Washington Post:US-Geheimdienste unter der Lupe

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In einem interaktiven Projekt offenbart die "Washington Post" unzählige Verstrickungen der US-Geheimdienste - und zeigt damit, was eine Zeitung im Netz leisten kann.

Janek Schmidt

Seit Monaten schien es bergab zu gehen mit der Washington Post. Erst hatte die defizitäre Zeitung im Juli 2009 versucht, Geld einzutreiben, indem sie Hintergrundgespräche mit Redakteuren und Politikern im Haus der Verlegerin Katharine Weymouth für 25.000 Dollar pro Abend anpries. Das Angebot musste die Zeitung nach dem Vorwurf der Käuflichkeit zurückziehen.

Video-Trailer zum Projekt "Top Secret America": Endlich gute Nachrichten für die Washington Post. (Foto: online.sdedigital)

Stattdessen beschloss sie vier Monate später, ihre verbliebenen Inlands-Korrespondentenbüros in New York, Chicago und Los Angeles zu schließen. Und Mitte dieses Jahres teilte die Zeitungs-Eigentümerin, die Washington Post Company, mit, dass sie nach einem Verlust im Jahr 2009 von umgerechnet 23 Millionen Euro das bekannte Wochenmagazin Newsweek verkaufen wolle.

Doch nun ging die Post, deren Ruf bis heute von der Aufdeckung der Watergate-Affäre im Jahr 1972 zehrt, in die Offensive. Mit ihrem Projekt "Top Secret America" besann sich das Blatt auf seine alte Stärke - die investigative Recherche - und zeigte zugleich, wie anspruchsvoller Journalismus im Internet aussehen kann.

"Das Projekt ist bei weitem das längste und schwierigste, an dem ich je gearbeitet habe", sagt die zweifache Pulitzerpreisträgerin Dana Priest. Zwei Jahre lang hat sie mit dem Militärexperten William Arkin und etwa 20 weiteren Kollegen die Welt der amerikanischen Terrorbekämpfung untersucht.

Das Netz nutzen, statt sich ausgenutzt fühlen

Die dreiteilige Serie, die so viel Stoff enthält wie ein dünnes Buch, offenbart unzählige Verstrickungen der Geheimdienste. Die Mittel des Internets hat die Post genutzt, um ihre Ergebnisse multimedial darzustellen.

So können Leser etwa auf einer interaktiven Karte nachschauen, wo Geheimdienstbehörden in ihrer Nachbarschaft Büros haben. Wenn sie sich fragen, welcher Tätigkeit ein CIA-Büro in ihrer Nähe womöglich nachgeht, finden sie in einem interaktiven Kuchendiagramm 17 Tätigkeiten, die der Dienst verfolgt - mitsamt einer Liste aller Behörden, die ähnliche Arbeit leisten.

Der Trailer für einen einstündigen Dokumentarfilm über das Projekt komplettiert das Multimedia-Angebot, das so eindrucksvoll ist, dass das Wirtschaftsmagazin Fast Company verkündet: "Hut ab vor der Post, dass sie endlich erkannt hat, wie man das Internet ausnutzt, anstatt sich davon ausgenutzt zu fühlen."

© SZ vom 24.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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