Überwachung:Das kostet die Vorratsdatenspeicherung

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Wer hat wann mit wem kommuniziert? Über die Vorratsdatenspeicherung sollen Ermittler Zugriff auf die Daten aller Bürger kommen. (Foto: Peter Macdiarmid/Getty)
  • Die Vorratsdatenspeicherung sollte vom 1. Juli an gelten, doch die Bundesnetzagentur hat sie nun vorerst ausgesetzt.
  • IT-Firmen kämpfen schon lange gegen das Gesetz, denn auf sie würden hohe Kosten zukommen.
  • Service-Unternehmen haben bereits Outsourcing-Angebote erstellt und bieten "Vorratsdatenspeicherung as a Service" an.

Von Marvin Strathmann

Eigentlich sollte die Vorratsdatenspeicherung vom 1. Juli an gelten. Aber weil der Provider Spacenet mit einem Eilantrag dagegen Erfolg hatte, will die Bundesnetzagentur die Speicherpflicht vorerst aussetzen - bis die Richter im Hauptverfahren entscheiden. Für Eco, den Branchenverband für IT-Firmen, ein Grund zur Freude: "Die Unternehmen brauchen endlich Rechtssicherheit, um nicht erneut ein europarechts- und verfassungswidriges Gesetz umsetzen zu müssen und damit beachtliche Gelder zu verschwenden", sagt Oliver Süme von Eco.

Für die Unternehmen geht es vor allem ums Geld, denn die Vorratsdatenspeicherung dürfte für sie teuer werden: Provider und andere Kommunikationsunternehmen müssen massenhaft Daten für die deutschen Ermittler speichern und sie für Abfragen bereithalten. Wer hat mit wem kommuniziert? Wo war dieses Handy zu jenem Zeitpunkt? Welche IP-Adresse war wann online? Das wird alles gespeichert und bereitgehalten; Standortdaten für vier, andere Informationen für zehn Wochen.

Bei allen Vorgängen gilt das Vier-Augen-Prinzip

Gerade für kleinere Provider sei es schwierig, alle Auflagen umzusetzen. Manchen drohe sogar die Insolvenz, meint der Branchenverband. Tatsächlich müssen viele Auflagen der Bundesnetzagentur beachtet werden

Die Unternehmen benötigen einen eigenen Raum mit eigener Zugangssicherung für die Vorratsdaten. Darin stehen Hochsicherheitshalterungen für Server mit Schutz vor Einbrüchen und Vandalismus. Die günstigen Modelle sind für 6000 zu haben und können bis zu 10 000 Euro kosten. Jeden Tag müssen die Server neu verschlüsselt werden, die Schlüssel können beispielsweise auf CDs gebrannt und in Tresoren gelagert werden. Außerdem gilt das Vier-Augen-Prinzip: Selbst wenn ein Server gewartet wird, müssen die Techniker zu zweit sein, das gilt auch bei der Abfrage der Daten, die die Behörden von den Unternehmen wollen.

Große Provider arbeiten mit einem automatischen Abfrage-System, für kleine Provider reichen verschlüsselte E-Mails. Allerdings dürfen Behörden auch mit einem recht unsicheren Fax Daten abfragen.

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Wird das Gesetz schon wieder gekippt?

"Am Ende würden die Kunden die Kosten der Vorratsdatenspeicherung bezahlen", sagt Sebastian von Bomhard, Gründer und Vorstand vom Provider Spacenet, 125 Mitarbeiter, Sitz in München. Er ist mitverantwortlich dafür, dass die Vorratsdatenspeicherung kurz vor Beginn ausgesetzt wurde. Und dafür, dass das Unternehmen nun einen hohen sechsstelligen Betrag spart.

"Für uns sind die Prozesse viel teurer als die eigentliche Hardware", sagt Bomhard. "Wir speichern nämlich unsere Daten bereits auf sicheren Servern und haben so viele Vorschriften sowieso schon erfüllt. Allerdings müssten wir mit der Vorratsdatenspeicherung unter anderem einen Juristen auf Bereitschaft bezahlen." Zudem müssten Mitarbeiter mehr Überstunden leisten. Das Geld wäre besser investiert, findet Bomhard, etwa in neue Mitarbeiter für den Kundendienst.

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Bomhard ist zuversichtlich, auch das Hauptverfahren zu gewinnen. Er geht davon aus, dass die Vorratsdatenspeicherung gar nicht mehr kommt, oder spätestens durch das Bundesverfassungsgericht gekippt wird, wie schon 2010 bei der ersten Version dieses Gesetzes.

Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) die anlasslose Speicherung von Daten im Dezember 2016 für unzulässig erklärt hat, steht auch die neue Version auf der Kippe: Denn auf das EuGH-Urteil hat sich das Oberverwaltungsgericht in Nordrhein-Westfalen bezogen, als es dem Münchner Provider Spacenet recht gab. Das Hauptverfahren und eine grundsätzliche Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht stehen allerdings noch aus - mehrere Personen haben vor dem höchsten deutschen Gericht Beschwerden eingelegt.

Außerdem klagt die Telekom gegen die Vorratsdatenspeicherung. Das Unternehmen streitet sich mit der Bundesnetzagentur darüber, in welcher Form IP-Adressen gespeichert werden müssen. Über IP-Adressen werden Rechner im Internet identifiziert. Bisher hat die Telekom drei Millionen Euro für die Vorratsdatenspeicherung investiert. Weitere zwölf Millionen Euro sollen noch hinzukommen. Nach Angaben des Unternehmens wird jedes Jahr eine Million Euro bereitgestellt, allein für die Technik. Kosten für Abfragen sind da noch nicht mit eingerechnet.

Also müssen dafür wohl Investitionen zurückgefahren, Kunden mehr belastet oder Aktionäre vertröstet werden. Auch die beiden großen Konkurrenten der Telekom im Provider-Geschäft gehen von hohen Kosten aus: Vodafone rechnet mit einem niedrigen zweistelligen, Telefónica mit einem mittleren einstelligen Millionenbetrag.

Vorratsdatenspeicherung as a Service

Die Speicherung kostet Unternehmen nicht nur Geld, sie bringt auch einen neuen Geschäftszweig hervor: Service-Firmen, die sich komplett um die Hardware, Speicherung, Löschung und den Auskunftsprozess kümmern - Vorratsdatenspeicherung as a Service. Damit wirbt zum Beispiel der Münchner Anbieter Uniscon.

Allerdings ging das Unternehmen wohl etwas zu aufdringlich vor. So hat unter anderem der E-Mail-Anbieter Posteo Werbepost von Uniscon erhalten, obwohl Posteo gar nicht verpflichtet ist, die Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. In einem Blogeintrag hat das E-Mail-Unternehmen die Werbung von Uniscon veröffentlicht und das Outsourcing als bedenklich bezeichnet: "Provider sollten Verantwortung für ihre Kunden tragen", heißt es da - und nicht Dritte, die mit den Kunden und ihren Daten eigentlich nichts zu tun haben.

"Vor allem die kleinen Firmen sind zum Teil auf die Vorratsdatenspeicherung as a Service angewiesen", sagt Klaus Landefeld vom Eco-Verband. Landefeld schätzt, dass etwa zehn Unternehmen Outsourcing-Möglichkeiten für die Branche anbieten.

So wirbt beispielsweise auch Cedros aus Sankt Augustin bei Köln mit Diensten rund um die Vorratsdatenspeicherung: "Unsere Lösung wird alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen", heißt es auf der Webseite des Unternehmens. Wie lange aber das Gesetz und mit ihm die Outsourcing-Angebote noch bestehen werden, wird abschließend das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

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