Recycling von Mobiltelefonen:Handy als Leergut

Bundestag - Handyaktion

Sind die entsorgten Handys noch funktionstüchtig, verkaufen die Hersteller sie oft in Entwicklungsländer.

(Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Recyceln statt verstauben lassen: Verbraucher haben viele Möglichkeiten, ihr altes Handy umweltfreundlich zu entsorgen. Dafür gibt es jetzt auch Automaten.

Von Julia Löffelholz und Helmut Martin-Jung

Mehr als 100 Millionen Handys dümpeln in Deutschland verstaubt und vergessen irgendwo herum oder - schlimmer noch - werden einfach in den Müll geworfen. Das belastet die Umwelt gleich doppelt, denn Handys enthalten nicht bloß giftige Stoffe. In ihnen stecken auch wertvolle Metalle. Gold und Silber und sogenannte Seltene Erden, die oftmals in Konfliktregionen abgebaut werden. Nicht alles, aber vieles kann recycelt werden. Viele Geräte funktionieren auch noch, man muss sich eben nur darum kümmern. Doch bei vielen siegt die Bequemlichkeit und so bleibt das alte Handy in der Schublade. Wäre es da nicht eine gute Sache, wenn man sein altes Mobiltelefon auf einfache Weise zu Geld machen könnte? Etwa beim Einkauf im Supermarkt.

Genau das war die Idee von Mark Bowles. Wer sein altes Handy im Einkaufszentrum abgeben könnte und dafür sofort Geld bekäme, der würde das auch viel eher tun. Der Amerikaner erfand also eine Maschine, die ganz ähnlich funktioniert wie Automaten für Pfandflaschen. Leere Flasche rein, ratter, ratter, Bon raus. 1200 seiner EcoATM stehen verteilt über die gesamten Vereinigten Staaten. ATM, das kennt jeder Amerikaner, Automatic Teller Machine, so heißen dort Geldautomaten. Derzeit überlegt Bowles, nach Europa zu expandieren, "besonders der deutsche Markt ist interessant", sagt er.

Der Automat erkennt mehr als 4000 Handys

Aber ist der EcoATM nicht die Erfindung, auf die Handy-Diebe schon lange gewartet haben? Ganz und gar nicht, sagt Bowles, der sein Gerät auf der Super Mobility Week zeigte, einer Messe des US-Mobilfunkverbandes CTIA. Wer ein Gerät abgeben will, muss es auch entsperren können, also den Sicherheitscode kennen, erklärt er. "Außerdem wird jeder Kunde die ganze Zeit über von einer Kamera gefilmt, und um ans Geld zu kommen, muss in das Gerät auch ein Ausweisdokument gesteckt werden", sagt Bowles. Und wenn ein Handy als gestohlen gemeldet ist, werden sogar die Behörden informiert.

Und so funktioniert es: Das Handy muss aus seiner Schutzhülle genommen und in ein Fach gelegt werden. Mehr als 4000 Handymodelle enthält die Datenbank und kann sie aufgrund der Maße und des Gewichts unterscheiden. Sobald das Handymodell erkannt wurde, erscheint ein Kabel, das zum jeweiligen Handy passt. Das muss der Kunde nun einstecken, das Handy einschalten und den Code eingeben. Jeder Schritt wird auf einem großen Bildschirm verständlich erklärt. Wenn der Code stimmt und alles funktioniert, geht am Ende des Prozesses links eine kleine Klappe auf und die Geldscheine kommen heraus. Bis zu 300 Dollar bekommt man für ein gut erhaltenes neueres iPhone, sagt Bowles.

Etwa ein Viertel der abgegebenen Handys sind so alt oder beschädigt, dass sie nur noch recycelt werden können. 75 Prozent können weiterverwendet werden und gehen an Unternehmen, die sich auf die Wiederaufbereitung solcher Geräte spezialisiert haben. 2009 hat Bowles' Firma den ersten Automaten aufgestellt. Bis Ende 2013 wurden darüber bereits drei Millionen Geräte abgegeben. Aus der Menge des damit wiederverwendeten oder zurückgewonnenen Goldes könnte man etwa 16 Fußball-WM-Pokale fertigen. "Bis Ende dieses Jahres werden wir bei vier Millionen Handys sein", sagt Bowles.

Handys richtig entsorgen ist ganz einfach

Ein Schritt in die richtige Richtung, denn noch immer werden viel zu wenige Handys recycelt. In den USA etwa wandern weniger als 20 Prozent aller alter Handys in den Kreislauf zurück. In Deutschland sieht es nicht anders aus. Viele Handybesitzer werfen ihre ausrangierten Telefone sogar einfach in den Hausmüll. Dadurch können giftige, nicht abbaubare Stoffe, wie Blei, Quecksilber oder Nickel in die Erde und damit ins Grundwasser gelangen. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Möglichkeiten, alte Handys umweltschonend zu entsorgen. Doch diese sind den Besitzern oft unbekannt. Beispielsweise können alte Mobiltelefone bei den kommunalen Abfallsammelstellen abgegeben werden. Diese geben die Geräte an die Hersteller weiter.

Die Mobilfunkanbieter selbst nehmen Altgeräte ebenfalls zurück. Dazu sind sie aufgrund des Elektro- und Elektronikgerätegesetz verpflichtet. Dabei kommt es noch nicht einmal darauf an, wer das Handy hergestellt hat. Alle Anbieter nehmen jedes Handy an. Kunden können ihre alten Mobiltelefone einfach per Post an die Unternehmen senden. Im Internet und in Geschäften der Anbieter gibt es sogar portofreie Versandumschläge. In einigen Handyläden können die alten Geräte auch direkt abgegeben werden. Das gilt nicht nur für die Handys selbst. Auch Lade- und Datenkabel, Akkus und Headsets lassen sich auf diese Weise entsorgen.

Damit weniger Handys in den Schubladen verstauben, versuchen viele Mobilfunkunternehmen die Kunden mit wohltätigen Aktionen zur Rückgabe ihrer Handys zu bewegen. Die Deutsche Telekom spendet für jedes eingesandte Handy einen Betrag an die deutsche Umwelthilfe, E-Plus unterstützt Naturschutzprojekte des NABU und Vodafone die Initiative Off-Road-Kids. Auch für die Hersteller lohnt sich die Rückgabe. Handys, die noch funktionstüchtig sind, reparieren und säubern sie und verkaufen sie anschließend weiter - zum Teil in Entwicklungsländer. Die Daten auf den Handys werden vorher unwiederbringlich gelöscht. Von den Herstellern unabhängige Anbieter kaufen über das Internet alte Handys an, um sie wieder aufzubereiten und weiterzuverkaufen. Für Handys, die erst ein oder zwei Jahre alt und gut in Takt sind, bieten sie zum Teil noch mehrere hundert Euro.

80 Prozent des Gerätes werden wiederverwertet

Geräte, die nicht mehr verwendet werden können, werden recycelt. Aber was genau ist darunter zu verstehen? Beim Recycling wird das Mobiltelefon in seine Bestandteile zerlegt. Teile, die gefährliche Stoffe erhalten, wie zum Beispiel der Akku, werden vorher entfernt und fachgerecht entsorgt. Wiederverwendbare Rohstoffe und Edelmetalle wie Kupfer, Gold oder Silber werden extrahiert und fließen zurück in den Wertstoffkreislauf. Im Schnitt können pro recyceltem Gerät 150 Milligramm Silber, 25 Milligramm Gold und neun Gramm Kupfer gewonnen werden. In sehr geringen Mengen kommen auch Palladium und Platin in Mobiltelefonen vor. In den über eine Milliarde Handys, die jedes Jahr weltweit verkauft werden, sind insgesamt 250 Tonnen Silber, 24 Tonnen Gold und neun Tonnen Palladium enthalten.

Bei Kunststoffen ist es derzeit noch nicht möglich die einzelnen Stoffe zu trennen, da die Handys aus sehr unterschiedlichen Kunststoffen bestehen. Deshalb werde sie meist energetisch verwertet. Insgesamt können mittlerweile etwa 80 Prozent der Bestandteile eines Handys wiederverwertet werden. Zumindest dann, wenn sein Besitzer es nicht in der Schublade verstauben lässt. Aber vielleicht werden ja Mark Bowles Automaten dafür sorgen, dass mehr Handys recycelt werden können.

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