Studie zur Social-Media-Nutzung:Geplatzte Blase

Eine Studie zeigt: Im Netz leben wir nicht unter Käseglocken, sondern sogar politisch vielfältiger als im normalen Leben.

Von Julian Dörr

Das Internet ist eine Echokammer. So wie wir in die Weiten des weltumspannenden Netzes hereinrufen, so schallt es heraus. In sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter treffen wir auf Gleichgesinnte, wir kommunizieren mit Menschen, deren Einstellungen und Werte wir teilen. Unser kleines Universum reproduziert sich selbst, abweichende und unpopuläre Meinungen gehen unter (SZ vom 6. Oktober). Online zementieren wir unser Weltbild - für ein Leben in der Filterblase.

Eine Studie von Pablo Barberá, Doktorand an der New York University, behauptet nun das Gegenteil. Auf Facebook oder Twitter leben wir nicht unter unseren persönlichen Käseglocken, sondern inmitten eines ideologisch differenzierten Netzwerks. Wer an die Filterblase glaubt, der vergesse die Bedeutung der sogenannten weak ties - entfernte Bekannte, zu denen man nur über Social Media Kontakt hält. Ein Freundeskreis im Internet, argumentiert Barberá, sei politisch heterogener als sein Offline-Äquivalent. Die Welt jenseits des Netzes erleben wir durch eine viel stärkere Filterblase. Schließlich treffe man sich mit dem in der Jungen Alternative organisierten Schulfreund nicht zum Kaffee. Die Updates auf Facebook aber sehe man.

Nutzer, die in ihrer Timeline mit politischer Vielfalt konfrontiert werden, neigen nun laut der Studie zu einer gemäßigten Ideologie, die Wahrscheinlichkeit, eine politisch extreme Position zu beziehen, reduziere sich. Um dies zu bestätigen, untersuchte Barberá mehr als 30 Millionen Twitter-Nutzer in den USA, Spanien und Deutschland. In den Vereinigten Staaten verglich er zudem die Profile einiger Nutzer mit deren Wahlunterlagen. Er fand heraus, dass sich die untersuchten Kommunikationsnetzwerke in Spanien und Deutschland politisch heterogener gestalten als in den USA. Für alle drei Länder aber kam Barberá zu dem Schluss, dass Social-Media-Nutzer Informationen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln erhalten. Keine Spur also von einer Filterblase.

Nun konzentriert sich die Studie ausschließlich auf das Netzwerk Twitter. Beim Konkurrenten Facebook hingegen könnte die Sache ganz anders aussehen. Wired-Autor Mat Honen zeigte kürzlich in einem Experiment, wie sich seine persönliche Filterblase verstärkt (SZ vom 13. August). 48 Stunden lang drückte er bei jedem Beitrag, der ihm auf seiner Timeline begegnete, den "Gefällt mir"-Button. Facebook überflutete ihn daraufhin mit Meldungen der Huffington Post und anderer Nachrichtenportale. Die echten Menschen aber, und somit auch Barberás weak ties, waren aus Mat Honens Facebook-Timeline verschwunden.

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