Neue Smartphones und Smartwatch:Willkommen im Apple-Hype

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"One more thing..." Apple Chef Tim Cook nutzt den berühmten Satz seines Vorgängers Steve Jobs zur Vorstellung der Apple Watch. (Foto: Stephen Lam/Reuters)

Apples neue Produkte beherrschen die Debatte im Netz, schon lange vor ihrer Präsentation. Der kalifornische Lifestyle-Konzern bekommt viel mehr Aufmerksamkeit als seine Wettbewerber. Es ist ein perfektes Spiel mit Geheimnissen und Indiskretionen.

Von Stefan Plöchinger und Lutz Knappmann

Es hat schon wieder funktioniert.

Am Tag nach der großen Show von Cupertino sind die Trendthemen bei Twitter, in anderen sozialen Netzwerken und auf Google: Apple, Apple Watch, iPhone 6. Die Techblogs kennen heute nur dieses Thema. Auch die Leserzahlen auf dieser Seite sind enorm, höchstwahrscheinlich auf Nachrichtenseiten weltweit.

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Willkommen im Apple-Hype.

Tim Cook, Chef des Lifestyle- und Digitalkonzerns, hat lange erwartete Produkte vorgestellt: das iPhone 6 in zwei verschiedenen Größen, ein mobiles Bezahlsystem namens Apple Pay, eine smarte Armbanduhr namens Apple Watch. Bleibt die Frage: War das alles nicht eigentlich vorher klar? Hat die Konkurrenz solche Sachen nicht längst im Angebot? Warum, fragen Kritiker, diese riesige Aufregung?

Wäre es nicht Apple, würde die Digitalwelt vermutlich entspannter auf die große Werbeshow reagieren. So tut sie es bei Samsung und anderen Firmen, die auch recht gute Geräte auf den Markt gebracht haben - von denen man vorher meist weniger wusste. Weil es aber Apple ist, ist der Zuspruch enorm.

Apple hat das Spiel mit gefühlten und echten Innovationen inzwischen so perfektioniert wie wohl kein anderer Konzern. Es lebt davon. Einerseits sickern - angeblich unkontrolliert - Produktdetails monatelang vorab nach außen durch und bereiten den Boden für die Begeisterung. Andererseits hat es Apple diesmal geschafft, wirklich innovative Details geheim zu halten. So überraschte die Präsentation auch noch Fachleute.

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iPhone 6, iPhone 6 Plus und eine Apple Watch: Apple hat neue Produkte vorgestellt. Die Präsentation in Bildern.

Ein Beispiel: Vor vier Wochen beschäftigte eine Episode aus Thailand die Abermillionen Fans des Konzerns und die Fachmedien. Die dortige Aufsichtsbehörde habe angeblich genehmigt, dass Apple zwei neue iPhone-6-Typen verkaufen darf. Zwei! Modell A1524 und A1586! Ein Info-Leak! Sofort bildete sich eine Spekulationsblase: zwei Gerätetypen = zwei Größen! Neue Modellpolitik! Jetzt offiziell! (Quasi!) Bald protestierte der Konzern dagegen, dass die Behörde die Angaben veröffentlicht hatte. Und wieder: Proteste von Apple! Apple spricht! Es muss also stimmen! (Quasi!)

Nüchtern betrachtet, dürften Tech-Menschen bis dato die thailändischen Prozeduren zur Mobiltelefon-Zulassung so wichtig gewesen sein wie das Schicksal chinesischer Reishändler. Jetzt wurden sie zur Nachricht. So ging es die ganze Zeit. Insider-Informationen von asiatischen Zulieferern. Gerüchte und Fotos aus Fabriken. Debatten übers Design. Sogar mit nachgebauten Modellen, mit denen Bastler die neuen Geräte anhand bisher bekannter Halbwahrheiten imitieren wollten. Über die neuen iPhones war schon Tage vor der Präsentation so ziemlich alles bekannt. Während der Präsentation konnten die Beobachter im Kopf eine Checkliste durchgehen und abhaken: Detail schon bekannt, Detail schon bekannt, ...

Apple hat seine PR-Strategie um diesen Umstand herumgebaut. Mit Details zu einer neuen Generation der etablierten iPhones hätte Cook kaum Euphorie oder Überraschung ausgelöst. Wären die Telefone Apples einzige Ankündigung geblieben, die Enttäuschung wäre gewaltig gewesen. Aber es kamen ja noch weitere Produkte.

Dass Apple ein digitales Bezahlsystem vorstellen würde, war zwar absehbar, und auch die Namen möglicher Partner waren bekannt. Aber wie das System genau funktioniert? Welche Marktdurchdringung Apple zum Start vorweisen kann? Tim Cook konnte seinen Zuschauern echte Neuheiten präsentieren.

Erst recht bei jenem "one more thing", auf das viele Apple-Fans gewartet hatten, die Apple Watch. Dass der Konzern an einer Digitaluhr arbeitet, die auch als Fitness-Armband genutzt werden kann, wurde ebenfalls erwartet. Jeder wusste, *dass* Apple eine Smartwatch präsentieren würde - aber *wie* sie funktioniert? Die individuellen Designs, die Bedienung, die Funktionen und - besonders wichtig - die Positionierung als Lifestyle- und Modeaccessoire: Das war eine Nachricht an jenem Abend. Das war die eigentliche Überraschung.

Weil die Uhr erst in einigen Monaten auf den Markt kommt, hat Apple nun reichlich Zeit, Debatten, Klatsch und Tratsch zu beherrschen - und die Produkte und Präsentationen der Wettbewerber in den Schatten zu stellen. So funktioniert Apple-Marketing 2014: erst Spannung aufbauen, dann überraschen, dann das Produkt verknappen, über das alle reden. So funktioniert Hype.

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Das Smartphone hat einst die Armbanduhr überflüssig gemacht, nun soll die Apple Watch das Smartphone überflüssig machen. Blöd nur, dass die Verbindung von "Fashion und Technik" aussieht wie eine Mischung aus Taschenrechner-Uhr und Pulsmesser.

Von Jana Stegemann

Der Mythos des Konzerns ist, dass er über Jahrzehnte seine Fähigkeit bewiesen hat, digitale Produkte und Geschäftsmodelle zu revolutionieren - selbst aus größten Nöten heraus wie in den Neunzigern. Deshalb traut die halbe Welt dem Unternehmen das immer noch zu, und dieser Mythos ist die Grundlage für all die Aufregung. Was die Nummer eins macht, ist natürlich eine Geschichte. Diese Geschichte interessiert auch die andere Hälfte der Welt, die Apple für überschätzt hält. Siegertypen polarisieren, aber sie interessieren. Die Frage, ob das Cook-Apple eine ähnlich erfolgreiche Variante des Jobs-Apple werden kann, kommt als personalisierter Drama-Faktor dazu.

Ob Apples Neuheiten am Ende tatsächlich ein Erfolg werden, auf diese Frage gibt es durchaus skeptische Antworten. Falls sie es werden, liegt das an der Aufmerksamkeitsmaschine, die Apple geworden ist. Der Konzern schafft es wieder, die Diskussionshoheit darüber zu gewinnen, was als progressiv gilt. Das ist Cooks Erfolg.

Was bleibt gegen diese Übermacht? Vielleicht einfach, auf Alternativen hinzuweisen, die es am Markt schon gibt - lesen Sie einfach mal hier weiter.

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