Stilkritik zur Apple Watch:Herzloses Ding

Stilkritik zur Apple Watch: Die Apple Watch gibt es in verschiedenen Farben und Ausführungen.

Die Apple Watch gibt es in verschiedenen Farben und Ausführungen.

(Foto: AP)

Das Smartphone hat einst die Armbanduhr überflüssig gemacht, nun soll die Apple Watch das Smartphone überflüssig machen. Blöd nur, dass die Verbindung von "Fashion und Technik" aussieht wie eine Mischung aus Taschenrechner-Uhr und Pulsmesser.

Von Jana Stegemann

Zur iShow ins Silicon Valley sind diesmal auch die Modeblogger gekommen. Eine Verbindung von Fashion und Technik sei die neue Apple Watch, sagte Tim Cook. Für die Entwicklung des Armband-Computers hatte sich der Apple-Boss schon zuvor die ehemalige Chefin des britischen Luxuslabels Burberry, Angela Ahrendts, und den Ex-Yves-Saint-Laurent-CEO Paul Deneve ins Haus geholt. Ziemlich viel Tamtam also.

Genützt hat das leider wenig. Die Uhr, die Apple jetzt vorgestellt hat, sieht aus wie eine aufgemotzte Mischung aus Pulsmesser, Casio Data Bank mit Taschenrechner und David Hasselhoffs Wunderding aus der Serie "Knight Rider" von 1982.

Es gibt sie in zwei Größen - eine für den Herrn, eine kleinere für die Dame. In drei verschiedenen Ausführungen: ein Modell aus Edelstahl, eine Sportuhr mit Aluminium-Gehäuse und eine aus 18-karätigem Gold. Sechs verschiedene Armbandvarianten, von Leder bis Edelstahl und Kunststoff, stehen zur Auswahl. Alle eint das wichtigste Bedienelement, was Apple-Chef Tim Cook die "Krone" nennt: ein kleines Rädchen an der Seite.

Die Uhr ist eine Mogelpackung

Es ist schon paradox: Das Smartphone hat einst die Armbanduhr für viele überflüssig gemacht, nun soll die Apple Watch das Smartphone größtenteils überflüssig machen. Die Apple Watch wurde zwar als Armbanduhr eingeführt, ist aber doch eine Mogelpackung. Eine Armbanduhr ist nicht nur Zeitmesser, sie ist auch immer Schmuckstück. Für Männer mehr als für Frauen, denn für Männer ist sie zumeist der einzige Schmuck.

Da wären wir auch schon beim Problem. Schmuck impliziert schmücken. Das tut die Apple Watch aber nicht. Die Uhr wirkt wie ein rechteckiger Fremdkörper. Das "intimste Gerät", das man je hergestellt habe, heißt es vom Konzernchef. Doch wie intim ist eine Uhr, die das Handgelenk seines Trägers im Würgegriff hält und alles aus ihm herauspresst, vom Herzschlag bis zur Schrittzahl des Tages? Ihm jede neue E-Mail, jede Facebook-Freundschaftsanfrage per Vibration unter die Haut ans Nervensystem schickt? Die Uhr ist nicht intim. Intimität würde echte Nähe voraussetzen. Die Uhr aber ist unpersönlich, ein Überwachungsstaat in Miniaturform, ein Quälgeist, der alles von seinem Träger wissen will.

Wenn die Batterie nachlässt

Wearables kranken bisher noch daran, dass sie zumeist Standardgeräte ohne allzu viel Spielraum bei der persönlichen Konfiguration sind. Die Apple Watch will hier eine Ausnahme sein. Das Display lässt sich aus Abermillionen möglichen Hintergründen gestalten. Das Gesicht der Uhr ist austausch- und innerhalb von Sekunden wechselbar und bleibt damit trotzdem ebenso kalt und glatt wie das Saphir-Glas über dem Ziffernblatt.

Apple Inc. Reveals Bigger-Screen iPhones Alongside Wearables

Die Apple Watch kann mehr als bloß die Zeit anzeigen. Ob das nötig ist, ist fraglich.

(Foto: Bloomberg)

Wenn die Batterie nachlässt, zeigt die Uhr ihr wahres Gesicht: ein lebloser Gegenstand ohne Individualität. Millionenfach in asiatischen Fabriken produziert. Mal ehrlich, wer benutzt seine Uhr, um damit eine Überweisung zu machen, eine Mail zu schreiben oder einen Urlaub zu buchen? Armbanduhren kommen auch im 21. Jahrhundert ohne Spezialeffekte aus. Außer in James-Bond-Filmen.

Sie sind seit Jahrzehnten Lustobjekt, Statussymbol und funktionaler Zeitmesser zugleich. Hersteller gibt es viele. Die Auswahl eines bestimmten Uhrenmachers ist immer auch eine Glaubensfrage. Zwischen den verschiedenen Modellen von Piaget, Longines, Tag Heuer, Omega, IWC, Nomos, Breitling, Glashütte oder Patek Philippe liegen Welten, Geschmäcker und manchmal Zehntausende Euro. Doch eines eint alle diese Uhren: Sie sind kein Wegwerfprodukt, nicht industriell gefertigt - sondern hergestellt mit dem Anspruch auf Dauerhaftigkeit. Sie sind Kulturgut mit emotionalem Wert, häufig über Generationen vererbt. Sie sind das Ergebnis feiner Handwerkskunst. Mit dem Kauf einer solchen Uhr erwirbt man mehr als einen edlen Zeitmesser, man wird Mitglied einer Gemeinde.

Kein Fall für das Uhrenmuseum

Mit dem Kauf einer Apple Watch wird man natürlich ebenfalls Mitglied einer Gemeinde: der der Apple-Jünger. Doch eignet sich diese Uhr tatsächlich für den Alltag? Können Männer und Frauen mit einer solchen Uhr ins Büro gehen und werden noch ernst genommen? Eher nicht. Oder werden sie automatisch in eine Ecke gestellt mit Anzugträgern, die auf dem Longboard von der U-Bahn-Station zum Büro fahren? Eher schon. Und wer außer Teenagern möchte damit wirklich winzige Zeichnungen verschicken? Man weiß es nicht.

Die letzte Uhr, die jeder haben wollte war die ,Baby G' von Casio. Das war 1997, als die für damalige Verhältnisse innovative Digitaluhr mit ihren bunten Armbändern und Gehäusen die Herzen der Jugendlichen eroberte - mittlerweile ist sie ein Fall fürs Uhrenmuseum. Ob die Apple Watch dort überhaupt Anspruch auf einen Platz hat, ist fraglich. Sie kann zwar Herztöne verschicken, doch ihr fehlt ein entscheidendes Gadget: Herz.

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