Bundesbankpräsident Jens Weidmann:Der Netzewerfer zeigt Härte

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Der neue Bundesbankpräsident Jens Weidmann überrascht in den ersten Tagen. Sein Führungsstil ist soft, sein Kampf gegen die Schulden hart, und bei seinem ersten öffentlichen Auftritt spart er nicht an deutlichen Worten in Richtung Kanzlerin Angela Merkel.

Helga Einecke und Markus Zydra

Wenn ein neuer Chef kommt, lässt er entweder Büros neu streichen, macht die Visitenkarten schöner oder lädt ein zu Keksrunden. Jens Weidmann gab Anweisungen, ein wuchtiges Ölgemälde, das die schöne Saar-Schleife zeigt, einfach abzuhängen und wählte lieber ein moderneres Bild.

Der neue Bundesbankpräsident Jens Weidmann. (Foto: REUTERS)

Nun sieht, wer den jungen Präsidenten der Deutschen Bundesbank sieht, eine Figur mit Spitzenhaube und riesigen Füßen von Horst Antes sowie das rotgrundige Opus "Netzewerfen" von Hann Trier. Womöglich gibt der Titel einen Hinweis auf die Arbeitsweise des 43-Jährigen. Auch Weidmanns Musikgeschmack entspricht eher dem Zeitgeist, er schätzt Jazz. Zur Einstandsfeier wünschte er sich O Solitude, ein Stück des norwegischen Komponisten Ketil Bjørnstad.

Seit drei Wochen ist der Mann, der zuvor engster Wirtschaftsberater von Kanzlerin Angela Merkel war, im Amt. An diesem Freitag tritt er erstmals groß öffentlich, in Hamburg, auf der Frühjahrskonferenz der Bundesbank, gemeinsam mit der Banque de France abgehalten. Dessen Präsident Christian Noyer redet zuerst.

Weidmann lutscht am Bonbon, er hat lange, bis 13 Uhr, an dem Manuskript gearbeitet, dann ist er dran. Er teilt mächtig aus gegen die Euro-Politik der führenden Staaten, gegen die diffusen Pläne zur Rettung von Griechenland. Er wehrt sich dagegen, den Notenbanken im Euro-Raum schlechte Sicherheiten aufzubürden.

"Die aktuellen Ereignisse in Griechenland bringen die Euro-Zone an den Scheideweg", sagt er, die Zukunft der europäischen Währungsunion werde durch die Art bestimmt, mit der diese Situation behandelt wird. "Zweifellos müssen die Griechen in erster Linie selbst zusätzliche Schritte ergreifen, wenn ihr Anpassungsprogramm nicht auf Kurs ist", findet Weidmann.

Ein Weichmann? Von wegen

Zwar seien die Reformen hart für die griechische Wirtschaft und Bevölkerung, doch sie seien "unumgänglich, um die Solidität der öffentlichen Finanzen herzustellen". Eine Verlängerung der Griechen-Kredite bei niedrigeren Zinsen, was in der Branche "Reprofilierung" heißt, könne das "Anpassungsprogramm" in Athen nicht ersetzen. Das Finanz-System könnte darunter leiden, dass griechische Staatsanleihen als Sicherheiten nicht mehr akzeptiert werden, auch würden Risiken für die Ansteckung anderer Länder steigen. "Eine solche Monetarisierung von Staatsschulden kann nicht toleriert werden."

Wer erwartet hatte, nach dem bärbeißigen, polternden Axel Weber komme ein Weichmann an die Bundesbank-Spitze, der hat sich getäuscht. Der Auftritt des Jens Weidmann in Hamburg soll zeigen: Egal, wie nahe er der Politik war, nun zählt die Geldwertstabilität, nun geht es um solide Finanzen.

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Weidmann hat viele Gremien erlebt. Er arbeitete beim Internationalen Währungsfonds, beim Sachverständigenrat, als Abteilungsleiter bei der Bundesbank und im Kanzleramt. Sein Rollenwechsel vom Kanzlerberater zum Währungshüter vollzog sich langsam. So meldete er sich zu Wort, als der Boom der deutschen Wirtschaft im ersten Quartal bekannt wurde.

Da hob Weidmann den Zeigefinger: "Angesichts des hohen und stark gestiegenen Schuldenstandes und der absehbaren demografischen Belastungen sollten die Defizite in der gegenwärtig sehr guten konjunkturellen Lage zügiger zurückgeführt werden", erklärte er. Ein Appell zum Sparen, typisch für die Frankfurter Institution im Kampf gegen Inflation. Er richtet sich an die Adresse seiner Ex-Chefin Merkel und an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Starke Worte.

Am Freitag erschien der erste Monatsbericht der Bundesbank unter seiner Ägide. Auch hier weist er noch mal auf die Wunde der hohen Schulden. Aber der Bericht macht auch richtig Mut: Ein Dauerboom sei möglich, "der in Gang gekommene und an Breite gewinnende Aufschwung könnte die Wirtschaftsaktivität über längere Zeit tragen". `

Weidmann gibt sich im neuen Job als Teamplayer. Er will nicht der Autokrat sein, der von Wolke sieben aus geldpolitische Parolen verkündet, er sucht den offenen Austausch mit seinen Mitarbeitern. So ließ er für den Tag seines Amtsantritts ein Zelt auf dem Gelände der Bundesbank aufbauen und hielt dort eine kleine Ansprache, sogar noch vor der offiziellen Feier. Eine hübsche Geste.

Seine offene Art kommt gut an, auch dass er gelegentlich in der Kantine gesehen wird. Harald Bauer, Chef des Hauptpersonalrats der Bundesbank, hofft auf gute Zusammenarbeit - die Behörde hat Zeiten mit starkem Job-Abbau und Filialschließungen hinter sich. Nach ersten Gesprächen hat Bauer einen "sehr, sehr positiven Eindruck", wie er sagt. Für weitere strukturelle Veränderungen bei der Bundesbank aber scheint die Zeit noch nicht reif. Zunächst arbeitet Weidmann sogar mit demselben Leiter des Präsidentenbüros und den Sekretärinnen seines Vorgängers.

Mit vielen per Du

Was Jens Weidmann überhaupt nicht mag, ist, als Zögling seines Vorgängers Weber bezeichnet oder mit diesem verglichen zu werden. Zwar war Axel Weber der Zweitgutachter von Weidmanns Doktorarbeit, aber er war nicht sein Professor. Der Unterschied in der Arbeit ist: Axel Weber schien den Mitarbeitern stets weit weg. Er war abgehoben. Ein leitender Angestellter einer Filiale hat ihn nur einmal in sieben Jahren zu Gesicht bekommen. Weidmann dagegen ist in seiner alten Abteilung - Geldpolitik und monetäre Analyse - mit vielen per Du.

Bisher redete man in der Bundesbank vom "Staat im Staat": Damit ist der sechsköpfige Vorstand in der obersten Etage gemeint, der meist unter sich bleibt. Diese Distanz zur Belegschaft könnte Weidmann verringern, zumal Anfang Juni mit Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger eine weitere junge Führungskraft kommt. Als konstruktiv wird die Atmosphäre in den Vorstandssitzungen beschrieben. Ein Bundesbanker ist begeistert vom neuen Chef: "Der ist ruhig", sagt er, "weiß aber, was er will".

© SZ vom 21.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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