Soziale Netzwerke:#schöndoof

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Kleiner Tweet, große Folgen: In den sozialen Netzwerken hat sich schon fast jeder mal blamiert. Ein paar Vorschläge für einen halbwegs unfallfreien Umgang mit Twitter, Facebook und Tumblr.

Von Johannes Boie und Marc Felix Serrao

Wie gefährlich dieses Internet sein kann, weiß jeder, der darin schon mal etwas Peinliches geschrieben hat. Also jeder. Aktuell muss sich ein Sozialdemokrat dafür entschuldigen, dass er Interna vom SPD-Parteikonvent in einem Tumblr-Blog ausgeplaudert hat. "Wie kann man nur so blöd sein?", fragen jetzt viele. Antwort: Das geht ganz einfach.

Berichten Sie live Geheimnisse aus geheimen Treffen!

Zustand: Sie sind Insider.

Handlung: Sie wissen was, was sonst keiner weiß. Und irgendwo haben Sie mal gehört, dass Daten jetzt eine Währung sind. Nichts wie ran an Kohle, Ruhm, Fans und Follower. Berichten Sie live Geheimnisse aus geheimen Treffen! So wie Daniel Brunkhorst, Juso-Chef aus Hannover, am Sonntag. Als sein Parteichef Sigmar Gabriel sich im Geheimen darüber beschwerte, dass Geheimnisse der Partei gleich im Netz landeten, sorgte Brunkhorst dafür, dass Gabriels Geheimnis gleich im Netz landete. Ordentlich auf Zack, der Jungsozialist. Das gibt auf der SPD-internen Sigmar-Gabriel-Skala schön Extrapunkte. Eine geheime SMS an Gabriel war im Sommer 2010 im Spiegel gelandet - die Kanzlerin hatte sie ihm geschickt.

Erfolg: Bild-Titelseite.

Gefahr: Entschuldigung via Facebook, damit dann gleich noch mal auf bild.de ("SPD-Depp entschuldigt sich"), Partystimmung im Kanzleramt.

Europa schläft. Nur Sie nicht

Zustand: Sie sind noch wach.

Handlung: Auf Twitter unterhalten sich Amerikaner, die bald ins Bett gehen, mit Asiaten, die gerade aufgestanden sind. Europa schläft. Nur Sie nicht. Sie haben drei Old Fashioned und fünf Bier getrunken. Bevor Sie nun losfahren und Ihren Führerschein für immer verlieren, sollten Sie sich an den mittelmäßigen amerikanischen Rapper Bow Wow erinnern: "Betrunken wie ****. . . Ich bin so fertig!!! Ohh, verdammt. Ich fahre im Lamborghini."

Erfolg: Sie sind total authentisch.

Gefahr: Lappen weg.

Das Netz schläft nie. Sie schon

Zustand: Sie sind nicht mehr wach.

Handlung: Das Netz schläft nie, das hat es offenbar mit Mario Monti gemeinsam. Der ehemalige italienische Ministerpräsident berief im Sommer 2012 nach harten Verhandlungen in Brüssel gegen jede Absprache eine kleine Pressekonferenz ein, mitten in der Nacht. So sorgte der Italiener dafür, dass die Nachrichten in der Eurorettung einen für Deutschland unangenehmen Drall bekamen. Ein Tweet des deutschen Regierungssprechers Steffen Seibert hätte helfen können. Dessen Twitter-Liebe kennt sonst kaum Grenzen. Doch Seibert war schon im Bett.

Erfolg: Endlich gehen die Augenringe zurück.

Gefahr: Ärger mit Mutti.

Lernen Sie von @TheBorisBecker

Zustand: Sie wollen was verkaufen.

Handlung: Ihr Karrierehoch liegt lang zurück, Sie kraxeln von Tiefpunkt zu Tiefpunkt? Lernen Sie von @TheBorisBecker. Der ballert im Netz wie früher auf dem Platz, allerdings schmettert er dabei gelegentlich seine eigene Würde ins Aus. Und die seiner Exfrauen. Und seiner Kinder. Nebenbei verkauft er Bücher, seinen Namen und seine Marke. Wenn das auch Ihr Ziel ist, ist Becker Ihr Vorbild.

Erfolg: Jeder kennt Ihren Namen.

Gefahr: Keiner will ihn mehr hören.

Pseudonyme, die auffliegen

Zustand: Sie sind nicht Sie selbst.

Handlung: Unter falschem Namen kann man wunderbar all die Dinge öffentlich machen, die den echten Namen beschädigen würden. Heikel wird die Sache nur, wenn man bei seinen Pseudonymen den Überblick verliert. So wie Konstantin Neven DuMont aka "Kopf Schüttel" und "Hans Wurrst". Der Fast-Erbe der Verlagsgruppe DuMont verlor Ende 2010 erst seinen guten Ruf und dann seinen Vorstandsjob, als bekannt wurde, dass von seinem Rechner aus unter Phantasienamen monatelang verrückte Texte in die Welt geschickt worden waren.

Erfolg: Pseudonyme können entspannend wirken; irgendwo müssen all die Gedanken im Kopf ja hin.

Gefahr: Wer auffliegt, steht so schnell nicht wieder auf.

Dampf ablassen und Antworten bekommen

Zustand: Sie sind sauer.

Handlung: Wer kennt das nicht? Man sitzt vorm Fernseher, und da ist schon wieder dieser Mensch, der immer diese Sachen sagt. Und irgendwie muss man reagieren. So wie @Moniwuellner, die im Juni twitterte, was sie von der Moderatorin Sarah Kuttner hält: "@KuttnerSarah @ZDF Sarah kuttner = eklig". Nur Stunden später erhielt die gute Frau die Quittung @KuttnerSarah informierte ihre mehr als 40.000 Follower über den Angriff auf ihre Fernseh-Ehre, und die teilten @Moniwuellner umgehend mit, was sie von ihr hielten. Die Gescholtene bat so wortreich wie wirr um Verzeihung und twittert seither nicht mehr, zumindest nicht unter ihrem echten Namen.

Erfolg: Sie können mal Dampf ablassen.

Gefahr: Sie erhalten eine Antwort.

Gefährdet: junge Eltern

Zustand: Sie sind glücklich.

Handlung: Oma ist wieder aus dem Krankenhaus raus, die Liebste hat Ja gesagt, das Baby ist da: Es gibt viele Dinge, über die man sich freuen kann. Aber ist es klug, sie gleich öffentlich mitzuteilen? Diese Frage hat wohl jeder schon mal verneint - als es zu spät war. Junge Eltern sind besonders gefährdet. Viele posten jeden Pups ihres Kindes, ohne je zu fragen, was sie oder er davon halten könnte. Wer nicht sicher ist, kann ja mal durch seine analogen Familienalben und die alten Poesiealben aus der Schule blättern und sich fragen, welche der missratenen Weihnachtsbilder und verunglückten Liebesschwüre an Jenny aus der 3c er gerne im Netz finden würde.

Erfolg: Sie denken: Oh Gott, bin ich happy!

Gefahr: Die anderen denken: Oh Gott!

Retweeten wie von Sinnen

Zustand: Sie sind stolz.

Handlung: Lob ist immer toll. Die Frage ist, wie man darauf reagiert. Bei Facebook ist die Sache einfach; wie viele Leute das Angeberfoto aus dem Karibik-Urlaub liken, darauf hat man keinen Einfluss. Komplizierter ist es bei Twitter. Was tut man mit Tweets von Leuten, die etwas Nettes über einen schreiben? Es gibt drei Möglichkeiten. A) Ignorieren. B) Als "Favorit" markieren. C) Retweeten. Die beste Wahl ist in diesem Fall B. Bei A) besteht die Gefahr, dass die Stille arrogant wirkt. Und C) wirkt sehr schnell sehr eitel. Wer glaubt, dass hier wieder von @TheBorisBecker die Rede ist, irrt. Es gibt wohl keine Berufsgruppe, die sich so gerne im Lob der Follower suhlt wie Journalisten. Selbst sonst besonnene Autoren retweeten wie von Sinnen, wenn ihr Name irgendwo lobend erwähnt wird. Die Freude ist verständlich, die öffentliche Freude verheerend.

Erfolg: Alle wissen, dass Sie gelobt wurden.

Gefahr: Alle wissen, wie eitel Sie sind.

Blamieren mit Bild

Zustand: Sie sind im Bild.

Handlung: Egal, ob sie sauer, glücklich, stolz oder angetrunken sind: Texte sind nur Texte, und selbst wenn Sie Ihren Ruf im Netz schon mit Worten ruiniert haben, können sie immer noch ungestört einkaufen gehen. Sobald Sie sich aber auch im Bild blamieren, ist die Katastrophe komplett. Der US-Demokrat Anthony Weiner, zum Beispiel, bezeichnet sich bei Twitter bis heute als "Kämpfer für die Mittelklasse". Das kann er gerne sein. Doch egal, was der Mann nach seiner gescheiterten Kandidatur um den Bürgermeisterposten von New York noch tut, das Bild, das von ihm bleiben wird, ist dasjenige, das er versehentlich an uns alle verschickt hat: ein Bild von seinem halbsteifen Penis.

Erfolg: Sie haben ein eigenes Verb mit ins Leben gerufen.

Gefahr: Das Verb heißt Sexting.

© SZ vom 22.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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