Supercomputer bei TV-Quiz:Digitalhirn Watson gegen die Menschheit

Ein Superrechner von IBM tritt bei der TV-Show "Jeopardy" gegen zwei Quiz-Champions an. Das Rateduell wird zum Showdown: Besiegen Maschinen einmal mehr das menschliche Gehirn?

Helmut Martin-Jung

Rhyme time, Zeit für ein Reimrätsel: Darin bewahrt Pelé seinen Ball auf. Wenn Aufgaben wie diese für Menschen allzu leicht zu knacken wären, hätte sich die Quizshow Jeopardy nicht seit 1984 ununterbrochen im US-Fernsehen gehalten.

Supercomputer bei TV-Quiz: "Watson", umrahmt von Jeopardy-Moderator und menschlichen Gegnern: Hunderte Analyseprozesse gleichzeitig.

"Watson", umrahmt von Jeopardy-Moderator und menschlichen Gegnern: Hunderte Analyseprozesse gleichzeitig.

(Foto: AP)

Aus Hinweisen, die oft um die Ecke gedacht, ironisch oder als Wortspiel formuliert sind, müssen die Kandidaten binnen Sekunden die Lösung erraten, die sich in diesem Fall auch noch reimen soll.

Die Idee, solche Rätsel mit einem Computer aufdröseln zu wollen, klingt ziemlich verwegen, aber genau das hat sich IBM vorgenommen. In drei Jeopardy-Folgen ist im US-Fernsehen zu sehen, wie sich das Computersystem "Watson" gegen zwei menschliche Champions schlägt. Bekannt ist bisher nur das Ergebnis der Probeläufe, in denen gewann der Computer. Ist es also schon so weit, dass künstliche die menschliche Intelligenz schlägt?

"Das hängt von der Aufgabe ab", sagt der IBM-Forscher Eric Brown. Er ist im "Watson"-Team für Computer-Algorithmen zuständig, für die Regeln also, nach denen "Watson" vorgeht. "Watson" - das sind zehn Rechner-Regale, jedes so groß wie ein Gefrierschrank. In ihrem Inneren arbeiten insgesamt 2880 Rechenkerne, die zusammen 80 Billionen Rechenschritte pro Sekunde ausführen können.

25 IBM-Forscher haben in den vergangenen vier Jahren das System mit Lexika gefüttert, mit Wörterbüchern, mit Jahrzehnten an Ausgaben der New York Times, mit Drehbüchern, Zusammenfassungen von Wikipedia-Artikeln - mit allem an Text also, das dabei helfen könnte, Rätsel aus allen möglichen Wissensgebieten zu lösen.

Eine Million Bücher binnen Sekunden

"Die Breite an möglichen Fragen ist das Besondere an Jeopardy", sagt Brown. Binnen Sekunden können die Siliziumchips des Computers eine Textmenge durchackern, die etwa einer Million Bücher entspricht. Weitaus schwieriger aber war es für Brown und seine Kollegen, dem binären System beizubringen, wie man diese Fülle auch nutzt.

"Watson", benannt nach IBM-Gründer Thomas J. Watson, geht dabei völlig anders vor als ein Mensch. Sobald ihm die Aufgabe schriftlich übermittelt worden ist, machen sich Hunderte von Analyseprozessen gleichzeitig darüber her. Zunächst einmal versucht der Computer die Aufgaben in mögliche Teilaspekte zu zerlegen. Er durchforstet also seine Daten nach allem, was er über Pelé gespeichert hat, über mögliche Verbindungen von (Fuß-) Bällen und deren Aufbewahrung.

Ergebnis dieser Analyseprozesse sind Hunderte möglicher Hypothesen, deren Wahrscheinlichkeit "Watson" anschließend überprüft. Andere Prozesse gleichen geographische und historische Daten ab.

Das macht klar, dass der Computer eines nicht kann: die Aufgabe wirklich von ihrem Sinn her zu verstehen. Darum, das geben die Forscher zu, bereitet ihm Ironie auch große Probleme. Trotzdem kann er es mit Statistik, mit einem komplizierten Geflecht an Rechenregeln und seiner irrwitzigen Rechenkraft in vielen Fällen schaffen, in wenigen Sekunden zum selben Ergebnis zu kommen wie ein Mensch.

Der assoziiert den Namen Pelé mit Fußball (soccer), stellt sich vor, wo Fußballer ihre Ausrüstung aufbewahren (locker) und hat so mit etwas Glück die Lösung schon beisammen: soccer locker. Das ist der gesuchte Reim.

Am Anfang der künstlichen Intelligenz

Der Computer muss aber nicht bloß die vielen parallelen Prozesse ausführen, er muss sie am Ende auch zusammenführen und bewerten. Ist er sich nicht sicher genug, dass die Antwort korrekt ist, verzichtet er auf die Teilnahme. Wer nämlich bei einer Jeopardy-Aufgabe versagt, erhält Minuspunkte. Weil das alles in drei Sekunden geschehen muss - so lange brauchen die menschlichen Kandidaten bei Jeopardy im Durchschnitt, bis sie auf den Antwortknopf drücken -, benötigt "Watson" so viele parallel arbeitende Prozessoren.

Das alles sind Probleme und Fragen, an denen TV-Zuschauer und Computer-Verrückte ihre Freude haben, aber was bringt es IBM abseits des PR-Effekts, in einer Quizshow anzutreten?

In gewisser Weise will die Firma das vollenden, was der Internetkonzern Google mit seiner Suchmaschine angefangen hat: das Wissen der Welt zu erschließen. Im Web, aber auch in vielen Firmen und Institutionen schlummern ungeheure Wissensschätze, aber vieles davon bleibt ungenutzt, weil die Informationen darin nicht in einer Form abgelegt wurden, die der bisherigen Arbeitsweise von Computern entgegenkommt.

An vielen Universitäten, aber auch in den Forschungsabteilungen von Firmen wie IBM wird daran gearbeitet, Computer in die Lage zu versetzen, diese Schätze zu heben.

Deep Q&A - tiefreichendes Frage- und Antwortsystem - nennt IBM seine Software. Sie soll, so stellt man sich das vor, einmal Managern dabei helfen Entscheidungen zu treffen, oder Ärzten, Diagnosen zu stellen.

"Wir haben gerade erst damit angefangen, unser System für solche Anwendungen anzupassen", sagt Brown. Experten rechnen damit, dass man schon in naher Zukunft Smartphones mündlich einfache Fragen stellen kann, anstatt mühsam Suchbegriffe einzutippen.

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