die Zahlen dauert nicht lange. Und während Krause davoneilt, um die Ergebnisse am Telefon den Analysten zu erklären, ruft Börsig den nächsten Tagesordnungspunkt auf.

9.30 Uhr

Es geht nun um die Spitzelaffäre bei der Deutschen Bank - die intern nie als solche bezeichnet wird - und das Zerwürfnis, welches sie an der Spitze des Konzerns ausgelöst hat. Am vergangenen Mittwoch hatte die Bank einen Bericht der Kanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton vorgelegt. Vier Fälle habe es gegeben, in denen die Bank seit 1999 gegen interne Sicherheitsregeln oder Datenschutzvorschriften verstoßen habe.

Da der Bericht den Vorstand von jeder Mitschuld freispricht, aber in einem Fall andeutet, Aufsichtsratschef Börsig habe die Bespitzelung eines Aktionärs veranlasst, reißen in der Bank Gräben auf, die nach dem Kampf um die Nachfolge von Josef Ackermann Ende April nur notdürftig zugeschüttet worden waren. Im Umfeld des Aufsichtsrates hatte es geheißen, manch einem Mitglied und vor allem Börsig stoße diese Schuldverteilung bitter auf.

In der Bank wiederum werden Stimmen laut, Börsig müsse nun endlich zurücktreten. Der als hartleibig bekannte Aufsichtsratschef aber denkt nicht daran. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) zitierte ihn unter Berufung auf einen Medienberater mit der Aussage: "Ich sehe keinen Grund zum Rücktritt." Er lasse sich nicht erpressen. Wer habe Börsig denn erpresst? Das fragten sich daraufhin viele in der Bank - auch Ackermann, so heißt es.

All das kann so nicht stehen bleiben. So haben es die Kapitalvertreter im Aufsichtsrat und die Arbeitnehmervertreter schon am Vorabend der Sitzung besprochen. Auch Josef Ackermann hatte an den Vorgesprächen bei den Anteilseignern zeitweise teilgenommen. Die Manager formulierten eine Mitteilung, um die Wogen zu glätten. Mit Todenhöfer und Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick erläutert Ackermann den Vorschlag später den Arbeitnehmern.

HRE-Untersuchungsausschuss
:Zeugen eines Desasters

Was wussten sie? Was geschah an dem Wochenende, an dem die HRE vor der Pleite gerettet wurde? Kam die Hilfe der Regierung zu spät? Die Zeugen der dramatischen drei Tage im Herbst 2008 in Bildern.

Die Gemüter haben sich also schon etwas abgekühlt, als Ackermann nun als Erster das Wort zur Spitzelaffäre ergreift. Er legt kurz dar, nicht der Vorstand habe das Gutachten der Kanzlei in Auftrag gegeben, sondern der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates. Er hoffe nun, dass die Gremien der Bank zu einem normalen Miteinander zurückfänden.

9.30 Uhr: Aussprache über die Spitzelaffäre - Aufsichtsratschef Clemens Börsig wird entlastet. (Foto: Foto: dpa)

Börsig, der sich zunächst auch zur Affäre äußern wollte, verzichtet nun darauf, er hat den Eindruck, alles sei von Ackermann gesagt. Dann verlassen die beiden den Raum. Noch einmal diskutiert das Gremium fast eineinhalb Stunden lang den Umgang mit der Datenaffäre.

Am Ende kommen die Kontrolleure zu dem Schluss, die Bank dürfe sich durch die Affäre nicht auseinanderdividieren lassen. Der Aufsichtsrat gibt schließlich die am Abend vorbereitete Erklärung heraus. Das Gremium habe den Bericht der Kanzlei zur Kenntnis genommen. "Danach wurden die zweifelhaften Methoden nicht von Mitgliedern des Aufsichtsrates oder Vorstandes legitimiert", heißt es lapidar.

Auch Börsig tut das Seine dazu, den Frieden wiederherzustellen. Börsig habe keinen Medienberater mandatiert, für ihn in der Datenaffäre tätig zu werden, teilt die Bank in seinem Namen mit. Ob die Zitate in der FAS seine Gefühle korrekt wiedergeben, bleibt offen. Ob Aufsichtsrat oder Vorstand aber Verantwortung dafür übernehmen müssen, dass es zu den unappetitlichen Methoden kam, bleibt ebenfalls unklar. Die Untersuchung der Finanzaufsicht Bafin dauert an, auch die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie Ermittlungen aufnehmen soll.

11.15 Uhr

Clemens Börsig kehrt in den Raum zurück. Jetzt steht die Vertragsverlängerung für Josef Ackermann auf dem Programm. Nachdem beide in der Diskussion um die Datenaffäre vorerst ihren Frieden geschlossen haben, dürfte es Börsig etwas leichter fallen, Ackermanns Führungsposition nun auch formal bis 2013 festzuschreiben. Auch im gesamten Kontrollgremium gibt es dazu keine Diskussionen.

Dabei war die Vorgeschichte zu dem Akt höchst brisant, vor allem für Börsig. Am 27. April hatte der Aufsichtsratschef nach einer langen Sitzung Ackermann gebeten, seinen Vertrag zu verlängern. Noch am Morgen aber war das Präsidium mit einer Beschlussvorlage in den Tag gegangen, die Börsig als künftigen Chef vorsah.

Doch unter Arbeitnehmer- wie Anteilseignervertretern regte sich Widerstand gegen den Plan, er gelangte gar nicht erst zur Abstimmung. Ob Börsigs Gefolgsleute um Todenhöfer ihn gedrängt hatten oder er selbst das Amt anstrebte, darüber wird in der Bankenstadt seither erbittert gestritten.

12.00 Uhr

Nachdem Josef Ackermann die Gratulationen zur Vertragsverlängerung entgegengenommen hat, verlässt er die Sitzung. Er hat noch einen wichtigen Termin, er muss nach Berlin. Das Aufsichtsgremium handelt noch einige routinemäßige Tagesordnungspunkte ab. Um 13Uhr ist die Sitzung zu Ende.

14.00 Uhr

Josef Ackermann steigt in ein Flugzeug nach Berlin. Vom Flughafen fährt er zum Paul-Löwe-Haus des Deutschen Bundestages. Hier tagt der Untersuchungsausschuss zur Hypo Real Estate.

16.00 Uhr

Während sich die Deutsch-Banker in Frankfurt in ihren Türmen vor Journalisten abschotten, sind in der Metropole der Politik die Medien immer mit an Bord. In der Frankfurter Finanzszene genießt er hohes Ansehen, für die Berliner Politik bleibt er eine Reizfigur. Heute warten sie besonders auf Ackermann. Er soll der Opposition Munition gegen Finanzminister Peer Steinbrück und seinen Staatssekretär Jörg Asmussen liefern und der SPD dagegen helfen, den Minister aus der Schusslinie zu nehmen.

Ackermann ist präpariert, er hat sich die Tage im heißen Herbst 2008 in Erinnerung gerufen, als es um das Überleben der HRE ging. Der Bankchef spielte damals eine entscheidende Rolle. Gut eine Woche nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers war HRE-Chef Georg Funke auf die Deutsche Bank zugekommen, um sie um Hilfe zu bitten. Eine Kreditlinie von 15 Milliarden Euro sollte die größte deutsche Bank zusammenbringen.

Doch Ackermann ist schnell klar, dass es damit nicht getan ist. Zwei Tage später sitzt er mit wenigen anderen Bankern abends bei einem Glas Wein mit Steinbrück zusammen. Der hatte am selben Tag erklärt, die Finanzkrise sei vor allem ein amerikanisches Problem.

Ackermann und die anderen Banker machen ihm klar, ohne staatliche Hilfe werde die HRE nicht überleben können. Doch es dauert bis Sonntagnacht um kurz vor eins, bis Ackermann Steinbrück und auch Kanzlerin Angela Merkel davon überzeugt hat.

All das wird Ackermann wohl erzählen im Ausschuss. Er wird wohl auch wiederholen, dass die Pleite von Lehman Brothers alles verändert habe. Erst dieser Kollaps habe Banken wie die HRE von der Finanzierung abgeschnitten.

Irgendwann am Abend nach stundenlanger Anhörung entlässt der Ausschuss Josef Ackermann. Mit Gedanken an einen Milliardengewinn, einen vorerst beigelegten Führungsstreit und der politischen Aufarbeitung eines historischen Ereignisses geht der Chef der Deutschen Bank ins Bett.

© SZ vom 29.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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