Neue TV-Geräte bei der CES enttäuschen:Samsung verfällt der Gigantomanie

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Joe Stinziano, Vice President von Samsung Electronics America zeigt den neuen Fernseh-Giganten mit einer Bildschirmdiagonale von bis zu 110 Zoll (279 cm). (Foto: Bloomberg)

Samsung zeigt auf der Elektonikmesse CES in Las Vegas einen gigantischen Fernseher mit einer Bildschirmdiagonale von fast drei Metern. Doch das Unternehmen verkennt damit, dass ein größeres, detailreicheres Display längst nicht mehr genügt, um ein TV-Gerät zu verkaufen.

Von Pascal Paukner, Las Vegas

Die Marketingfachleute müssen sich ihrer Sache sehr sicher gewesen sein. Während der Weihnachtsfeiertage stellten sie einen Werbefilm ins Internet, der die Präsentation eines neuen Fernsehgeräts des Herstellers Samsung ankündigte.

Präzise Informationen über die Ausstattung des Produktes waren dem 69 Sekunden dauernden Video nicht zu entnehmen. Raum für Spekulationen allerdings ließ das Filmchen genug, versprach es doch sinngemäß, der südkoreanische Konzern werde auf der Hightechmesse CES in Las Vegas das Fernsehgerät neu erfinden.

Obwohl es in der Technologie-Branche inzwischen zum guten Ton gehört, in regelmäßigen Abständen eine Revolution auszurufen, sorgte die Ankündigung unter Branchenbeobachtern für Aufsehen. Spekuliert wurde über ein Fernsehgerät im Kinoformat 21:9, einen im ausgeschalteten Zustand durchsichtigen Bildschirm oder gar einen Apparat, der höher als breit sein könnte. Das Zentralorgan der Gadget-Liebhaber Gizmodo kündigte in einem Artikel gar an, man werde erst Samsung und dann sich selbst "erdrosseln", sollte es sich bei dem Gerät wieder einmal nur um einen flacheren Fernseher handeln.

Es wäre ein Coup gewesen, die mediale Aufmerksamkeit zu nutzen, um ein zukunftsweisendes Konzept zu präsentieren und damit dem Konkurrenten Apple einmal zuvorzukommen, der dem Vernehmen nach an einem eigenen Fernseher arbeitet. Einzig: Die Realität sieht enttäuschender aus.

"Eine sowjetische Schultafel"

Samsung treibt zwar mit den neu vorgestellten Fernsehapparaten die Evolution der Geräteklasse voran, mehr aber auch nicht. Die vermeintliche Revolution besteht aus einem gigantischen Metallrahmen, in den die Designer das Display des Gerätes gezwängt haben. Bei der Größe der Bildschirme dürfte das vor allem aus Gründen der Stabilität geschehen sein: 2,79 Meter misst die Bildschirmdiagonale. Das ist Gigantomanie in Ultra-HD-Auflösung.

"Eine sowjetische Schultafel", die einen weinen und würgen lassen wolle, schrieb Gizmodo. Ein Gerät so groß, dass Samsung es gar nicht erst zur Pressekonferenz mitgebracht hatte, sondern lediglich darauf verwies, dass es ja am Messestand zu sehen sei. Doch die Innovationen des koreanischen Unternehmens kranken vor allem an einem: Der Vorstellung, dass größer, schneller, detailreicher auch besser für die Kunden ist. Denn genau das ist fraglich.

Seit Jahren schon gibt die Industrie vor, nach Antworten auf die Frage nach der zukünftige Rolle des Fernsehgerätes zu suchen. Bislang erfolglos. Längst dienen Smartphones und Tablets vielen Käufern als Ersatz für ihren Fernseher, zumindest aber wird die Anschaffung eines Neugerätes weniger dringlich, wenn die Lieblingsserie auch auf das Mobilgerät geladen werden kann. Es ist ein Trend, der sich schon jetzt in den Umsatzzahlen der Hightech-Branche bemerkbar macht.

Der Smartphone- und Tablet-Boom kannibalisiert nicht nur die Computerverkäufe, sondern auch die von Spielekonsolen, Digitalkameras, Druckern, Navigationsgeräten und eben: Fernsehern. Abgesehen vom Markt für Smartphones und Tablets wächst der Umsatz auf globaler Ebene inzwischen in keinem Marktsegment mehr. Insgesamt muss die Branche im vergangenem Jahr nach eigenen Angaben sogar ein Minus von einem Prozent verkraften, dabei kommt die Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche derzeit erst so richtig in Gang.

Die Frage, vor der die Industrie angesichts einer solchen Marktsituation steht, lautet: Wie kann sie potenzielle Kunden im Zeitalter der Mobilgeräte von der Notwendigkeit überzeugen, ihr Wohnzimmer mit unansehlichen schwarzen Kästen vollzustellen? Dazu ist auf der Trendmesse recht wenig zu hören. Auf einer Pressekonferenz wird dann lieber darüber geredet, dass die durchschnittliche Bildschirmdiagonale heute etwa 84 Zentimeter groß sei, sich binnen Jahresfrist in den großen Industrienationen aber auf 94 Zentimeter erhöhen solle.

Diagonalen sollen also weiter wachsen - ein Vorhaben, das man als ambitioniert bezeichnen könnte, wollte man es verharmlosen. Schließlich platziert der Durchschnittsbürger trotz aller Bemühungen der Werbeindustrie nicht alle zwei Jahre ein neues Fernsehgerät in der heimischen Schrankwand. Da hilft es auch nicht, die Geräte mit einigen Apps auszuliefern und das Produkt dann SmartTV zu nennen. Das amerikanische Marktforschungsinstitut NPD Group fand jüngst heraus, dass gerade einmal 15 Prozent der Besitzer eines solchen TV-Geräts dieses auch dafür nutzen, Musik zu hören, im World Wide Web zu surfen oder über das Fernsehgerät einzukaufen.

Profiteur Werbeindustrie

Dabei hat die Idee vom Fernsehgerät als Multimediaplattform durchaus Charme. Würden die Hersteller Fernsehgeräte bauen, die neben hervorragendem Bild und Ton auch noch als Anknüpfungspunkt für Mobilgeräte geeignet wären, stünde dem Erfolg wohl kaum etwas im Weg. Der chinesische Hersteller Lenovo etwa verkauft in China bereits Android-Fernsehgeräte.

Vor allem im Bereich der Set-Top-Boxen ist in Zukunft einiges zu erwarten. Gegenüber den Fernsehgeräten haben sie den Vorteil, dass sie sich einfacher mit aktueller Software ausstatten lassen. Asus kündigte auf der CES an, ein auf Google TV basierendes Gerät in den Handel bringen zu wollen.

Der Chiphersteller Intel plant ebenfalls einen eigenen Aufsetzkasten. Apple und Google haben schon seit Längerem vergleichbare Geräte im Portfolio. Auch für ein kundendatensammelndes Unternehmen wie Amazon dürfte ein solches Gerät von Interesse sein.

Immerhin: Selbst wenn in diesem Jahr die Zukunft des Fernsehgerätes noch nicht abschließend geklärt ist, steht ein Profiteur der immer größer werdenden Bildschirme schon heute fest. Es ist die Werbeindustrie samt deren Marketingfachleuten.

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