Recht auf Vergessen:Google-Chef kommt Kritikern entgegen

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Google muss nun Ergebnisse löschen

(Foto: dpa)

Betroffene können jetzt bei Google die Löschung unliebsamer Links beantragen. Außerhalb Europas sind sie aber weiter sichtbar. Gleichzeitig will Konzernchef Larry Page beim Datenschutz "europäischer" werden - und verspricht Normalbürgern gute Chancen bei Löschanträgen.

Google hat für Nutzer, die Einträge über ihre Person aus den Suchergebnissen streichen wollen, ein entsprechendes Formular bereitgestellt. Das Unternehmen reagiert damit auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Dieser hatte festgestellt, dass Google zum Löschen von Links verpflichtet ist, wenn die veröffentlichten Informationen die Persönlichkeitsrechte betroffener Personen verletzen.

Für Google ist das eine radikale Umkehr der bisherigen Politik. In Sachen Privatsphäre wird das Unternehmen gerade in der europäischen Öffentlichkeit mit einem Satz aus 2009 verbunden. Der damalige Konzernchef Eric Schmidt hatte gesagt: "Wenn es etwas gibt, das niemand wissen soll, vielleicht sollte man das dann überhaupt nicht machen."

Nun äußert sich Gründer und Vorstandschef Larry Page in einem Interview mit der Financial Times ganz anders. Google wolle künftig die Privatsphäre stärker achten - vor allem bei Personen, die nicht prominent sind. Page betont, dass normale Menschen verletzlich sind. Exzessive Berichte in Boulevard-Medien könnten ihr Privatleben auf unfaire Weise in die Öffentlichkeit zerren, so Page. "Wir wollen auf jeden Fall helfen, wo wir können, um das zu verhindern." Der Durchschnittsbürger habe einen legitimen Anspruch, Links auf der Google-Seite verschwinden zu lassen.

Das Löschen müsse aber auch Grenzen kennen, so Page. Öffentliche Personen wie Politiker müssten damit klarkommen, dass mehr Informationen über sie verlinkt werden. Hier müsse die Balance gewahrt werden. "Ich bin besorgt, welchen Effekt das sonst auf die Demokratie haben könnte, wenn wir das nicht perfekt umsetzen", sagte Page.

Dabei helfen soll das neue Formular. Auf der Seite heißt es, dass jede Anfrage individuell geprüft werde: "Bei der Bearbeitung Ihres Antrags prüfen wir, ob die Ergebnisse veraltete Informationen über Sie enthalten." Es werde außerdem untersucht, ob ein öffentliches Interesse an den Informationen bestehe - in dem Falle bleiben die Sachen online. Als Beispielfälle werden unter anderem Amtsmissbrauch genannt, sowie Berufsvergehen und strafrechtliche Verurteilungen.

Die Seite informiert die Nutzer darüber, welche Informationen sie liefern müssen, damit der Antrag bearbeitet wird. Es kann die Löschung von mehreren Links gleichzeitig beantragt werden, wobei jeder Link einzeln begründet werden muss. Die Nutzer werden dazu aufgefordert, eine "gut erkennbare und deutlich lesbare Kopie" des gültigen Führerscheins, Personalausweises oder anderen gültigen Lichtbildausweises anzufügen. Nötig ist zudem eine Begründung, "weshalb diese URL in den Suchergebnissen irrelevant, veraltet oder anderweitig unangemessen ist".

Es soll auch möglich sein, im Namen von anderen Personen deren Suchergebnisse löschen zu lassen. In diesem Fall sei eine Bevollmächtigung notwendig. Der Anwalt Thomas Stadler weist darauf hin, dass Betroffe nicht das Formular von Google nutzen müssten. Man könne sich auch direkt an Google wenden.

Gelöscht wird nur auf Google.de - nicht auf Google.com

Ein Sprecher der Firma sagte Süddeutsche.de, dass die Suchergebnisse für insgesamt 32 Länder gestrichen werden - auch dann, wenn die Anfrage über die amerikanische Seite erfolge. Es handelt sich um die 28 EU-Staaten plus Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz. Aus Google.com werden die Links nicht gelöscht. Deutsche Nutzer werden automatisch auf Google.de weitergeleitet, betont der Konzern. Technisch versierte Nutzer können diese Weiterleitung mit Anonymisierungsdiensten wie einem VPN-Tunnel umgehen.

Ein Beraterausschuss soll dem Konzern künftig helfen, zwischen individueller Privatsphäre und dem Informationsrecht der Öffentlichkeit abzuwägen. Im Ausschuss sitzen Googles Chairman Eric Schmidt, Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, Experten der Universitäten von Oxford und Leuven (Belgien), Spaniens ehemaliger oberster Datenschützer José Luis Pinar sowie der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, Frank La Rue.

12 Prozent aller Löschanträge wegen Berichten über Kinderpornografie

Verbraucherschützer loben Googles Lösung. "Wenn das klappt, bedarf es keiner Schlichtungsstelle", twitterte Klaus Müller, der Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverbands. Die Bundesregierung verhandelt mit dem Konzern über eine solche Stelle, um strittige Fälle zu lösen. Allerdings komme es jetzt darauf an, wie Google mit den Anträgen umgeht: "Ich bin gespannt auf die Bearbeitungszeit und die Ablehnungsquote", so Müller.

Page: "Wir versuchen jetzt, europäischer zu sein"

Google müsse sich mehr in die europäische Debatte über Datenschutz und Privatsphäre einbringen, sagte Page weiter der Financial Times. Das habe er aus dem EuGH-Urteil gelernt. "Wir fangen jetzt an, wirklich auf die Leute zuzugehen und mit ihnen zu sprechen", sagte Page. "Wir versuchen jetzt, europäischer zu sein und das Thema vielleicht ein bisschen mehr im europäischen Kontext zu denken."

Der EuGH hatte sein Urteil damit begründet, dass sich Nutzer über Suchmaschinen ein umfassendes Bild von einer Person machen können. Die Suchergebnisse seien nichts anderes als das Ergebnis einer Verarbeitung personenbezogener Daten.

Seit dem EuGH-Urteil hat Google bereits Tausende Anträge auf Löschung erhalten, teilt der Konzern mit. 40 Prozent der Anfragen kommen aus Deutschland. In den Anfragen, die Google aus Großbritannien und Irland erhalten hat, ging es in 31 Prozent der Fälle um Informationen über Betrugsfälle. 20 Prozent der Anträge bezogen sich auf Verhaftungen und Verurteilungen bei schweren und gewalttätigen Verbrechen. In 12 Prozent der Fälle ging es um Verhaftungen wegen Kinderpornografie.

In dem konkreten Streit vor dem EuGH ging es um einen Spanier, der in einem 15 Jahre alten Artikel einer Online-Zeitung in Zusammenhang mit einer Zwangsversteigerung erwähnt wurde. Er scheiterte damit, die Zeitung gerichtlich zur Löschung des Artikels zu bewegen. Deshalb versuchte er, Google dazu zu zwingen, diesen Artikel nicht mehr als Suchergebnis mit seinem Namen zu verknüpfen. Diesem Anliegen gab der EuGH im Grundsatz recht.

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